Sonys Next Generation Portable (NGP) Anmerkung: Im Rahmen des Previews durften keine Fotos geschossen werden, da es sich bei den Testgeräten nicht um finalen Produkte handelte.

Foto: Sony

Touchpad auf der Rückseite

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Innovativer Plattformer "Sound Shapes" bringt musikalische Geschicklichkeitsrätsel

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"Uncharted Golden Abyss" spielt sich fast wie die Vorgänger auf der PS3

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"Reality Fighters" macht dank Augmented Reality die Umgebung zur Kampfarena

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"Super StarDust Delta" spielt sich dank Dual-Stick und Touchscreen äußerst intuitiv

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"WipEout 2048" abermals ein Flaggschiff des PlayStation-Line-ups

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Geheimtipp "Little Deviants" bringt über 30 umfangreiche Minispiele und stellt verschiedenste Steuerungskonzepte vor. Der Hügel im Bild wird durch Fingerdruck auf das Touchpad auf der Rückseite aus dem Boden gehoben.

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2004 startete Sony mit der "PlayStation Portable" den Angriff auf Nintendos Monopol bei Spiele-Handhelds. Der erste Anlauf brachte mit über 60 Millionen verkauften Geräten zwar Achtungserfolge, an Big Ns Vormachtstellung hat sich jedoch dank "DS", "DSi" und "3DS" nichts geändert. Der Nachfolger, "PlayStation Vita", verspricht mit High-End-Hardware und vielseitigen Eingabemethoden wie Touchscreen, Dual-Analog-Sticks oder zwei Kameras Gaming-Erlebnisse für anspruchsvolle Zocker wie auch für Gelegenheitsspieler - im Hosentaschenformat versteht sich.

Der Webstandard hatte Ende Mai bei einem Preview-Event die Gelegenheit, die PS Vita sowie die ersten Werke dafür zu testen. Wie schlägt sich das Gerät also im Vergleich zu Nintendos 3DS? Und kann ein ausgewachsener Gaming-Handheld im Schatten der 79-Cent-Handygame-Revolution heute noch bestehen?

Hardware am aktuellen Stand der Dinge

Wie bereits bei der ersten PSP 2004 setzt Sony auch dieses Mal die technologische Messlatte hoch an. Der angetestete Prototyp ließ das edle Metall-Finish und die kantenlose Fertigung des finalen Produkts zwar noch vermissen, aber auch so präsentierte sich die Hardware als neuer Meilenstein der digitalen Miniaturisierung. Trotz ausgewachsenem 5-Zoll-Bildschirm und Dual-Analog-Stick links und rechts davon, gespickt mit Silizium-Chips wirkt die PS Vita in den Händen nicht etwas kleiner aber vor allem leichter als erwartet - durchaus Jackentaschen-tauglich. Das AMOLED-Display glänzt mit scharfen und kontrastreichen Bildern. Mit einer Auflösung von 960 x 544 Pixel ist die Pixeldichte zwar nicht so hoch wie bei einem iPhone 4, durch den typischer Weise etwas höheren Sehabstand fällt die gröbere Rasterung nicht so sehr ins Gewicht. Ihre Stärken spielt die OLED-Technologie bei der Kontraststärke und dem weiten Betrachtungswinkel aus - ohne dabei mit übersteuerten Farben zu protzen.

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Fernsehtaugliche Bilder

Die darunterliegende Hardware basierend auf einem Vierkern-Prozessor der ARM Cortex A9-Architektur und einem speziell angepassten Vierkern-Grafikchip SGX543MP4+ dürfte auch für die kommenden Jahre noch reichlich Reserven bieten. Die ersten Games prahlen rund um Aushängeschild "Uncharted: Golden Abyss" mit einem grafischen Detailreichtum, der zumindest auf dem kleinen Bildschirm an die Anfangswerke der PlayStation 3 und Xbox 360 erinnert. Die virtuellen Welten sind üppig, die Charaktere sauber ausgearbeitet, flüssig animiert, Lichteffekte spielen wie bei aktuellen Konsolen-Titeln mit Schatten und Partikeln und die Sichtweite ist für virtuelle Schusswechsel über mehrere hundert Meter (im Spiel) ausreichend. Dabei nutzen laut Entwicklern noch nicht einmal alle Games alle verfügbaren Rechenkerne. Ein Uncharted kommt so dennoch auf beachtliche 260.000 Polygone pro Bild. 

