Wien - Gibt es sie oder gibt es sie nicht: die Generation Praktikum? Laut einer vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie, die vor zwei Wochen präsentiert wurde, ist sie ein Mythos. Demnach sind Hochschulabsolventen nur kurz auf Arbeitssuche und beim ersten Job zu fast zwei Drittel unbefristet beschäftigt.

Ein weniger rosiges Bild zeichnet eine andere Studie, die das Sozialministerium beim Institut Forba in Auftrag gab. Sie wurde vom Ministerium zwar nicht veröffentlicht, liegt dem STANDARD aber vor. Es geht dabei weniger um die Frage, wie lange Absolventen auf Jobsuche sind, als darum, welche praktischen Probleme es mit Praktika gibt. Eine zentrale Aussage ist: Es besteht häufig eine große Diskrepanz zwischen tatsächlich geleisteter Arbeit, sozialrechtlicher Absicherung und Bezahlung. Praktikanten werden demnach oft als "günstige, hoch motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt, und dies zugleich in Form einer Umgehung regulärer Beschäftigungsverhältnisse mit adäquater Entlohnung bzw. sogar als Ersatz regulär beschäftigter Erwerbstätiger".

Das größte Problem mit unfairer Entlohnung gibt es bei Praktika nach dem Abschluss, etwas besser ist die Situation bei Pflichtpraktika (vor allem bei Schülern). Besonders betroffen seien einige "Problembranchen" wie "der Sozial- und Gesundheitsbereich, Architektur, zivilgesellschaftliche NGOs, die Kultur- und Verlagsbranche, PR- und Werbeagenturen sowie teilweise der Medienbereich".

Da die jungen Arbeitskräfte auf spätere Beschäftigung hoffen, werden "wahrgenommene Missstände von den PraktikantInnen nur in Ausnahmefällen angesprochen, geschweige denn gerichtlich bekämpft", schreiben die Autoren weiters.

In der Studie sind auch einige Reformvorschläge enthalten. So wird angeregt, "Gütesiegel-" oder "Watchdog-Initiativen" zu forcieren, um gute Anbieter von Praktika hervorzuheben und "schwarze Schafe" anzuprangern. Weiters brauche es bessere Info- und Beratungsangebote. Arbeitsmarktpolitische Unterstützungen wie zeitlich begrenzte Jungakademikerförderungen werden ebenfalls erwähnt, wobei aber betont wird, dass Akademiker in Summe am Arbeitsmarkt noch immer als "privilegiert" einzustufen sind.

Da der Ausbildungsaspekt bei den meisten Praktika viel zu kurz kommt, sollte laut Studie auch eine Neuregelung der rechtlichen Rahmenbedingungen diskutiert werden. So könne man den Status als Ausbildungsverhältnis überhaupt abschaffen und stattdessen das dänische Modell einführen, demzufolge Praktika nur als befristete Arbeitsverhältnisse möglich sind. Praktikanten müssten dann - je nach Kollektivvertrag - auf dem Einstiegsniveau regulärer Beschäftigter oder auf Lehrlingsniveau bezahlt werden.

Eine andere Variante wäre, den rechtlichen Rahmen überhaupt dem Lehrlingsstatus anzunähern. Demzufolge müssten dann konkrete Ausbildungskriterien für die Praktika definiert werden. Die Gefahr, die aber bei allzu starken gesetzlichen Änderungen bestehe: Betriebe könnten weniger Plätze anbieten oder in Ausweichkonstruktionen (Werkverträge, Scheinselbstständigkeit) flüchten.

Um die Position von Studenten bei Pflichtpraktika zu stärken, können sich die Autoren die Einbeziehung der Hochschulen in die Praktikumsverträge vorstellen.

Rechtlicher Graubereich

Birgit Schatz, Arbeitnehmersprecherin der Grünen, fordert angesichts der Studie ein Praktikantengesetz. "Die aktuelle Gesetzeslage lässt Praktika in einem rechtlichen Graubereich stattfinden - eine unerfreuliche Situation." Schatz: "So kann der Ausbeutung von jungen, hochqualifizierten und hochmotivierten Menschen entgegengewirkt werden. Prinzipiell sind für mich Praktika nur als solche akzeptabel, wenn sie im Rahmen einer Ausbildung stattfinden."(Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2011)