430.000 Euro bekam ihr Mann Alfons Mensdorff-Pouilly als Entschädigung für seine Haft in London: "Das Geld deckt nicht einmal die Anwaltskosten."

Foto: Benedikt Narodoslawsky

Die eingetragene Partnerschaft für Schwule und Lesben hätte Rauch-Kallat gern schon 1999 gehabt.

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Adoption durch homosexuelle Paare? "Da bin ich mir selbst noch nicht im Klaren, ob das sinnvoll ist."

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"Es erscheint mir fast unmöglich, dass die Länder die Hoheit über die Spitäler aufgeben", sagt die Ex-Gesundheitsministerin.

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Lob für Neo-Staatssekretär Sebastian Kurz: "Der Bursche hält sich sehr gut. Ich hab auch nichts anderes erwartet."

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Wechselt Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer wie geplant vom Nationalrat in die Europäische Investitionsbank, dann bekommt Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) sein Nationalratsmandat. Die Unternehmensberaterin will es sofort weitergeben - aber nur an eine Frau. Solange die Männer, die auf der ÖVP-Liste hinter ihr gereiht sind, nicht zugunsten ihrer Nachfolgerin verzichten, will sie im Parlament bleiben.

Über die Haftentschädigung ihres Mannes, ihre Bedenken bei Adoptionen für Homosexuelle und die Probleme ihres Nach-Nachfolgers als Gesundheitsminister sprach sie mit Lukas Kapeller und Benedikt Narodoslawsky.

derStandard.at: Ihr Mann, der Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly, wurde im Vorjahr in England festgenommen, weil er im Zuge von Waffengeschäften der Korruption verdächtigt wurde und kam wieder frei, nachdem ein Rüstungsunternehmen dafür zahlte, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Jetzt haben Sie sich mit ihm in Wien das Kabarettstück "Unschuldsvermutung" angesehen. Wie hat's Ihnen gefallen?

Rauch-Kallat: Nicht sehr gut. In dieser Sache ist mir der Humor schon sehr abhanden gekommen. Und zweitens mag der Schauspieler, der meinen Mann gespielt hat, ihm vielleicht gewissermaßen ähnlich sehen. Aber er hat so wahnsinnig blöd gelacht. Und ich bin froh, dass mein Mann nicht so blöd lacht.

derStandard.at: Ihr Gatte hat 430.000 Euro Haftentschädigung bekommen und war von dieser Höhe selbst überrascht. Englische Kommentatoren ärgerten sich darüber, dass englische Steuerzahler einem österreichischen Millionär für sechs Tage Haft fast eine halbe Million Euro Entschädigung zahlen müssen und hielten es für unanständig. Was wird Ihr Mann mit dem Geld tun?

Rauch-Kallat: Erstens einmal war das nicht nur für diese Woche, für die er in Haft gesessen ist, sondern für die Kosten, die alleine in dieser Woche angefallen sind. Die Anwaltskosten waren über 600.000 Euro - nicht in dieser einen Woche, aber davor und danach. Also das Geld ist leider schon längst ausgegeben, das deckt nicht einmal die Anwaltskosten ab.

derStandard.at: Die englischen Medien kritisierten ihn dafür, weil er scherzhaft sagte, wenn er gewusst hätte, dass er für eine Woche so viel Geld bekomme, wäre er vier geblieben. War das geschickt?

Rauch-Kallat: Das ist typisch er. Für geschickte Aussagen war mein Mann noch nie bekannt. Das ist der Grund, warum ich ihm an manchen Tagen Sprechverbot erteilt habe. (lacht)

derStandard.at: In Österreich hat der Fall Ihres ehemaligen Parteikollegen Ernst Strasser das Verhältnis Lobbyismus und Politik in ein schlechtes Licht gerückt. Sie sind selbst Unternehmensberaterin und kehren wieder in die Politik zurück. Wer garantiert, dass Sie für Menschen und nicht für Ihre Kunden da sind?

Rauch-Kallat: Nachdem ich vorhabe, nur 24 Stunden im Parlament zu bleiben, nämlich solange bis ich die Verzichtserklärungen der Männer in der Hand habe, damit die nächste Frau reinrücken kann, werde ich dieses Amt nicht wesentlich ausüben. Ich werde meine Antritts- und Abschiedsrede in einer halten.

derStandard.at: Bekommen Sie die Verzichtserklärungen?

