Wenn zwei sich streiten, freut sich in der Regel der Dritte. Wenn aber in der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) die Fetzen fliegen, dann sorgen sich viele. Eine der Befürchtungen: Der Ölpreis könnte in die Höhe schießen und die Weltwirtschaft, die nach dem dramatischen Absturz vor zwei Jahren langsam wieder Tritt zu fassen beginnt, rasch in die Knie zwingen. Diese Sorge ist unbegründet.

Angst haben muss man immer dann, wenn sich das Ölkartell einig ist, so wie Anfang der 1970er-Jahre. Damals war die Opec im Gegensatz zu heute kein zerstrittener Haufen. Wie ein Mann - Frauen gab es damals keine in dem Klub und gibt es auch heute nicht - standen die Ölminister im Herbst 1973 hinter der Entscheidung, die Förderung abrupt zu kürzen. Die Aktion war als Retourkutsche für die Unterstützung gedacht, die der Westen - insbesondere die USA - Israel nach dem Angriff durch ägyptische und syrische Truppen im sogenannten Jom-Kippur-Krieg gewährten.

Der Ölpreis schnellte um 70 Prozent in die Höhe - von ursprünglich drei Dollar auf fünf Dollar je Fass (159 Liter). Schlangen an den Tankstellen waren die Folge, Fahrverbote an geraden oder ungeraden Tagen - je nach dem, mit welchem Kennzeichen man unterwegs war. Und natürlich die Nassrasur, die in Österreich von höchster politischer Stelle (Kanzler Kreisky) vorgelebt wurde.

War die Opec hingegen zerstritten so wie jetzt, hat es im Grunde nie an Öl gemangelt. Selbst als sich Iran und Irak, zwei Gründungsmitglieder des Kartells, um die Jahreswende 1979/80 in einen blutigen Krieg verstrickten, war der physische Ausfall von Öl nur kurzfristig ein Problem.

Der eigentliche Preistreiber war schon damals etwas, das gern mit "Psychologie" umschrieben wird. Damals war es die Befürchtung, der Ölfluss könnte versiegen, sollten Iran und Irak nicht in kürzester Zeit als Lieferanten zurückkehren, was sie wegen des sich hinziehenden Krieges bekanntlich ein Jahrzehnt lang nicht schafften. Dennoch war genug Öl da. Andere Golfstaaten sind in die Bresche gesprungen, allen voran SaudiArabien.

Das ist jetzt nicht anders. Die Saudis haben angekündigt, ihre Pumpen auf Hochdruck laufen zu lassen. Sie haben schon bisher hunderttausende Fässer Öl mehr produziert als vereinbart. Und sie wollen noch einmal 500.000 Fass am Tag zusätzlich auf den Markt werfen. Die Saudis sind die Einzigen, die dazu in der Lage sind.

Alle anderen, ob sie nun Iran heißen oder Venezuela, produzieren schon jetzt, was die Bohrlöcher hergeben. Auch wenn sie wollten, könnten sie ohne zusätzliche Investitionen nicht substanziell mehr fördern. Die Anlagen sind veraltet, viele Ölfelder schon nahe der Erschöpfung.

Was heißt das für die Preise? Öl wird teuer bleiben, von der Hoffnung auf Notierungen deutlich unter 100 Dollar je Fass muss man sich verabschieden. Das ist gut so. Der lachende Dritte ist die Umwelt. Weniger CO2 in der Luft - davon profitieren letztlich alle. Der Umbau der Wirtschaft weg von fossilen hin zu erneuerbaren Stoffen ist voll im Gang. Billigeres Öl würde diesen Prozess bremsen.

Dass die Weltwirtschaft bei Preisen um die 120 Dollar je Fass in die Knie geht, ist unwahrscheinlich. Die Wirtschaft ist weit weniger abhängig von Öl als in den 1970er-Jahren. Dramatische Folgen hat das somit nicht mehr. Auch diese Sorgen sind unbegründet. (Günther Strobl, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 10.6.2011)