Alberto Pizango kämpft für die kollektiven Rechte der Indigenen Südamerikas und für die Wahrung ihres Lebensraumes.

Foto: AIDESEP
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Der peruanische Indigenenführer Alberto Pizango kritisiert die Zerstörung des tropischen Regenwaldes und misstraut Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori. Im Gespräch mit Gloria Huamán erklärt er, warum.

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STANDARD: Gegen Sie und andere Indigenenführer läuft ein Prozess wegen des Todes von 34 Personen, großteils Polizisten, im Juni 2009 in Bagua. Wer ist verantwortlich für die Gewalt bei den Protesten gegen Gesetze zur Enteignung indigener Territorien in Amazonien?

Pizango: Verantwortlich ist die Regierung. Wir haben nichts anderes gefordert, als dass sich der Staat an das Abkommen 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) hält: dass man die indigenen Völker vor jeglicher Aktivität auf deren Territorium konsultiert. Stattdessen wurden Gesetze durchgedrückt, die uns schaden. Das werden wir nicht hinnehmen.

STANDARD: Die Völker der Wampis und Awajún protestieren gegen das kanadische Bergbauunternehmen Dorato, das nach Gold und Uran sucht. Angeblich unterstützt das peruanische Heer es dabei. Wird sich Bagua wiederholen?

Pizango: Hoffentlich nicht. Uns wurde ein Vertrag dieser Firma mit dem Heer zugespielt, der den Abtausch Sicherheit gegen Geld vorsieht. Das Schlimmste ist, dass das unsere politische Klasse nicht entsetzt. Wir haben das vor dem Parlament angezeigt, die Antwort war Grabesstille. In einem anderen Land wäre der Verteidigungsminister schon längst zurückgetreten.

STANDARD: Die Regierung plant, über 300.000 Hektar Regenwald für das Wasserkraftwerk Inambari abzuholzen und dabei 8000 Menschen umzusiedeln. Warum tauschen die Indigenen ihre Territorien nicht gegen einen Teil der wirtschaftlichen Entwicklung?

Pizango: Es geht nicht nur um Inambari, sondern auch um Paquitzapango, wo Territorien für ein Wasserkraftwerk geflutet werden sollen. Die Energie fließt nach Brasilien. Zu dem Deal wurden die indigenen Völker nicht konsultiert. Die Antwort ist einfach: Dort geht es nicht um Entwicklung. Was einmal an Biodiversität zerstört ist, kommt nie wieder zurück. Es geht auch um Bergbau in Amazonien. Am Fluss Corrientes wird Erdöl wie vor 40 Jahren abgebaut, unsere Frauen und Kinder werden mit Blei und Kadmium vergiftet. Wo bleibt die hochgepriesene moderne Technik?

STANDARD: Perus Präsident Alan García hat die Indigenen mit einem Hund verglichen, der anderen kein Grünzeug gönnt.

Pizango: Das zeigt, dass er absolut keine Ahnung von der Kosmovision der indigenen Völker hat. Und es zeigt einen kranken Rassismus gegen Leute, die ein anderes Verständnis von Entwicklung haben als er. Wir sind die wahren Verteidiger des Planeten, und wenn wir dafür drangsaliert, beschimpft und verfolgt werden, beeindruckt uns das nicht.

STANDARD: Am 5. Juni sind Präsidentschaftswahlen. Haben Sie Hoffnung, dass die neue Regierung die Rechte der indigenen Völker auf ihre Territorien, Ressourcen und auf Konsultation anerkennt?

Pizango: Wir hoffen immer. Mich wundert sehr, dass Keiko Fujimori (Kandidatin bei der Stichwahl, Anm.) behauptet, immer an unserer Seite gewesen zu sein. In Wahrheit hat sie uns nie angehört bei unseren friedlichen Protesten für den Widerruf von Gesetzen, die unsere Rechte verletzen. Das Programm des Kandidaten Ollanta Humala sieht ein Konsultationsgesetz vor, das für die Aussöhnung des Landes so wichtig wäre.

STANDARD: Wenn Ihre Forderungen nicht berücksichtigt werden, wird es einen neuen Aufstand geben?

Pizango: Sag niemals nie, aber die Lage hat sich geändert. Heute sind die Probleme der indigenen Völker Perus in anderen Teilen der Welt sichtbar. Jedenfalls ist die Entscheidung zu protestieren eine, die von allen Völkern getroffen wird, die von ihren Apus (Chefs) vertreten sind. Wir werden den Amazonaswald weiter mit Liebe, Mut und Leidenschaft verteidigen als das, was er immer war - unsere Mutter Erde.  (DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.6.2011)