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Ein Mitarbeiter der türkischen Gasgesellschaft Botas, wie die OMV Mitglied im Nabucco-Konsortium, prüft Gasventile nahe Ankara.

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Grafik: DER STANDARD

Nabucco-Röhre gegen South-Stream-Pipeline, Gas aus dem kaspischen Raum statt noch mehr aus Russland, zumal Russland jetzt schon eine dominante Stellung bei der Energieversorgung Europas hat. So lautet das Match, dessen Ausgang offen ist.

Besonders brisant ist das Spiel, weil sich Russland und die EU letztlich um dasselbe Gas matchen. Da die Felder in Nordwestsibirien, aus denen seit den 1960er-Jahren Gas gefördert wird, einen hohen Erschöpfungsgrad aufweisen, ist Russland zur Erfüllung seiner Exportverpflichtungen auf Importgas angewiesen. Und dieses Gas kommt großteils aus Aserbaidschan und Turkmenistan, also jenen Ländern, die auch die Nabucco-Pipeline (siehe Wissen) speisen sollen.

Die Gasleitungen Zentralasien, früher alles Teil der Sowjetunion, gingen bisher ausschließlich über russisches Territorium. Mit South Stream, der geplanten 15,5 Milliarden Euro teuren Pipeline durch das Schwarze Meer inklusive Gabelung nach Österreich (Baumgarten) und Italien, will Russland sein Quasi-Monopol in der Gasversorgung Europas zementieren.

Gerade das will die EU verhindern. Die Abhängigkeit von einem Lieferland soll durch Differenzierung der Bezugsquellen gelockert werden. Trotz politischer Unterstützung aus Brüssel kam das EU-Projekt bisher aber nicht so recht vom Fleck.

Zwar wird Nabucco mit der Unterzeichnung von Projektunterstützungserklärungen heute, Mittwoch, im türkischen Kayseri einen kleinen Schritt weitergebracht. In trockenen Tüchern ist der Bau der rund 3300 km langen Gasröhre aber noch lange nicht. Während das von der OMV geführte Konsortium mit Kostenexplosion (möglicherweise zwölf statt 7,5 Mrd. Euro) und Zeitverzögerung (erstes Gas 2017 statt 2015) konfrontiert ist, schreitet das russische Konkurrenzprojekt South Stream voran. Neben Gasprom, italienischer Eni, französischer EdF und der BASF-Tochter Wintershall überlegt auch Eon, sich auf Kreml-Seite zu schlagen.

Optionen offen

Nabucco kämpft nach wie vor um die knappen Gasmengen. Aserbaidschan, in das große Hoffnungen gesetzt werden, hält sich alle Optionen offen. Mit dem Irak hat die EU zwar ein Abkommen unterzeichnet, doch zuletzt nahmen die Spannungen mit der kurdischen Provinz, in der sich die größten Vorkommen befinden, wieder zu. Die Regionalregierung in Erbil lehnt das Abkommen ab, weil damit die Lieferkompetenz in die Hände von Bagdad fiele. Turkmenistan bewegt sich zwar auf Nabucco zu, Moskau aber könnte die notwendige Anbindung des Landes über eine Pipeline durch das Kaspische Meer torpedieren.

Schwer durchschaubar ist zudem die Position der Türkei, die das wichtigste Transitland für Nabucco wäre und auf deren Hoheitsgebiet South Stream im Schwarzen Meer verliefe. Ankara pokert dabei gekonnt: Neben Durchleitungsgebühren ist auch der autonome Ankauf von Gas und Weiterverkauf an die Abnehmer ein Thema. "Die Türkei fährt beim Gas genauso zweigleisig wie alle anderen", interpretiert Experte Gerald Knaus im Standard-Gespräch die Politik Ankaras. "Letztlich wendet sich die Türkei den Regionen zu, die ihre Waren abnimmt."

Für den Russland-Experten Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck ist Geld die entscheidende Frage. "Das Gas wird es irgendwann geben. Wie die sechs Konsortialpartner ihr Drittel an den Projektkosten von rund zwölf Milliarden Euro darstellen wollen, ist angesichts der ungewissen Verbrauchsentwicklungen aber fraglich," sagte Mangott. "Klar ist: Wer als Erster on stream geht, verschärft die Debatte, ob das jeweils andere Projekt wirtschaftlich noch Sinn macht". (Andreas Schnauder, Günther Strobl, DER STANDARD; Printausgabe, 8.6.2011)