Rom - Das Kassationsgericht in Rom hat am Mittwoch ein am 12. und 13. Juni geplantes Referendum über die Atomkraftnutzung in Italien bestätigt. Das Gericht lehnte einen Antrag der Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi ab, die das Referendum kippen wollte. Das Referendum soll stattfinden, obwohl das Kabinett Berlusconi vergangene Woche im Senat ein Dekret verabschiedet hatte, mit dem es de facto auf jegliche Pläne zur Rückkehr zur Atomenergie verzichtete. Umfragen zufolge ist die Mehrheit der Italiener gegen den Bau von neuen AKW.

Das Kabinett Berlusconi hatte nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima Mitte April seine Pläne für einen Wiedereinstieg in die Kernenergie vorläufig eingefroren. Damit werde das von der linken Opposition beantragte Referendum hinfällig, hatte Berlusconi argumentiert. Gleichzeitig hatte der Premier aber betont, dass er an der Atomkraft festhalten wolle. Die Opposition protestierte und verlangte ein Urteil des Kassationsgerichts. Das Kabinett Berlusconi befürchtet einen klaren Erfolg der Atomgegner beim Referendum. Das wäre eine weitere Niederlage für die Regierung nach der Wahlschlappe bei den jüngsten Kommunalwahlen am Sonntag und Montag.

Die Opposition begrüßte den Beschluss des Kassationsgerichts. "In Italien haben heute die Demokratie und die Rechte der Bürger gesiegt", kommentierte der Chef der italienischen Grünen, Angelo Bonelli. Er forderte eine massive Mobilisierung, damit bei der Volksabstimmung das notwendige Quorum von 50 Prozent der Wähler erreicht werde. Seit 1995 war dieses Quorum in Italien nicht mehr erreicht worden. Wegen des regen Interesses an der Atomfrage hoffen die Initiatoren des Referendums diesmal auf einen Erfolg. Auch Oppositionschef Pierluigi Bersani begrüßte den Beschluss des Kassationsgerichts. "Die Regierung scheitert mit ihren Tricks, mit denen sie ein demokratisches Referendum über einen endgültigen Stopp der Atomenergie in Italien verhindern will", kommentierte Bersani.

"Man wollte das Volk eines der grundlegenden Rechte berauben, das die Verfassung den Wählerinnen und Wählern vorbehält", so der Senator der Südtiroler Volkspartei (SVP), Oskar Peterlini. "Die Tragödie in Fukushima hat in dramatischer Weise aufgezeigt, welche katastrophalen Folgen für unsere und für die zukünftigen Generationen durch den Bau von Atomkraftwerken zu befürchten sind. Andere europäische Länder, allen voran Deutschland, haben die Wende zu erneuerbaren Energien bereits eingeleitet. Die Regierung Berlusconi hingegen wollte krampfhaft nach dem Referendum die Pläne wieder einführen", erklärte Peterlini.

Auch die Grünen in Wien begrüßen das Urteil des römischen Kassationsgerichts. "Dadurch hat das italienische Volk die Möglichkeit, ein klares Nein zur Atomkraft auszusprechen. Nach der Katastrophe in Fukushima ist klar, dass die Bevölkerung in Europa dieses Risiko nicht weiter in Kauf nehmen will. Ich gehe davon aus, dass es ein Nein zur Atomkraft in Italien geben wird. Das wäre ein weiterer wichtiger Schritt für ein atomkraftfreies Europa", erklärte die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, in einer Aussendung.

Die Italiener werden sich bei der Volksbefragung im Juni auch gegen die von der Regierung Berlusconi beschlossene Privatisierung der Wasserversorgungssysteme aussprechen können. Laut dem Gesetz, das die Regierung im November 2009 im Parlament durchgesetzt hatte, sollen ab 2012 alle italienischen Staatsbürger von vollkommen oder zum Teil privatisierten Gesellschaften mit Wasser versorgt werden. Die kommunalen Wasserversorgungsgesellschaften müssen mindestens einen 40-prozentigen Anteil ihres Aktienpakets an Private vergeben. Die Oppositionsparteien und Konsumentenschutzverbände warnen vor den negativen Folgen eines privatisierten Wassersektors in Italien. Abgestimmt wird beim Referendum auch über einen Antrag, der auf die Abschaffung eines Immunitätsgesetzes zugunsten Berlusconis und seiner Regierungsmitglieder zielt.

Italien war 1987 - ein Jahr nach dem Atomunfall in Tschernobyl - mit einer Volksbefragung aus der Kernenergie ausgestiegen. Die Regierung Berlusconi hatte 2009 im Parlament die gesetzliche Basis für einen Wiedereinstieg gelegt. 2013 hätte mit dem Bau eines Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) des französischen Anbieters Areva begonnen werden sollen. (APA)