Rudolf von Alt: Dieser Panoramablick auf Neapel entstand etwa um 1867 in Öl (WV 62).

Foto: Fotostudio Bartsch, Berlin / "Deutsche Parlamentarische Gesellschaft Berlin"

Verlag Brandstätter: 200 S., ca. 200 Abb., Hardcover, EUR 58,-

Cover: Verlag Brandstätter

Ein atemberaubender Blick vom Nordwesten über die Bucht von Neapel, der Vulkan im Hintergrund, ein prachtvolles Panorama alles in allem. Der Himmel ist "mit Herden von Lämmerwölkchen" sowie "Gebrodel von dunklem" Rauch des Vesuvs bedeckt, wie schon Ludwig Hevesi kurz vor seinem Tod 1910 in seinem Manuskript bewundernd schrieb. Von sieben Uhr in der Früh bis sechs am Abend hatte Rudolf von Alt an diesem Ölbild gemalt, ganz wie es sein typischer und nur von kleineren Mahlzeiten unterbrochener Tagesablauf vorsah.

Das Bild entstand in Wien, kurz nach der Rückkehr von seiner Reise nach Sizilien 1867, im Zuge derer er auch in Neapel Station gemacht hatte. Vor Ort waren zwei Aquarelle entstanden, die ihm hier als motivische Vorlage dienten. Sie waren das spontane und experimentellere Medium, wiewohl das Spezifische der Atmosphäre in höchster Virtuosität dann im Ölbild festgehalten wurde. Eine summarische Quintessenz, wie auch bei den meisten anderen der insgesamt knapp 120 Gemälden, die der Spross der auf Veduten und Landschaften in Aquarell spezialisierten Alt-Dynastie von 1832 (Stephansdom) bis zu seinem Tod 1905 schuf.

Erstes Werkverzeichnis für Öl

Gemessen an den mehreren 1000 ausgeführten Aquarellen eine Minderheit, die von der Forschung bislang stiefmütterlich behandelt wurde. Jetzt liegt ein Werkverzeichnis der Gemälde vor, veröffentlicht in der Reihe "im Kinsky editionen" (Verlag Brandstätter). Die Anzahl der erfassten Werke ist mit rund 120 überschaubar, dass sie einer eigenen Publikation mehr als würdig sind, diesen Nachweis führen Autoren wie Johann Kräftner (Liechtenstein- Museum), Sabine Grabner (Österreichische Galerie Belvedere), Kunsthändler Herbert Giese und Herausgeberin Marianne Hussl-Hörmann (im Kinsky) wissenschaftlich fundiert und dabei kurzweilig erläutert.

Die größte Hürde der letzten zwölf Monate? Die Recherche zum Verbleib der in der Literatur und in Archivalien erwähnten Werke, die gegenwärtig zu einem erheblichen Teil Privatsammlungen schmücken, merkt Hussl-Hörmann an. Dass hier nun wirklich alle von Rudolf von Alt in Öl auf Karton, Leinwand oder Holz gemalten Arbeiten berücksichtigt wurden, dafür möchte sie nicht die Hand ins Feuer legen. Vor allem aus den späten Schaffensjahren könnte es wohl noch einige Werke geben, die eben niemals im Zuge von Ausstellungen präsentiert oder anderweitig erwähnt wurden.

Dass zeitgleich einigen Bildern die Autorenschaft Alts aberkannt wurde (u. a. Slg. Schäfer), zeugt von der Ernsthaftigkeit dieses Projekts. An der internationalen Wertschätzung, die der Künstler auf dem Markt als Aquarellist genießt (89 Prozent des weltweiten Umsatzes), wird sich kurzfristig nichts ändern. Dafür würde es mittelfristig eines Ausstellungsprojekts bedürfen, dass seine Meisterschaft einem William Turner oder Adolph Menzel gegenüberstellt. Unter den zehn höchsten jemals für ein Werk Rudolf von Alts in einem Auktionssaal erzielten Zuschlägen sind bislang nur zwei Ölbilder gelistet, mit netto 220.000 (WV 22, Hassfurther 1991) bzw. rund 157.000 Euro (WV 10, Sotheby's 1998). (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 4./5. Juni 2011)