Am besten lässt sich die grafische Qualität vielleicht mit dem Umstand untermauern, dass sämtliche PS Vitas an LCD-Fernsehern angeschlossen waren und die Inhalte für die wartenden Tester im Großformat ausgaben. Den einen oder anderen Treppeneffekt muss die Hochskalierung eingestehen, doch bei ein bis zwei Meter Abstand kann die PS Vita zumindest rein technisch durchaus als Heimkonsole bestehen.

Greifen, drücken, bewegen, wischen, zocken

Wenngleich mit grafischer Finesse der Grundstein für eine ausgewachsene Spielunterhaltung gelegt wurde, fielen im ersten Test insbesondere die Freiheiten beim Gameplay positiv auf. Es klingt nicht nach viel, doch die Möglichkeit, Shooter und Action-Adventure per Analog-Sticks wie bei der Heimkonsole erleben zu können, öffnet die Konsole für ein ganzes Feld an Genres, die auf Handhelds bislang nur stark beschnitten repräsentiert wurden. Für ein "Call of Duty" etwa braucht es einfach einen rechten Ziel-Stick, um präzise schießen zu können - da helfen Design-Umwege über kurz oder lang nicht aus.

Von iPhone und Co. gelernt hat Sony die intuitive Eingabe per Touchscreen und hat diese erstmalig bei einem derartigen Gerät um ein Touchpad an der Rückseite und um die drei Bewegungssensoren des PlayStation-Move-Controllers erweitert. Zwei hoch auflösende Kameras dienen zur Aufnahme und für Augmented-Reality-Anwendungen. Neben Wischen, Zoomen, Tippen können Games damit praktisch von allen Seiten "angegriffen" und bewegt werden.

Spiele im Test

Das präsentierte Line-up umfasste die Werke "Uncharted Golden Abyss", "WipEout 2048", "Super StarDust Delta", "Reality Fighters", "Little Deviants", "Reality Fighters", "Sound Shapes", "Everybody's Golf", "Hustle Kings" und ein "modifizierbares" Rennspiel, dessen Name noch nicht verraten werden darf. Um von den Gameplay-Möglichkeiten Gebrauch zu machen, wurden bei fast allen Games verschiedene Interfaces integriert. 

Beim futuristischen Rennspiel "WipeOut 2048" etwa kann man die schnellen Gleiter wahlweise per Analogstick oder gefühlvoll per Lagesensor und Touchpad manövrieren. Für Profis wird die Feinheit der Sensoren die Unmittelbarkeit der Sticks zwar wohl nicht ersetzen können, für Gelegenheitsspieler wird die PS Vita so jedoch zum Lenkrad, während das rückwärtige Touchpad als Beschleunigungswippe fungiert.

Abwechslungsreiches Gameplay

Die 30 Mini-Games von "Little Deviants" bringen die Einsatzfelder mitunter am besten zum Ausdruck. Hierbei muss etwa ein Geist per kippen und neigen an Hindernissen vorbei ins Ziel gelenkt werden. Mit dem Finger an der Rückseite wird indes der Boden eines Spielfelds angehoben, um dadurch mit einem rollenden Charakter Punkte einzusammeln. Ein anderes Mal gilt es aufpoppende Wichte mal in und mal aus dem Bildschirm zu stoßen, wobei die beiden Touchfelder abwechselnd zum Einsatz kommen. Es benötigt ein paar Minuten, bis man die Blindsteuerung per Fingerspitzen verinnerlicht hat, danach fühlt sich auch das Touchpad an der Rückseite vertraut an.

