Im Fernsehen sah ich einen Veteranen der US Army, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, japanische Fahnen in ihr Herkunftsland zurückzuschicken. In diese mit Grüßen, Wünschen und Anfeuerungen der Angehörigen beschriebenen Fahnen gehüllt, waren japanische Soldaten in den Kampf gezogen, US-amerikanische Soldaten hatten sie den getöteten Feinden abgenommen. Ich sah auch eine Frau, die eine solche Fahnenschürze beim Ausräumen des Hauses ihres verstorbenen Vaters fand, auf den Veteranen stieß, sie retournierte und einen Brief aus Japan bekam, in dem sich Nachfahren eines getöteten Soldaten für das Andenken bedankten. Ich war verblüfft über diese Geste und verstand auch jene, die sie ablehnen.

Ähnlich muss es dem Künstler Josef Schützenhöfer ergangen sein, als er in den Vereinigten Staaten auf einen Marinefriedhof stieß, in dem neben den Soldaten der US-Navy deutsche Marinesoldaten begraben liegen - mit Grabsteinen, Namen, Lebensdaten. Als er in der oststeirischen Gemeinde Pöllau auf die Geschichte jener US-Fliegerpiloten stieß, die von Nazis abgeschossen wurden, malte er stellvertretend das Portrait eines gewissen Harry Moore, der im Zuge der Befreiung Österreichs sein Leben in der Oststeiermark lassen musste. Die Gemeinde war an dem Bild - das mittlerweile von der steirischen ÖVP gekauft und ausgestellt wurde - nicht interessiert. Nur Schützenhöfer ließ nicht locker, reiste in die Vereinigten Staaten, traf alte Männer, die die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus überlebt hatten, besuchte Hinterbliebene der Toten und recherchierte weiter.

Gemeinsam mit dem Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer initiierte er das "Liberation Art Project", das den gefallenen Piloten der US-Army, gleichsam als Korrektiv zum Kriegerdenkmal für die Gefallenen der deutschen Wehrmacht, ein Denkmal in Pöllau setzen und Stipendien für Künstlerinnen und Künstler aus den Staaten der ehemaligen Alliierten ausschreiben will. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sollen eine Zeitlang in Pöllau leben, arbeiten und das kulturelle Leben - gelinde gesagt - bereichern. Am 18. Juni wird das Denkmal, ein Objekt, das Schützenhöfer mit zwei Künstlern aus den Vereinigten Staaten schafft, in Pöllau aufgestellt. Über den Sommer wird sich eine US-Künstlerin vor Ort mit der Geschichte befassen.

Dass die Initiatoren des Projekts ein Personenkomitee ins Leben rufen mussten, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller eine folgenlos gebliebene Petition unterschrieben, dass eine zweite Unterschriftenwelle nachkommen wird, um das Projekt nicht zu gefährden und gleichsam seine Legitimität zu bezeugen, ist zum Schreien und bestätigt im Nachhinein jene Befürchtungen, die diese Schritte überhaupt erst veranlassten.

Anfangs erklärte der Bürgermeister, man müsse die Einwilligung des Kameradschaftsbundes einholen, was für die Initiatoren natürlich nicht in Frage kam, bevor er alle vorgeschlagenen Orte für das Denkmal ablehnte, um einen Platz im Schlosspark anzubieten, der am Tag der Enthüllung nur mit Eintrittskarte zu betreten ist - wegen einer Gartenmesse, die seit langem auf der Website der Gemeinde angekündigt ist. In unmittelbarer Nähe feiert die örtliche Volkspartei die Sonnenwende, zum Zeitpunkt der Enthüllung startet das Kinderprogramm mit Hupfburg, Animation und Lagerfeuer. Von Josef Schützenhöfer werden auf einmal Tourismusabgaben verlangt, außerdem wurde gefordert, der Künstler solle in Zukunft auf verbale Attacken sowie das Karikieren von Gemeinderäten verzichten, was nach dem Karikaturenstreit als Karikaturverbot in die Geschichte eingehen könnte.

Während vor wenigen Jahren die Halle das Turnvereins mitsamt den 1933 in Hakenkreuzform an die Wand gemalten Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei-Fs Turnvater Jahns und einem ein Schwert im Maul tragenden Adler restauriert wurde, lehnt man es ab, auch nur einen Euro für ein Projekt beizusteuern, das die Namen der gefallenen Befreier ins Gedächtnis rufen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern Arbeitsmöglichkeiten in einer Gemeinde geben will, die sich in erster Linie über ihre schöne Landschaft definiert, in ihrer Internetpräsenz aber auch von der Geschichte zu berichten weiß: "Unter den Armeen der Befreier, vor allem amerikanische Piloten und Rotarmisten, führten die Kämpfe rund um Pöllau kurz vor Kriegsende zu Verlusten. Jüdische Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, die von einem nicht geringen Teil der Bevölkerung gestützt wurde, gab es in Pöllau nicht."

Dass Pöllau schon lange vor 1938 mit dem Hinweis, die Gemeinde sei "judenfrei", um Sommerfrischler warb, wird ebenso wenig erwähnt wie Einsatz und Opfer der Freiheitskämpfer und Partisanen vom nahegelegenen Masenberg, die von einem großen Teil der Bevölkerung noch immer als Verräter betrachtet werden.

Nur eine Provinzposse?

Liest man Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Organisatoren und Bürgermeister, fragt man sich, ob Dummheit, Sturheit oder ein nur allzu bekanntes Geschichtsbild die Herren in Pöllau antreibt, das Liberation Art Project nach Kräften zu hintertreiben.

Man könnte all das für eine Provinzposse halten, wenn nicht die untergründige Logik erschaudern ließe, wonach die Namen der toten Befreier, die eine bestimmte Überlieferung Feinde nennt, nicht zu nennen seien. Dass der Bürgermeister seine Befürchtung kundtut, Josef Schützenhöfer könnte Hakenkreuze in seinem Kunstwerk verstecken und somit Propaganda für den Nationalsozialismus betreiben, ist nicht nur lächerlich. Die Logik, das, was man als Eigenes versteht, so verheerend es gewesen sein mag, über das als fremd verstandene Gute zu stellen, schreckt nicht einmal davor zurück, das Kleid des Antifaschismus anzuziehen, um ein Denkmal für die Bezwinger des Faschismus zu verhindern.

Vielleicht aber kann Bürgermeister Schirnhofer von der Österreichischen Volkspartei eine einfache Frage beantworten: Worin liegt das Problem, die Namen jener Menschen lesbar zu machen, die ihr Leben für die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus lassen mussten? Es ist davon auszugehen, dass sie das schöne Pöllau lieber als Sommerfrischler gesehen hätten. (Kommentar der anderen, Clemens Berger, DER STANDARD Printausgabe 11./12./13.5.2011)

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