Rauch-Kallat: Von den beiden Männern hinter mir ja. Dann kommt eine Salzburger Frau, die aber das Mandat nicht annehmen will, weil sie im Salzburger Landtag ist. Wenn Ursula Plassnik gleichzeitig mit Wilhelm Molterer geht, ist die Sache ohnehin geritzt. Dann kann ich sofort wieder raus.

derStandard.at: Die Probleme der ÖVP sitzen tiefer, als es mit dem Fall Strasser erklärt werden könnte. Im jüngsten STANDARD-Interview sagten Sie, wofür die ÖVP wirklich stehe, sei Wirtschaftskompetenz. Warum liegt die ÖVP in Umfragen so schlecht?

Rauch-Kallat: Ich bin immer vorsichtig, was Umfragen anbelangt. Ich halte es da mit Wolfgang Schüssel, der gesagt hat, Umfragen seien wie Parfum. Man soll daran riechen, man soll sich manchmal daran erfreuen oder die Nase rümpfen. Aber letztendlich zählt nur das Ergebnis am Wahltag.

derStandard.at: Glauben Sie, dass die ÖVP viel besser dasteht als in den Umfragen?

Rauch-Kallat: Nein, die ÖVP befindet sich in einer schwierigen Situation, weil Parteichef Josef Pröll aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Michael Spindelegger hat in den letzten Wochen einen sehr gelungenen Neustart gesetzt, ein neues Team gefunden, eine Mischung aus Bewährtem und Neuem. Die Entscheidung mit Sebastian Kurz war sicher ein mutiger Schritt. Der Bursche hält sich sehr gut. Ich hab auch nichts anderes erwartet.

derStandard.at: Finden Sie es gut, dass das Familienstaatssekretariat gestrichen wurde?

Rauch-Kallat: Ich war einmal Familien- und Jugendministerin, ich verstehe, dass es wegen der zusätzlichen Person ein Verlust ist. Aber es ist ja nicht das Ministerium gestrichen worden, es gibt mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner einen Familien- und Jugendminister. Es gibt ja auch Beamte, die die Arbeit erledigen. Man kann das bewältigen.

derStandard.at: Aber finden Sie es als ehemalige Familienministerin gut, dass das Familienstaatssekretariat gestrichen wurde?

Rauch-Kallat: Ich will das nicht bewerten. Ich finde es gut, dass es einen Integrationsstaatssekretär gibt, weil wir dort enormen Handlungsbedarf haben.

derStandard.at: Josef Pröll hat den Familienbegriff der ÖVP erweitert, Stichwort: Verpartnerung. War es für die Volkspartei richtig, sich zu öffnen?

Rauch-Kallat: Absolut. Ich habe im Jahr 1994 als Familienministerin einen Familienbegriff generell ins ÖVP-Programm hineingebracht, der aus der Katholischen Aktion kam: "Familie ist das Zusammenleben verschiedener Generationen, bei denen jeweils die eine für die andere Verantwortung trägt." Ich hätte gerne schon im Jahr 1999 die eingetragene Partnerschaft beim Notar gehabt, die wir mit jungen, engagierten ÖVP-Politikern entwickelt haben, die selbst betroffen waren. Das ist damals leider am Parteipräsidium gescheitert.

derStandard.at: Ihre Nach-Nachfolgerin Gabriele Heinisch-Hosek wünscht sich, dass Homosexuelle Kinder adoptieren dürfen, auch künstliche Befruchtung soll erlaubt sein. Wie stehen Sie dazu?

Rauch-Kallat: Bei der Adoption ist meine Partei strikt dagegen. Ich selbst bin mir noch nicht im Klaren, ob das sinnvoll und gut ist. Es ergibt sich ja ohnehin bei Partnerschaften von zwei Frauen, dass sie Kinder in die Partnerschaft mitbringen können. Das ist ohnehin nicht wegzudenken und nicht infrage zu stellen.

derStandard.at: Aber selbst in diesem Fall darf die Partnerin der Mutter das Kind nicht adoptieren. Ist das ein Fehler?