Starkes Augmented-Reality

Besonders clever fungiert die PS Vita bei Augmented Reality-Anwendungen. Die Kameras nehmen die reale Umgebung oder das Spielergesicht ansprechend auf, während die Prozessoren diese glaubhaft mit virtuellen Inhalten verstricken. In "Little Deviants" gilt es beispielsweise Kameraden vor Aliens zu retten und durch die Realwelt schwirrende Ufos abzuschießen - dies idealerweise stehend, um sich nicht das Kreuz zu verrenken. Wird man von Schleimgeschoßen getroffen, muss das Visier wie bei einem Helm gesäubert werden. Noch eindrucksvoller ist die Nutzung der Umgebung als Kampfarena im Beat'em'up "Reality Fighters". Vom Fenster aus gefilmt wurde beim Hands-on eine vierspurige Straße zur "Blutwiese". Wie zwei Riesen schlugen sich im Rhythmus der Tastenanschläge die mit eigenem Gesicht individualisierten Boxer die Schädel ein - in Echtzeit und ohne Marker. Wahlweise können Landschaften auch abfotografiert und dauerhaft als Arenen mitgenommen werden. Befindet man sich in kleineren Innenräumen, kann selbst ein beliebig großes Rechteck den Marker für einen Boxring stellen. Dann kann man während dem Kampf wie eine Krankamera das Geschehen im 360-Grad-Rundumblick erleben.

Sattelfeste Technik

Augmented Reality hat man in ähnlicher Form zwar schon bei PSP, Smartphones oder dem 3DS gesehen, allerdings wirkt die Technik sowohl von Hardwareseite als auch bei der Erkennungssoftware zur markerlosen Einbettung deutlich weiter fortgeschritten. Die Geometrie eines Raumes oder einer Landschaft wird analysiert und der Lagesensor erkennt, ob man die Kamera auf den Boden oder gen Himmel richtet. Kurz gesagt: es funktioniert einfach gut und sieht dabei ansprechend aus.
Auch sonst zeigte die PS Vita in der Hitze des Spiels kaum Schwächen. Dass Nathan Drake in "Uncharted" alternativ per Touchnavigation mühelos Berge erklimmen kann, ist zwar ein Zeichen dafür, dass die Entwickler von den gebotenen Optionen nicht immer bereichernd Gebrauch machen. Auf der anderen Seite sind die Säuberung einer Schatzkarte per Fingerwisch, die flotte Auswahl von Waffen per Touch ("Super StarDust Delta") und der Rundumblick durch die Bewegung des Handhelds ("Everybodys Golf") auch bei klassischen Videospielerlebnissen eine erhellende Erweiterungen. Schön zu sehen ist, dass die starke Hardware im Gegensatz zur ersten PSP dieses Mal vorrangig der Spielbarkeit dienlich ist.

Abwärtskompatibilität, Vernetzung und Online-Spiele

Über das PlayStation Network wird man neue Games, Demos und auch alte PSP- und PS Minis-Titel herunterladen können. Damit wird neben dem vielverprechenden Launch-Line-up zum Start auch gleich ein umfassender Back-Katalog bereitstehen. PSP-Games sollen hochskaliert und die Steuerung angepasst werden. Mit der vorinstallierten Applikation Near können NGP-Anwender jederzeit sehen, welche Spiele andere PS Vita-Besitzer in ihrer Umgebung gerade spielen und Informationen zu dem Titel einholen bzw. bei Interesse über den PSN Store erwerben. Einziger Knackpunkt: Als UMD erworbene PSP-Werke wird man mit der PS Vita aufgrund des fehlenden Laufwerks nicht spielen können. Neue Werke wird es nur als Download oder alternativ auf Speicherkarte geben. 

Ein wesentlicher Aspekt der neuen Handheld-Generation wird sowohl die Vernetzung zwischen PS Vitas für Online-Gaming, als auch die Kommunikation zwischen NGP und PS3 sein. Letzterer Punkt wurde von den "WipeOut 2048"-Machern eindrucksvoll demonstriert. So konnte man in einer Demo mit der PS Vita gegen einen PS3-Spieler über das Netzwerk antreten - das gleiche Spiel, zwei Plattformen. Andere Konzepte sehen vor, dass man etwa ein Spiel auf der PS3 anfängt, online den Fortschritt abspeichert und dann unterwegs auf der PS Vita weiterzockt.

