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Schnittstelle Baku: Botschaftseröffnung im Juni 2010 mit Außenminister Spindelegger, Botschafterin Maier-Kajbic.

F.: APA/Bundesheer

Aufregend für Investoren, schwierig für Politiker: Arabischer Frühling und Afghanistan-Rückzug sind die Gründe.

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In Davos, beim Weltwirtschaftsforum Anfang des Jahres, haben sie noch ihre Vorkoster mit zum Lunch gebracht. Man weiß ja nie. Die Präsidenten von Aserbaidschan und Kasachstan, diesseits und jenseits des Kaspischen Meers, leben in zwei Welten zugleich: orientalischer Hofstaat und börsennotierter Ölrausch. Für die einen im Westen heißt das "business", für die anderen staatlich organisierte Menschenrechtsverletzungen. Beim regionalen Wirtschaftsforum in Wien wird man sich in den nächsten Tagen naturgemäß eher auf "business" verlegen.

Für politische Entscheidungsträger in Europa ist der weite Raum von Kiew bis Taschkent außerordentlich schwierig geworden. Allseits herrscht der Eindruck, dass der Westen - unterm Strich wenig erfolgreich mit seinen Ratschlägen für Reformen - in eine neue Zeit mit Zentralasien, den Südkaukasus-Staaten und der Schwarzmeerregion schlittert. Drei Wegmarken weisen auf die Wendezeit: Kirgistan, Bin Laden, der Kaukasuskrieg 2008.

Revolution und Umsturz in Bishkek im April 2010, nur fünf Jahre nach der "Tulpen-Revolution", haben Kirgistans Status als einziger zentralasiatischer Staat mit Zivilgesellschaft und Willen zum Mehrparteiensystem bestätigt. Kirgistans Instabilität bereitet den Nachbarn Sorgen, wirft aber auch ein Schlaglicht auf das Grundproblem ihrer Regime: alternde Autokraten und Zukunftslosigkeit: Die Lebenszeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew (70) in Kasachstan und Islam Karimow (73) in Usbekistan haben keine erkennbare Vorkehrungen für ihre Nachfolge getroffen. Ein plötzlicher Tod des Staatschefs könnte Usbekistan, das bevölkerungsreichste Land der Region, in einen Bürgerkrieg stürzen. Kämpfe rivalisierender Clans sind auch in Kasachstan und in Aserbaidschan zu erwarten, wo Ilham Alijew unersetzbar für das Regime scheint. Der Arabische Frühling, den die Bevölkerung am Fernsehschirm und im Internet mitverfolgt, setzt die Regime nun zusätzlich unter Druck.

Der Tod des Al-Kaida-Gründers Bin Laden im Vormonat ändert auch das eine große strukturierende Element für das Engagement Europas und der USA in Zentralasien: den Krieg des Westens in Afghanistan. Der absehbare Rückzug der Truppen dürfte auch mit schwindenden Ausgaben für Hilfsprogramme zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit und der Umweltschäden in der Region einhergehen. Der republikanischen Mehrheit im Kongress, so sagen Beobachter in Washington, wird nicht einleuchten, warum sie weiter Geld in die zentralasiatischen Gesellschaften stecken soll.

Der Rückzug aus Afghanistan berührt auch die Machtbalance zwischen dem Westen, Russland und China in Zentralasien. Nach 9/11 und der Landung von Nato-Truppen in Afghanistan und den Nachbarländern Kirgistan und Usbekistan war die Rivalität mit Moskau gewachsen. Nun wird die westliche Militärpräsenz zwar abnehmen. Doch Russlands Invasion in Georgien im Sommer 2008 und die folgende De-facto-Annexion zweier georgischer Provinzen sind eine Hypothek, die schwer wiegt. Diplomatische Bemühungen in Genf um eine Beilegung dieses Konflikts stagnieren.

Schlüsselstaat Aserbaidschan

Vor allem der Ausbau alternativer Energierouten nach Europa außerhalb des russischen Gasprom-Imperiums werden die Spannungen mit Russland in den nächsten Jahren wachsen lassen. Die EU und Österreich buhlen mit Russland um Einfluss und Marktanteile in Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan, den drei künftigen Erdgaslieferanten. Aserbaidschan, das geografisch nächstgelegene Land, ist dabei der Schlüsselstaat für den Westen - Ausgangspunkt der geplanten Nabucco-Pipeline und Anlaufstelle für Gaslieferungen von der anderen Seite des Kaspischen Meers.

Die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan sei eine Erfolgsgeschichte, genau so wie das demokratische Georgien, meinte Wladimir Socor, ein Kaukasusexperte und in Washington einflussreicher Kommentator, im Gespräch mit dem Standard. Die Kritik an den Wahlfälschungen seit der Unabhängigkeit 1991 und an der Gängelung politisch Andersdenkender gehe am eigentlichen Punkt vorbei, sagt Socor: "Die Alijews haben über die Jahre aufgebaut, was es vorher nicht gab: einen Staat." (Markus Bernath, DER STANDARD, Printausgabe, 8.6.2011)