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Jobsorgen und Ärger über Währungsfonds in Lissabon.

Foto: Reuters/Borga

Lissabon/Madrid/Granada - Der Sparkurs der scheidenden Regierung unter dem sozialistischen Premier José Socrates treibt mehr und mehr Portugiesen außer Landes. Sinkende Wirtschaftsleistung, steigende Arbeitslosenzahlen und strenge Auflagen des Hilfspaketes der EU und des Weltwährungsfonds lassen die Zukunftsaussichten nicht einzig der jungen Generation schwinden.

Laut der aktuellsten OSZE-Prognose soll die Arbeitslosigkeit noch bis zum 4. Quartal 2012 auf 13 Prozent klettern. Vor allem junge und höher Qualifizierte denken an Flucht. Allein die vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag, bei denen sich ein Patt der Großparteien abzeichnet, werden keine Trendwende bringen. So hat Lissabons Stadtverwaltung bereits im ersten Quartal 2011 mehr als 400 Zweitpässe für Bürger ausgestellt, den Portugiesen für ihre Anstellung im nicht EU-Ausland benötigen. Damit ist die Zahl des Jahres 2010 bereits erreicht.

Es sei ein "deutliches Zeichen, dass der Abschwung der Wirtschaft unsere Mitbürger dazu bewegt, beruflichen Erfolg im Ausland zu suchen", sagte António Galamba, Leiter der Regierungsdelegation für den Großraum Lissabon, der Tageszeitung Público. Diese publizierte Ergebnisse der GfK-Studie "International Employee", die belegt, dass 39 Prozent der Portugiesen bereit wären, im Ausland zu arbeiten.

Aufbruch nach Brasilien

Die Portugiesen zieht es dabei nicht wie vor Jahren noch nach Spanien, wo bereits jeder fünfte Erwerbsfähige arbeitslos ist. Sie gehen vermehrt nach Brasilien, das 2010 über 30.000 Neo-Bürger seiner ehemaligen Kolonialmacht aufnahm, und in die ebenso boomenden Ex-Kolonien in Afrika. In Mosambik etwa waren 2010 rund 12.000 Auslandsportugiesen gemeldet, 13 Prozent mehr als 2009. Gleichzeitig steigen die Summen der nach Portugal überwiesenen Geldbeträge der Auslandsbürger. Im Zeitraum Jänner bis März waren es laut Banco de Portugal mit 524,1 Mio. Euro um 375.000 Euro mehr als 2010.

Während kürzlich Schweden eine Kampagne startete, um Portugiesen im Bereich Informatik, Gastronomie und im Pflegewesen anzustellen, boomen in Spanien Deutschkurse. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte beim Staatsbesuchs Anfang dieses Jahres den Bedarf von einer halben Million ausländischer Arbeitskräften signalisiert. Der Erfolg des Plans scheint fraglich. Nur einer von zehn Interessenten, die sich an die Deutsche Botschaft wandten, verfügen schon über die erforderlichen Sprachkenntnisse. (Jan Marot, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5.6.2011)