"Der Triumph der Ariadne" (1873-74) von Hans Makart aus der Schau im Belvedere ist weniger Illustration des antiken Sagenstoffes denn ein Siegesbild weiblicher Vitalität.

 

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Vor violetten Draperien und Großformatigem: Wolfgang Kos und Agnes Husslein-Arco bei der Präsentation der Ausstellung

 

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Ralph Gleis kuratierte die Schau im Künstlerhaus. Der 1973 geborene Kunsthistoriker   promovierte zu Anton Romako und ist seit 2009 Kurator im Wien-Museum.

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Wien – Hans Makart dominierte einst das Kunstgeschehen Wiens und ist auch nun Star zweier großer Ausstellungen.

"Dieses diarrhöeartige Produzieren in seiner Trödelbude missfällt mir", ätzte sein Kontrahent Anselm Feuerbach. Im Gegensatz zu Hans Makart (1840-1884), der kein Bohemien, sondern ein Künstler aus der Mitte der Gesellschaft war, sah sich der intellektuelle Feuerbach als verkanntes Genie, dem es um das Ewigwährende in der Kunst ging.

Dass der in München ausgebildete Makart hingegen mehr an der prachtvollen Inszenierung der Stoffe und am intensiven Kolorit der Gemälde interessiert war, missfiel auch anderen Historienmalern. Zur Popularität von Makarts Gemälden trug auch das Arbeiten nahe am Zeitgeschmack bei: Dass mit dem Vergehen der Mode auch sein Ruhm dahin sein würde, nahm Makart in Kauf. Er starb jedoch, noch bevor der Boom vorbei war, an syphilitischer Gehirnhautentzündung.

Die größte Angriffsfläche für Kritik boten aber Makarts Interieurs: bombastisch, angeräumt und voller Staubfänger. Wie opulent das war, davon kann man sich derzeit im Künstlerhaus ein Bild machen: Dort heftet sich das Wien-Museum auf die Spur des Phänomens Makart.

Das Künstlerhaus ist der perfekte Ort für die Schau über das am damaligen "Kunsthimmel weitleuchtendste Gestirn", denn in dieser historistischen Kulisse fanden damals die Menschenmassen anziehenden Einzelbildschauen statt. Im Erdgeschoß hätte die Schau des Belvedere eigentlich auch noch Platz gefunden. So weit ging die Kooperation der beiden Häuser dann doch nicht: Und so darf sich der Besucher über Kombiticket, zwei seitenstarke Kataloge und so manch ähnliches Kapitel – "Kalkulierte Skandale" da, "Sensationsbilder" dort – freuen.

Der Fokus auf den Künstlerkult gelingt im Künstlerhaus didaktisch gut: Fotos und Dokumente bereichern den Blick. Insbesondere Makarts Fähigkeit, seine Malerei in Gesamtensembles zu denken, wird gut herausgearbeitet. Auch die interieurhafte Gestaltung, die intensiv farbigen Wände, erscheinen stimmiger als die samten schimmernden Wandbehänge im Belvedere, wo man den Maler der Sinne feiert und mit mehreren wandfüllenden Gemälden punkten kann. Dennoch: die zwei Ausstellungen des Sommers.

"Makart war ein "Schnellmaler"
Ralph Gleis, Kurator des Wien Museums, verriet Anne Katrin Feßler, wie der Rummel um den Maler entstand.

Standard: Als Hans Makart nach Wien kam, war Wiens Prunkboulevard, die Ringstraße, im Bau. Hatte die gute Auftragslage Auswirkung auf Makarts Status als Star?

Gleis: Es gibt einen direkten Konnex zwischen aufstrebendem Bürgertum und dem Künstlerkult, vor dem man Makart als soziales Phänomen begreifen muss. Wien war schon bereit für einen Künstler wie ihn. Bereits im 19. Jahrhundert ergötzte man sich an den Künstlern, sie gehörten zur "Ausstattung" von Soiréen und Festen. Der Künstlerkult verband sich mit dem Geniekult jener Zeit. Man projizierte in sie hinein, was man in ihnen sehen wollte. Etwa, dass man es mit Talent und Fleiß weit bringt: Makart war ein Viel- und Schnellmaler.

Standard: Aber was sorgte für einen solchen Hunger nach einem Künstlerhelden?

Gleis: Die bürgerliche Gesellschaft hatte sich als neuer Protagonist auf der weltpolitischen Bühne noch nicht gesellschaftlich etabliert, hungerte nach Repräsentation. Sie hielt zwar wirtschaftlich bereits die Zügel in der Hand, kam aber am Adel noch nicht vorbei. Fördern und Sammeln von Kunst, die Privilegien des Adels, konnte sich nun auch das Bürgertum leisten, und es hat die Schraube vielleicht ein bisschen weiter gedreht als der Adel. Das passte ganz gut mit Makart zusammen, denn er hat das akademische Ideal, die Konventionen auch stets etwas überschritten. Dem Bürgertum gefiel das, denn man wollte einerseits gleich und anderseits doch wieder anders sein. Mit Makart an der Seite konnte die Geldaristokratie auf der gleichen gesellschaftlichen Bühne spielen. Die Künstler bildeten eine Art Scharnier, die alte und neue Eliten verband.

Standard: Aber die Eliten allein machen noch keinen Star, dazu braucht es Breitenwirkung.

Gleis: Das gelang mit dem Huldigungsfestzug für das Kaiserpaar. 300.000 Zuschauer kamen, und fast die ganze obere Schicht kostümierte sich und ließ sich begaffen. Nach Makarts riesigen Ölskizzen ließen sie sich ihre Kostüme schneidern. Auf den Kostümskizzen finden sich Notizen wie: "Der Preis ist egal, Hauptsache gut".

Standard: Was trug die Etablierung eines Kunstmarkts zum Ruhm der Künstler bei?

Gleis: Das Ausstellungswesen verlagerte sich von den Akademien ins Private. Kunsthändler kauften Bilder an und schickten sie auf Tournee. Es waren Einzelbildausstellungen mit arrangierten Blumen, Büsten und Stoffen, mit denen man in dieser Zeit vor dem Kino Massen anlocken konnte. 40.000 Leute kamen und schauten sich Makarts Einzug Karl V. in Antwerpen an. Eine 50 m2 große Leinwand, die im Prinzip nur vage Anleihen am historischen Stoff nimmt. Er hat das einfach nach seinem Dafürhalten abgewandelt. Die unbekleideten Damen waren ganz klar identifizierbare Damen der Wiener Gesellschaft. Das war ein kalkulierter Skandal.

Standard: Makart ein Stratege?

Gleis: Ja, in München lernte er, wie er sich positionieren muss. Auch sein Atelier konnte man gegen Eintritt am Nachmittag besuchen. Andererseits soll er ein sehr schüchterner Mensch gewesen sein. Auch auf seinen legendären Festen hat er sich zurückgezogen und die anderen machen lassen.

Standard: Schüchtern? Frauen sollen sich wegen ihm öffentliche Eifersuchtsszenen geliefert haben.

Gleis: Es gibt viel Gerüchte und wenig Wahres darunter.
(DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2011, red)