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Niedrige Bezüge am Beginn der Karriere verleiten Junge oft dazu, die Familienplanung immer weiter aufzuschieben.

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Wien - Kommende Woche legt die Regierung einen Baustein für eine solidere Kinderbetreuung: Sie verlängert die Förderung für das halbtägig kostenlose, verpflichtende Kindergartenjahr für Fünfjährige. Für zwei Jahre fließen 140 Millionen Euro. Doch reicht allein ein besseres Angebot an Krippen- und Kindergartenplätzen, um Österreich zu dem zu machen, was es laut Umfragen (DER STANDARD berichtete) nicht ist - nämlich ein familienfreundliches Land? Experten sehen auch in einem anderen Bereich grobe Defizite: bei den Arbeitsbedingungen.

"Eine völlig entgleisende Arbeitszeitkultur" identifiziert Wolfgang Mazal, Leiter des Instituts für Familienforschung, als eine Ursache, die Paaren die Lust auf Kinder austreibe. Während die Skandinavier am Nachmittag heimgingen, sei es hierzulande Usus, weit über die Norm hinaus zu arbeiten.

330 Millionen Überstunden häuften die Österreicher im Vorjahr an, das entspreche 200.000 zusätzlichen Jobs. Überstundenleister kommen im Schnitt auf 8,2 Stunden zusätzlich pro Woche - und täten damit auch ihrer Gesundheit nichts Gutes, meint Mazal: "Unternehmen handeln nicht nachhaltig, wenn sie ihre Bediensteten ins Burnout treiben". Billiger sei dies nur dann, wenn Überstunden nicht ordnungsgemäß bezahlt werden. Mögliches Gegenrezept: strengere Kontrollen und Strafen.

Wie man's macht, ist's falsch

Ein anderes Hemmnis sieht Mazal in den steilen Verdienstkurven: Berufsanfänger würden vielfach mit niedrigen Bezügen beginnen, um mit dem Alter zuzulegen. Dies gefährde nicht nur die Jobs der Älteren, sondern verleite die Jungen auch dazu, die Familienplanung aufzuschieben, sagt der Experte. Schließlich liege das Einkommensmittel für 20- bis 29-Jährige lediglich bei 1100 Euro netto: "Das ist nicht der große Luxus."

Die Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller vermisst Betriebskindergärten sowie bessere Möglichkeiten für Teleworking und Teilzeitarbeit - auch in Führungsetagen: "Leistung zeigt sich ja nicht darin, wie viel Stunden jemand im Büro absitzt." Unternehmer sollten auch aus Eigeninteresse umdenken: "Weil familienfreundliche Betriebe mit gemischten Teams produktiver sind."

Einen Wandel fordert Mazal aber auch in der politischen Debatte, die sich in Klischees - von der heiligen Familie bis zur hungernden Alleinerzieherinnen - ergehe. Die Modelle der jeweiligen Gegenseite würden niedergemacht - und potenzielle Eltern entmutigt: "Die Botschaft lautet: Wie man's macht, ist's falsch."  (Gerald John, STANDARD-Printausgabe, 11./12./13.6.2011)