Die Raumsonde "Mars Express" der europäischen Raumfahrtagentur ESA kreist inzwischen bereits mehr als sieben Jahre um unseren Nachbarplaneten; laufend zur Erde gesendete hochauflösende Bilder von der Marsoberfläche versetzen die Wissenschafter immer wieder in Erstaunen. Die aktuell veröffentlichte Aufnahme mit einer Ausdehnung von etwa 370 Mal  195 Kilometern - zu sehen ist deren geographische Lage auf einer topografischen Karte  (Rechteck in der Bildmitte) - entstand während des "Mars Express"-Orbits Nummer 8.995 am 15. Jänner dieses Jahres und stammt vom Südpol des Roten Planeten; zu sehen sind gewaltige Eismassen im Frühling.

Die Mars-Pole sind eng verknüpft mit dem wechselhaften Klima auf dem Mars und verändern sich stetig mit dem Wandel der Jahreszeiten. Das Studium dieser Veränderungen ist eines der Hauptziele der "Mars Express"-Mission.

Foto: NASA MGS MOLA Science Team

Rund zwei Drittel des mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) aufgenommenen Bildes (mit einer ursprünglichen Auflösung von rund 49 Metern pro Pixel) zeigt Eisschilde bzw. Ansammlungen von Wassereis in der Nähe einer Formation mit dem Namen Ulyxis Rupes. Fast die gesamte linke Seite des Bildes wird von der Eisfläche dominiert; dunkles, staubiges Material bedeckt das Eis und raubt ihm seine helle Färbung.

Ulyxis Rupes ist das einzige benannte morphologische Merkmal in der abgebildeten Marsregion. Es ist ein klassisches Albedo Feature, also ein Areal, das sich durch Helligkeitsunterschiede von seiner Umgebung abhebt; Rupes ist der lateinische Begriff für Steilhang oder Abhang. Ulyxis Rupes befindet sich in hohen Breiten des südlichen Hochlands des Planeten (Lat./Long:-68.37°/159.9°) und erstreckt sich über eine Länge von etwa 390 km. Der etwas unspektakuläre Beginn dieses Abhangs ist hier als dunkle Fläche am oberen Bildrand rechts zu sehen; auf dem nächsten Bild ist der Beginn des Abhangs mit Pfeilen gekennzeichnet.

Foto: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Die südliche und westliche Hälfte des Bildes wird von der geschlossenen Eiskappe dominiert. Sie ist stark von dunklem Lockermaterial überdeckt. An nach Norden gewandten Steilhängen sind sehr gut Wechsellagerungen aus Eis und dunklen Sedimentschichten zu erkennen, die auch als sogenannte "polar layered deposits" (hier im hervorgehobenen Rahmen 1) bekannt sind. Da die Region über 1.000 Kilometer vom Pol entfernt liegt, weist das Eis im Durchschnitt eine verhältnismäßig geringe Dicke von rund 500 Metern auf. Nahe am Pol kann das Eis dagegen über 3,7 Kilometer dick werden.

Foto: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Die oft halbkreisförmige Form der Steilhänge ist vereinzelt auf darunter lagernde Einschlagkrater zurückzuführen. Die Steilhänge bewirken außerdem eine Terrassierung, die von Süden nach Norden abnimmt, wie auf diesem farbcodierte Höhenmodell zu erkennen ist. Dem Eisschild sind isolierte, teilweise große zusammenhängende, Eisablagerungen vorgelagert (vorangegangenes Bild, Rahmen 2). Diese sind mitunter stark mit dunklem Material bedeckt. Aufgrund der Windaktivität findet ständige Umlagerung statt und bildet oft Dünen. Anhand der Ausrichtung dieser Dünen schließen die Wissenschafter auf eine vorherrschende Windrichtung in nordwestlicher Richtung.

Foto: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Mit zunehmender Entfernung vom Südpol sind größere Eisvorkommen nur noch im Inneren von Impaktkratern erhalten (Bild 3, Rahmen 3). Auffällig ist dabei, dass sich diese "Mini-Eispanzer" nicht zentral im Inneren sondern näher an der Nordwand des Kraters befinden. Dies ist auf die von Norden kommende Sonnenstrahlung zurückzuführen, die die Südhänge des Kraters stärker erwärmen.

In den Rahmen 4 und 5 auf Bild 3 sind irregulär geformte helle Ablagerungen zu erkennen, die teilweise parallele Oberflächenstrukturen aufweisen. Obwohl es noch einer genaueren Analyse bedarf, könnte es sich hierbei möglicherweise um relikte Eisablagerungen oder "Tot-Eis" handeln. An manchen Stellen ist deutlich zu erkennen, dass diese Ablagerungen teilweise von dunklem Material überlagert werden.

In der Zwischenzeit hat sich der Mars-Frühling am Südpol des Planeten zugunsten eines wärmeren Sommers verabschiedet; im März 2012 wird der Winter in die Region zurückkehren, der die Temperaturen rapide fallen und das Eis erneut anwachsen lassen wird. (red)


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Foto: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)