Frauenstadträtin Eva Schobesberger möchte "die Lage der Frauen kontinuierlich im Blick haben" - der erste Linzer Frauenbericht dient ihr als Grundlage für konkrete frauenpolitische Maßnahmen.

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Die Studienautorinnen: Birgit Buchinger ...

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... Renate Böhm ...

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... und Projektleiterin Univ.-Prof. Gabriella Hauch

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Wie Linzerinnen leben, unter welchen Bedingungen sie lernen und arbeiten, wie es um ihre Gesundheit steht und in welcher Form sie am politischen und soziokulturellen Leben der Stadt teilhaben, wollte die Linzer Frauenstadträtin Eva Schobesberger ganz genau wissen. Anfang 2010 gab sie eine entsprechende Studie in Auftrag, seit kurzem sind die Ergebnisse in Form des 184 Seiten starken Linzer Frauenberichts online für alle Interessierten einsehbar.

Auf kommunaler Ebene hat es, abgesehen von Wien als Landeshauptstadt, bisher keinen umfassenden allgemeinen Frauenbericht gegeben: "Wir haben mit der Linzer Studie Neuland betreten", sagt die Stadträtin. "Ich wollte den konkreten Ist-Zustand feststellen, um die erhobenen Eckdaten in konkrete, auf die Zielgruppe zugeschnittene Maßnahmen umsetzen zu können. Wir möchten den Frauenbericht in Linz als Dauereinrichtung etablieren, um so die Lage der Frauen kontinuierlich im Blick zu haben."

Die wichtigsten Erkenntnisse

Die Linzer Ergebnisse weichen nur geringfügig von jenen des gesamtösterreichischen Frauenberichts ab. Besonders in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung und Geschlechtergerechtigkeit bei Einkommen wie Arbeitsmarkt gibt es kaum Unterschiede zu den allgemeinen Trends: So sind etwa auch in Linz die unzureichende qualitativ hochwertige Versorgung von Kindern bis drei und ab sechs Jahren sowie die unflexiblen Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen ein Thema, ebenso die daraus folgenden eingeschränkten Arbeitschancen von Frauen.

Auch in der oberösterreichischen Landeshauptstadt wählen junge Frauen nach wie vor geschlechtsstereotype Schul- und Lehrausbildungen: Der Anteil weiblicher Lehrlinge im Einzelhandel beträgt satte 73 Prozent, in Industrie und Handwerk/Gewerbe nur 14,5 bzw. 21 Prozent. In den Studien der Naturwissenschaften und Technik beträgt der Frauenanteil nur 20 Prozent. 20 Prozent der Linzerinnen haben noch immer maximal Pflichtschulbildung.

Teilzeitarbeit ist weiblich

Im Bereich der Erwerbstätigkeit zeigte sich, dass 48 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen weiblich sind, ebenso ist es aber auch die Teilzeitarbeit: 41 Prozent aller erwerbstätigen Frauen sind teilzeitbeschäftigt, 57 Prozent der Linzerinnen, aber 87 Prozent der Linzer haben einen Vollzeitarbeitsplatz. Führungspositionen sind nach wie vor eine Männerdomäne und auch in Linz sind Frauen stärker in ihrer Existenz bedroht als Männer: Die Einkommensschere beträgt 32 Prozent, bei Pensionistinnen gar 42 Prozent, und die Anzahl der Sozialhilfebezieherinnen steigt. Die ökonomische Situation hat in Folge auch maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit der Linzer Frauen.

Politik ist Männersache

Die Linzer Politik ist nach wie vor männlich konnotiert: Frauen sind in politischen Funktionen, in den Stadtparteien (Ausnahme: "Die Grünen Linz") und in den verschiedenen Interessenvertretungen deutlich unterrepräsentiert. Allerdings verfügt die Stadt neben dem Frauenförder- und Gleichstellungsprogramm über frauenpolitische Organe wie das Frauenbüro mit Frauenstadträtin Eva Schobesberger und auch Gender Budgeting wird in der Linzer Stadtverwaltung umgesetzt.

