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Die erste untersuchte Sprossenprobe war Ehec-frei.

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Sprossen von einem kleinen Hof im niedersächsischen Bienenbüttel stehen unter Verdacht - der Hof kommt vor allem aufgrund von Lieferwegen als Quelle für die Ehec-Epidemie mit bundesweit bisher mehr als 20 Toten infrage.

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Hannover/Berlin- Erste Labortests von Sprossen aus einem niedersächsischen Saatgutbetrieb haben nach amtlichen Angaben noch keinen Nachweis von Erregern der lebensgefährlichen EHEC-Darminfektionen erbracht. Die Untersuchungen seien aber noch nicht abgeschlossen, teilte das Landwirtschaftsministerium am Montag in Hannover weiter mit.

Es seien insgesamt 40 Sprossenproben unter anderem aus dem Wasser, von Arbeitstischen und aus der Lüftungsanlage des inzwischen geschlossenen Betriebs in Bienenbüttel genommen worden, sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne am Montag.

Allerdings sei völlig unklar, ob der Ehec-Erreger nachgewiesen werden könne. Der kleine Hof in Bienenbüttel war schon zuvor ins Visier der Ermittler geraten, damals wurde jedoch der Ehec-Keim mit Labortests nicht bestätigt. Der Hof kommt vor allem aufgrund von Lieferwegen als Quelle für die Ehec-Epidemie mit bundesweit bisher mehr als 20 Toten infrage. Die Ermittlungen seien schwierig, weil die Geschehnisse zwei bis vier Wochen zurückliegen, sagte Ministeriumssprecher Hahne.

Der Hof vertreibt teils über Zwischenhändler 18 verschiedene Sprossenmischungen an Reformhäuser, Einzelkunden und Großhändler, die Restaurants und Kantinen beliefern. Unter anderem bezog ein Restaurant in Lübeck Sprossen aus dieser Quelle. Dort erkrankten 17 Menschen an Durchfall.

Agraministerium: Noch kein Nachweis erbracht

Derzeit sei aber noch kein Nachweis erbracht, ob es sich bei den Sprossen um die einzige wahrscheinliche Quelle handle, sagte der Sprecher der deutschen Agrarministerin Ilse Aigner, Holger Eichele, am Montag in Berlin. Auch gebe es noch keinen Nachweis, dass tatsächlich die Sprossen des Hofes in Niedersachsen Ehec-Quelle seien. Aus Sicht des Ministeriums sei dies aber "sehr plausibel"; auch das Ministerium rate vom Verzehr von Sprossen ab. Das Aigner-Ressort habe die Länderbehörden gebeten, bundesweit schwerpunktmäßig Produzenten von Sprossen zu überprüfen.

Aigner wollte um 16.15 Uhr die Öffentlichkeit zur Lage informieren und zwar gemeinsam mit BfR-Präsidenten Andreas Hensel und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

In Österreich noch kein Keim gefunden

Auch wenn das Ergebnis der Untersuchung von "verdächtigen" Sprossen an einem Bauernhof in in Niedersachsen in Deutschland am Montag noch ausgestanden ist, beruhigte die AGES im Vorfeld: Der betroffene Betrieb hat laut Sprecher Roland Achatz die Sprossen lediglich in Deutschland vertrieben, nach Österreich sind keine Produkte gelangt.

Bisher ist in dem in über 30 Biogeschäften beschlagnahmten Gemüse kein EHEC-Keim gefunden worden. 162 von 167 gezogenen Proben wurden bisher analysiert, in allen Fällen gab es negative Ergebnisse. Das teilte Fabian Fußeis, Sprecher des Gesundheitsministeriums, am Montag mit. Von den restlichen fünf Proben dürften die Ergebnisse am Dienstag vorliegen.

Keine Entwarnung in Deutschland

In Deutschland erklärte Gesundheitsminister Daniel Bahr am Sonntag: "Wir haben zwar deutliche Hinweise darauf, dass ein Betrieb aus Uelzen offensichtlich eine Infektionsquelle ist, aber wir müssen die Bestätigung der Labortests abwarten", so Bahr in der ARD-Sendung "Anne Will". Die definitive Bestätigung sei möglicherweise erst am Dienstag der Fall, so der Gesundheitsminister. Bis dahin könne keine Entwarnung gegeben werden. Bahr riet dazu, neben rohen Tomaten, Gurken und Blattsalaten derzeit auch auf Sprossengemüse zu verzichten.

Experte: "Können nicht sicher sein, ob es die Sprossen wirklich selber sind"

Eine Garantie für die Aufklärung gibt es nach Ansicht von deutschen Experten auch nach der Identifizierung von Sprossengemüse als möglichem Verursacher nicht. "Wir können nicht sicher sein, ob es die Sprossen wirklich selber sind", sagte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Andreas Hensel, am Sonntag im ZDF-"heute journal". In drei von vier Fällen führten solche Ausbruchs-Untersuchungen zu keinem Ergebnis.

Man müsse immer noch damit rechnen, dass der entsprechende krankmachende Faktor nicht gefunden werde, sagte Hensel. "Wir sind guten Mutes, dass wir - eventuell in relativ kurzer Zeit - zu einer Aufklärung kommen."

Grüne fordern bessere Koordinierung

Auch am Krisenmanagement der schwarz-gelben Regierung in Deutschland wächst die Kritik. "Ich frage mich, was der Gesundheitsminister und die Verbraucherministerin eigentlich machen", sagte die Grüne Bundestags-Fraktionschefin Renate Künast der "Berliner Zeitung" (Montag-Ausgabe). Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn erhob ebenfalls schwere Vorwürfe: "Die Regierung hat diese Krise vollkommen unterschätzt und sich weggeduckt. Von den verantwortlichen Ministern war lange nichts zu hören", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Montag-Ausgabe).

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) wollen diese Woche mit den zuständigen deutschen Länderministern beraten. Das für Mittwoch geplante Spitzentreffen bezeichnete Künast als "reine Show". Stattdessen brauche Deutschland einen nationalen Kontrollplan mit einer Checkliste möglicher Übertragungswege vom Bauern über die Verarbeitung bis zum Restaurant. Künast kritisierte, bisher würden weder die Suche nach den Infektionsquellen noch die Forschung deutschlandweit koordiniert.

Bessere Lebensmittelkontrollen verlangt

Es wäre am Anfang viel aussichtsreicher gewesen, den Erreger schnell zu finden, sagte Höhn. "Diese Möglichkeit hat man verschenkt. Jetzt wird es ungleich schwerer." Sie forderte eine bessere Koordinierung der Lebensmittelkontrollen. "Das hätten im Fall von EHEC der Bundesgesundheitsminister oder die Bundesverbraucherschutzministerin übernehmen müssen. Jeder hat die Verantwortung auf den anderen abgeschoben. Das hat die Probleme noch vergrößert."

Der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige stellvertretende Unions-Fraktionschef Johannes Singhammer (CSU) brachte ein Prüfsiegel für Gemüse ins Gespräch, um weitere wirtschaftliche Verluste bei deutschen Erzeugern durch die EHEC-Krise zu unterbinden. "Allerdings müsste die Wissenschaft dafür grünes Licht geben", sagte er der "Saarbrücker Zeitung" (Montag-Ausgabe). Es gehe ja nicht nur um die Erzeugung der Produkte. "Eine Verseuchung könnte auch über den Vertriebsweg erfolgen. Auch darüber wissen wir leider noch zu wenig", so der CSU-Politiker. (APA)