DI Dr. Geyer spricht in seinem Leser-Kommentar (Der Standard, 1.6.2011) zum Ethikunterricht Religionslehrerinnen und Religionslehrern ab, sinnvoll Ethik unterrichten zu können. In seiner Begründung hat er allerdings einiges übersehen, was seine Äußerungen mehr als relativiert:
Zum einen tut er so, als sei Religion mit Katholischer Kirche gleichzusetzen. Es sollte klar sein, dass es in Österreich derzeit 13 gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften gibt, die das Recht haben, an öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen, und dies auch tun.

Zudem ist Dr. Geyer offenbar entgangen, dass der aktuelle Religionsunterricht nichts mit Indoktrination von Dogmen zu tun hat, sondern Schülerinnen und Schüler zur eigenständigen Orientierung in religiösen Fragen befähigt. Auch gilt die Beauftragung durch die Kirchen nur für das Fach Religion.

Zum anderen ist keine Rede davon, dass der Ethik-Unterricht nur von Religionslehrerinnen und Religionslehrern erteilt werden soll.

Zum Dritten gibt es die langjährige gute Praxis, dass sehr viele Religionslehrerinnen und Religionslehrer unterschiedlicher Provenienz nicht nur Religion, sondern darüber hinaus - von Mathematik über Physik bis hin zu Deutsch, Englisch und Geschichte - alle Lehramtsfächer unterrichten. Anerkanntermaßen geben sie neben Religion ein zweites Fach, z. B. auch Philosophie. Dies ist offenbar gesellschaftlicher Konsens, weil man weiß, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Unterricht und in Bezug auf dortige Positionen demokratisch zu differenzieren wissen. Es grenzt an Verhöhnung, wenn unterstellt wird, dass Religionslehrerinnen und Religionslehrer nicht in der Lage wären, neben den eigenen unterschiedliche andere Ansichten und Weltanschauungen zu unterrichten und zur Diskussion zu stellen, und unfähig wären, zwischen Religions- und Ethik-Unterricht zu unterscheiden.

Zum Vierten scheint es so, als sollten Menschen diskriminiert werden, die sich offen zu einer Religionsgemeinschaft bekennen und Religion unterrichten. Religionsfreiheit ist immer noch ein Bürger- und Menschenrecht, das für den Unterricht nicht ausgesetzt werden kann. Deshalb ist es auch unbestritten, dass Lehrerinnen und Lehrer, die einer bestimmten Religion angehören, in einer öffentlichen Schule unterrichten dürfen. Dächte man die Forderung Dr. Geyers konsequent weiter, dürften schließlich nur mehr "bekenntnisfreie" Menschen Deutsch, Geschichte, Philosophie oder Ethik lehren, was absurd und nicht wünschenswert ist. Und möglicherweise zu meinen, ohne religiöses Bekenntnis sei man weltanschaulich neutral, ist ohnehin eine Illusion.

Zuletzt möchte ich Dr. Geyer einladen, sich nicht nur das Curriculum des Masterstudiums, sondern auch die konkrete überfakultär angelegte Ausbildung zur Ethik-Lehrerin und zum Ethik-Lehrer in Graz einmal näher anzusehen, die von Personen unterschiedlicher weltanschaulicher Präferenz - auch von Theologinnen und Theologen - getragen wird. Ein Blick darauf könnte so manches Vorurteil in Bezug auf Kooperation über weltanschauliche Grenzen hinweg entkräften.

Schon Anselm von Canterbury wusste, dass der Glaube in der Theologie die Vernunft sucht. Und ohne Vernunft lässt sich Glaube bekanntermaßen nicht reflektieren. Dies realisieren Religionslehrerinnen und Religionslehrer offen und kritisch, nicht nur in ihrer Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten, sondern auch in der Schule. (Leser-Kommentar, Reinhold Esterbauer, derStandard.at, 3.6.2011)