Verhütung ist Frauensache

Klar ersichtlich ist anhand der Ergebnisse, dass Verhütung in Linz hingegen nach wie vor Frauensache ist und viele junge Frauen noch immer zu wenig sexuell aufgeklärt sind. Homosexualität werde tabuisiert, Sexualitäten von älteren und alten Frauen sind laut Studie "kein Thema". Auffällig ist, dass es dem Bericht nach kein zugängliches Wissen über die Bedeutung von Sexualitäten und Körperlichkeiten der Linzerinnen gibt. "Das liegt zum Großteil am Mangel an qualitativen Daten zu vielen Fragen der Sexualität und Reproduktion", sagt Co-Autorin Birgit Buchinger, die den Bericht gemeinsam mit Renate Böhm und Projektleiterin Gabriella Hauch von Mai 2010 bis Februar 2011 am Institut für Frauen- und Geschlechterforschung der Linzer Johannes Kepler Universität erstellt hat.

Mangel an Daten

Der Mangel an frauenspezifischen Daten war allgemein eine Hürde bei der Erstellung der Studie, sagt Buchinger: "Es gibt in Linz zwar ein großes Angebot an statistischen Daten, aber die Auswertungen sind nicht nach Geschlecht erfolgt. So liefert etwa die BürgerInnenbefragung 2004 interessante Informationen über das Lebensumfeld der LinzerInnen, aber erst jetzt, sechs Jahre später, wurden die Antworten der Frauen auf unsere Anfrage hin gesondert ausgewertet. Besonders bei Jugendlichen ergab unsere getrennte Auswertung, dass die Ergebnisse der Befragungen von Burschen und Mädchen stark differieren." Zusätzlich wurden Workshops mit Linzer ExpertInnen veranstaltet, um die Themen, bei denen die vorhandenen Daten sehr dünn gesät waren, im Detail zu analysieren und Vorschläge für Maßnahmen einzuholen.

Zusätzliche Erhebung

Vor allem in jenen Themenbereichen, wo es um die geschlechtsspezifische Nutzung von sozialen und kulturellen Angeboten geht, wurde eine zusätzliche Erhebung beim Magistrat sowie in Einrichtungen und Vereinen, von Jugendklubs bis hin zu SeniorInnenheimen, durchgeführt. "Auch hier zeigte sich, dass nicht überall ein geschlechtersensibler Blick auf die NutzerInnen, ihr Nutzungsverhalten und ihre Problemlagen gelegt wurde." Es gelte also künftig, vonseiten der Stadt darauf zu achten, dass die KundInnenstruktur lückenlos und verbindlich nach Geschlecht und anderen sozialen Merkmalen dokumentiert wird: "Diversität als Querschnittsmaterie muss bei statistischen Erhebungen Standard werden, auch bei der Förderungs- und Subventionsvergabe", fordert Buchinger.

Die Quadratur des Kreises

Auf politischer wie auf kommunaler Ebene lasse sich mit dem Bericht genau nachzeichnen, "wie die Quadratur des Kreises der Benachteiligung noch immer gelingt", bemerkt die Studien-Autorin. "Das infrastrukturelle Angebot für Frauen in Linz ist zwar sehr breit, es profitiert aber nur ein Teil der Frauen von den positiven Veränderungen in der Stadt: Frauenspezifische Angebote werden zwar stark angenommen, benachteiligte, sozial gefährdete Zielgruppen wie etwa Alleinerzieherinnen, Frauen mit Behinderung, bildungsferne Frauen oder Frauen migrantischer Herkunft konnten bisher aber nicht oder nur marginal erreicht werden."

Tatendrang

Die erhobenen Daten will die Linzer Frauenstadträtin nun zur Erstellung eines gezielten Frauenprogrammes nutzen: "Nach Pfingsten gibt es mit den anderen Gemeinderatsfraktionen ein Kick-off-Treffen, um die Ergebnisse gemeinsam durchzuarbeiten." Beginnen möchte sie mit Maßnahmen, die bei allen Fraktionen Zustimmung finden. Unabhängig davon hat Schobesberger bereits eigene Maßnahmen gesetzt: "So wird es etwa ab Herbst gemeinsam mit 'FIT - Frauen in die Technik' das Programm 'MIT - Mädchen in die Technik' für VolksschullehrerInnen geben."

Für die Umsetzung des Frauenprogramms steht dem Linzer Frauenbüro ein Grundbudget zur Verfügung. Zusätzlich möchte Schobesberger ein Budget für Sonderprojekte lukrieren. Der Frauenbericht solle aber nicht nur auf politischer Ebene, sondern möglichst vielen Institutionen als Datengrundlage für Maßnahmen und Projekte dienen: "Mit Fraueninitiativen wird es dazu schon im Sommer eine erste Feedbackrunde geben."(isa/derStandard.at, 13.6.2011)