Nischni Nowgorod/Moskau - Der Konflikt rund um das von Russland verhängte Importverbot auf europäisches Gemüse wird den heute Freitag stattfindenden EU-Russland-Gipfel dominieren, auch wenn auf der Agenda offiziell ganz andere Themen stehen. So soll in der Wolgastadt Nischni Nowgorod, rund 400 Kilometer östlich von Moskau, über die Modernisierungspartnerschaft, die Abschaffung der Visapflicht, den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO und die Lage in Libyen und dem Nahen Osten gesprochen werden.

Kurz vor dem Gipfel ist jedoch ein Streit um den Ehec-Virus in Europa ausgebrochen. Russland stoppte den Import von sämtlichen Gemüsen aus der EU. Fernando Valenzuela, EU-Botschafter in Moskau, kritisierte das russische Vorgehen als überzogen. Das Einfuhrverbot widerspreche den Prinzipien der WTO, der Russland seit 1993 beitreten will. Laut dem russischen Handelsministerium seien vorübergehende Verbote in Einklang mit WTO-Regeln, wenn Menschenleben bedroht sind. Scharf fiel die Antwort des russischen Premiers aus. Wladimir Putin sprach von "stinkenden Gurken" und dass Russland wegen der WTO seine Leute nicht vergiften werde. Der Bann werde erst aufgehoben, wenn die Quelle der Bakterien bekannt ist.

Kritsierte Handelsbarrieren

Außerdem stellte Putin am Donnerstag klar, dass der WTO-Beitritt Russlands nicht die Aufhebung der von der EU kritisierten Handelsbarrieren etwa in der Autoproduktion zur Folge haben werde. "Der WTO-Beitritt Russlands bedeutet nicht die automatische volle Öffnung unserer Märkte für ausländische Waren. Empfindliche Positionen werden unbedingt mit höheren Zolltarifen geschützt werden", sagte Putin. Auch andere WTO-Mitglieder würden ihre Märkte abschotten. Russische Exporteure verlieren dadurch jährlich 2,5 Milliarden US-Dollar.

Die EU ist der wichtigste Handelspartner Russlands. Das bilaterale Handelsvolumen ist nach einem Einbruch im Krisenjahr 2009 im vergangenen Jahr um fast ein Drittel auf rund 209 Milliarden Euro gewachsen. Die EU-Ausfuhren nach Russland betrugen 2010 rund 87 Milliarden Euro. Die EU-Länder importierten im vergangenen Jahr Waren, vor allem Öl und Gas, im Wert von 158 Milliarden Euro. 25 Prozent der europäischen Gemüseexporte werden nach Russland geliefert. 2010 exportierten die EU-Länder Gemüse im Wert von 600 Millionen Euro nach Russland. (ved, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.6.2011)