Top-Institute müssen im internationalen Wettstreit um Forscher mit Bestnoten punkten.

Illu.: Michi Köck

Manfred Morari: "Die Reputation einer Institution verbreitet sich indirekt durch die Forscher, die weggehen."

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Worauf es noch ankommt und wie Nachwuchsforscher an die Spitze kommen, sagte der Gutachter des IST Austria. Lena Yadlapalli fragte.

STANDARD: Die zentrale Empfehlung der Gutachter des IST Austria lautet, es brauche langfristigere Finanzierungszusagen. Im Vergleich zu anderen Instituten in Österreich ist die finanzielle Absicherung aber ausgezeichnet ...

Morari: Das Geld ist eine kritische Komponente. Größenordnungsmäßig ist die Finanzierung des IST ähnlich wie bei uns an der ETH Zürich. Um sich international um die besten Leute kompetitiv bewerben zu können, ist das notwendig. Aber dabei geht es nicht um persönliche Gehälter. Ausschlaggebend ist vielmehr die gesamte Forschungsumgebung, die durch dieses Geld ermöglicht wird.

STANDARD: Worauf muss noch geachtet werden?

Morari: Der zweite Faktor sind die Leute. Die Rekrutierung ist ein schwieriger Prozess, den wir alle kennen – auch die ETH. Die größten Schwierigkeiten, die wir dabei haben, sind in den meisten Fällen "dual careers", das heißt, man muss auch für den Partner eine passende Stelle finden, damit man die Person an die Einrichtung holen kann. Das Problem ist, dass Zürich sehr klein etwa im Vergleich zu Boston ist. In Boston hat man unzählige Möglichkeiten, passende Stellen im akademischen oder kommerziellen Umfeld zu finden. Diese Probleme wird das IST sicherlich genauso haben.

STANDARD: Das Karrieremodell am IST Austria wie auch an der ETH Zürich ist der Tenure Track, der den Aufstieg vom Assistenzprofessor zum Professor an positive Bewertungen knüpft ...

Morari: Es ist wichtig zu beachten, dass es sich hier nicht nur um ein Qualitätswerkzeug für die Hochschule handelt, um die Qualität des Nachwuchses zu garantieren. Es ist auch eine Fairnessversicherung für den Kandidaten oder die Kandidatin. Es soll eine faire Evaluation dieser Assistenzprofessoren stattfinden. Von den Assistenzprofessoren, die an die ETH kommen und durch diesen ganzen Prozess gehen, sind am Ende zwei Drittel noch da. Ein Drittel fällt aus, allerdings aus verschiedenen, auch privaten Gründen. Die Rate erscheint vielleicht hoch, ist aber auch ein Hinweis auf die rigorose Selektion bei der Einstellung. Am MIT wurde mir gesagt, dass am Department für Elektrotechnik der Anteil bei einem Drittel liegt – ein Drittel, das "überlebt".

STANDARD: Geht es hier um Wettbewerb?

Morari: Ja, aber sicher nicht um Wettbewerb in dem Sinne, dass man sagt: Wir haben zwei Assistenzprofessoren, aber nur einer kommt durch, weil es nur eine Stelle gibt. Wer gute Leistungen erbringt, wird befördert, das heißt, dass die Stelle von Anfang an vorhanden sein muss.

STANDARD: Muss sich eine Einrichtung wie die ETH Zürich überhaupt bemühen, gute Leute auszubilden? Kommen die Spitzenforscher nicht gern von selbst?

Morari: Ganz so einfach ist das nicht – leider. Die Globalisierung hat dazu geführt, dass die Konkurrenz um gute Leute viel härter geworden ist. Wie ich vor 17 Jahren an die ETH gekommen bin, wurde mir gesagt: Hier geht niemand weg. Das hat sich grundlegend geändert. Wir haben etliche Leute, die an andere Institutionen gewechselt sind, etwa an Max-Planck-Institute – die sind in Europa die stärkste Konkurrenz. Die Leute sind heute viel mobiler als noch vor 20 Jahren. Es müssen sich alle bemühen, um die guten Leute zu bekommen.

STANDARD: Warum ist die ETH daran interessiert, gute Forscher selbst auszubilden?

Morari: Ich würde sagen, dass ein großer Teil unserer Reputation und unseres Einflusses nicht direkt aus den wissenschaftlichen Arbeiten hervorgeht, sondern dass es an den Leuten liegt, die wir in die Welt schicken. Die Reputation einer Institution verbreitet sich indirekt durch die Forscher, die weggehen. Und in den meisten Fällen ist diese Reputation durch unsere akademischen Kinder viel nachhaltiger als jene durch Publikationen.

STANDARD: Sie sind gebürtiger Österreicher, haben aber an der ETH Zürich studiert und sind dann in die USA gegangen – ist es für den karrierebewussten Nachwuchs besser, sich gleich an Tophochschulen zu inskribieren?

Morari: Es ist sicher einfacher, von einer Universität, die einen sehr guten Ruf hat, an eine andere Einrichtung, die einen ähnlich guten Ruf hat, zu wechseln. An der ETH Zürich bekommen wir sehr viele Bewerbungen für Doktoratsstellen – je nach Gebiet vielleicht 20 bis 30 pro Stelle. Für eine erste Auswahl zählt in der Tat die Leistung und auf welcher Hochschule diese Leistung erbracht wurde. Aber nach dieser groben Vorauswahl schauen wir uns die einzelnen Fälle sehr genau an. Ob sie nun ihren Master in München, in Aachen oder in Zürich gemacht haben, ist da gleich. Das sind in meinem Bereich alles sehr gute Universitäten. Wir haben selbstverständlich auch Leute aus Wien und Graz in der Gruppe. Zentral für die Zukunft eines Wissenschafters ist vor allem, wo sie oder er das Doktorat gemacht hat und mit wem.

STANDARD: Was hat Sie bewogen, an der ETH Zürich zu studieren?

Morari: Das war reines Glück – oder Zufall. Das hat mir mein Vater empfohlen. In dem damaligen Alter habe ich noch keinen Überblick über das universitäre Angebot gehabt. Und es gab noch nicht diesen Zugang zu Informationen wie heute. Ein großer Vorteil der ETH war für mich, dass ich dort mein Studium in Chemieingenieurwesen in acht Semestern abschließen konnte. In Graz war damals die Mindeststudiendauer sechs oder mehr Jahre. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.06.2011)