Rauch-Kallat: Ich kenne Psychotherapeuten, die strikt gegen jede Form der Adoption sind, weil sie sagen, es sei Kindesraub. Ich bin auch da nicht dieser Meinung. Aber ich weiß nicht, ob Adoption generell der richtige Weg ist.

derStandard.at: Sollte man Adoption also generell abschaffen?

Rauch-Kallat: Nein, absolut nicht. Ich bin ja nicht so radikal. Sie wissen, wie wenige Kinder adoptiert werden können und wie streng selektiert wird.

derStandard.at: Es geht bei der Frage aber darum, ob Homosexuelle überhaupt die Möglichkeit bekommen sollen, Kinder zu adoptieren.

Rauch-Kallat: Wenn man die Anti-Diskriminierung konsequent durchzieht, dann müsste man auch 70-Jährige adoptieren lassen, sonst wäre es ja Altersdiskriminierung. Und das halte ich nun wirklich nicht für sinnvoll.

derStandard.at: Wir sprechen jetzt aber nur von der Sexualität.

Rauch-Kallat: Integration und Gleichheit sind nicht teilbar. Sie reden von Diskriminierung - die gibt es nach Geschlecht, nach Alter, nach Religion, etc. Ich hab Ihnen bereits gesagt, ich bin mir selbst nicht sicher.

derStandard.at: Warum sind Sie sich nicht sicher?

Rauch-Kallat: Weil ich generell an der Adoption zweifle.

derStandard.at: Was soll mit Waisen dann geschehen, wenn sie nicht adoptiert werden sollen?

Rauch-Kallat: Es gibt ja die Form der Pflegeeltern, es gibt jede Form der sehr liebevollen Betreuung von Vollwaisenkindern.

derStandard.at: Sie waren bis 2007 Gesundheitsministerin. Nach-Nachfolger Alois Stöger sagt, er wolle Spitalsreformen und die Eisernen Vorhänge der Landesgrenzen niederreißen. Verstehen Sie ihn?

Rauch-Kallat: Ich wünsche ihm alles Gute dabei, weil die Spitäler Länderkompetenz sind und es dazu natürlich entweder des guten Willens der Bundesländer oder einer Bundesstaatsreform bedarf. Wobei der gute Wille wahrscheinlicher ist als eine Kompetenzverlagerung durch eine Bundesstaatsreform.

derStandard.at: Aber es klingt für Sie vernünftig, dass Stöger neun Ländergesetze durch ein Bundeskrankenanstaltengesetz ablösen will?

Rauch-Kallat: Ich bin soweit Realpolitikerin, dass es mir fast unmöglich erscheint, dass die Länder die Hoheit über die Spitäler aufgeben. Und der Minister müsste dann auch das nötige Budget dafür bekommen. Das wird ihm nicht gelingen.

derStandard.at: Stöger wollte im Herbst mehr Kompetenzen zum Bund bringen. Der niederösterreichische ÖVP-Landesrat Wolfgang Sobotka war sofort dagegen.

Rauch-Kallat: Das ist keine Frage von Parteien. Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ, Anm.) wird genauso wenig auf die Landeskompetenz verzichten wollen wie Sobotka.

derStandard.at: Warum sind Spitäler politisch so heikel?

Rauch-Kallat: Weil die Menschen immer glauben: Wenn eine Abteilung geschlossen wird, bricht jetzt die Gesundheitsversorgung total zusammen. Das hat der Bürgermeister in Bad Aussee schmerzlich erleben müssen, der mit minus 20 Prozent abgewählt wurde. Aber es gibt gute Gründe, Abteilungen zuzusperren, wenn sie nicht die Fallzahlen erreichen - Fallzahlen haben mit Qualität zu tun. Ich lasse mich lieber in einem Spital operieren, wo der Chirurg hundertmal einen Blinddarm operiert, als wenn er es fünfmal im Jahr macht.

derStandard.at: Hat Stöger den undankbarsten Job in der Bundesregierung?

Rauch-Kallat: Er hat sicher einen schwierigen. (Lukas Kapeller, Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 9.6.2011)