Preis, Ausstattung

Die PS Vita wird am 22. Februar in Europa erscheinen. Die WiFi-Variante kostet 249 Euro, das Modell mit WiFi/3G schlägt mit 299 Euro zu Buche. Spiele werden sowohl als Download über PSN als auch auf Speicherkarten ausgeliefert - die auch Platz für Save-Games bieten. Zur Speicherung von Download-Inhalten wie Demos muss eine optional erhältliche Speicherkarte erworben werden. Wie viel die Games genau kosten werden, hänge vom individuellen Werk ab. Zwischen Vollpreistiteln (vermutlich 40 Euro) und Minis und PlayStation Certified Android-Games (2 bis 5 Euro) könne man sich auch Fremium-Modelle vorstellen. Will Sony mit Nintendo und immer populärer werdenden Handy-Games konkurrieren, wird man alte Gesetze jedenfalls brechen müssen und auch den Startpreis der Konsole in erschwingliche Bereiche drücken. 

Das Gerät wird darüber hinaus mit Musik-, Foto- und Video-Applikationen, einem Webbrowser und möglicherweise auch Drittherstellerprogrammen ausgestattet. Zum Zeitpunkt des Hands-ons standen diese Funktionen aber nicht bereit.

Vergleich zu Smartphone und Nintendo 3DS

Im derzeitigen Entwicklungsstadium kann gewiss kein finales Urteil bei Vergleich zwischen PS Vita, 3DS und Smartphone-Game gefällt werden. Offensichtlich aber bietet Sonys neuester Handheld die mit Abstand stärkste grafische Leistung. Über diesen Generationsunterschied kann auch kein "magischer" 3D-Effekt hinwegtäuschen. Die höhere Rechenkraft und die besseren Kameras der PS Vita erlauben auch ein klar ausgereifteres Augmented Reality als es mit dem 3DS möglich ist. Beim Bedienkonzept wird sich zeigen müssen, welcher Hersteller seine gebotenen Optionen besser ausnutzt. Dual-Analog-Stick und gleich zwei Multitouchpads geben jedoch reichlich Spielraum, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, scheint Sony jedenfalls die zukunftträchtigere Plattform zu stellen - wenngleich dieser Schein schon einmal trügte.

Im Vergleich zu Smartphones bietet die PS Vita zweifellos das bessere Spielerlebnis und integriert dabei auch noch die Eigenschaften von iPhone und Co. Das war bei einem Spezialisten allerdings nicht anders zu erwarten. Gleichzeitig ist die Universalität der Handys die größte Gefahr für Sony und Nintendo, was sie zum primären Begleiter macht. Es wird ein harter Kampf um den enger werdenden Platz in der Tasche. Für Sony (und Nintendo) spricht die Qualität der Spiele, für die Handy-Hersteller die Verlockungskraft günstiger Casual-Games.

Einschätzung: Grund zur Vorfreude

Sony zeigt mit der PS Vita abermals seine Stärke, modernste Technik in ein handliches und überaus schickes Design zu packen. Zur Freude der Spielerschaft wurde der Fokus aber vorrangig auf die Funktionalität gerichtet. Die Steuerungsmechaniken haben dank Dual-Analog-Sticks Hand und Fuß und wissen mit sattelfestem Augmented Reality und rückwärtigem Touchpad zu überraschen. Das Gameplay sowie die gezeigten Werke wirken ausgereift. Sollte Sony tatsächlich einen Uncharted-Teil und ein neues WipeOut zum Launch anbieten, könnte es der vielleicht inhaltsstäkste Marktstart in der PlayStation-Geschichte werden. Die Netzwerkanbindung über das (wiederhergestellte) PSN könnte sich als starkes Argument für eine Anschaffung erweisen, sollte Sony tatsächlich die Interoperabilität zwischen PS Vita und PS3 realisieren. Wer mit Handy-Games und "Nintendo 3DS" nicht zufrieden gestellt wird, hat reichlich Grund zur Vorfreude.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 2.6.2011)

Letztes Update: 19.10.2011