Der volle Topf ...

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... und die leeren Schüsseln.

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Zwei Tage vor Weihnachten kam die Erlösung. Sylvia Kögler (SP), Bürgermeisterin von Grafenbach-St. Valentin im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen, erhielt für den in der Gemeinde geplanten Bauhof (Kosten: 700.000 Euro) vom Land nach einer ersten Tranche von 20.000 Euro weitere 50.000 Euro. Hätte sie nicht im Herbst einen Brief an Landeshauptmann Erwin Pröll (VP) geschickt, sie hätte vielleicht gar keine Bedarfszuweisungen mehr bekommen, meint Kögler.

Etwa 11,7 Prozent der Steuern, die der Bund einnimmt, wandern als Ertragsanteile an Gemeinden. Davon landet ein fixer Prozentsatz - insgesamt etwa 700 Millionen Euro - in einem vom Land verwalteten Topf. Bürgermeister können für das Gemeindebudget übersteigende Infrastrukturprojekte oder zur Deckung des Abgangs Geld aus diesem Topf anfordern - sogenannte Bedarfszuweisungen. Besonders heikel wurde dieses Thema, als zahlreiche Kommunen wegen der Finanzkrise ins Straucheln gerieten.

Kommunale Finanzjongleure

So verspekulierte man etwa im steirischen Hartberg 2008 1,6 Millionen Euro - die Gemeindepolitiker hatten (ebenso wie jene von Bad Vöslau und Oberschützen) auf Meinl-Papiere gesetzt. Das niederösterreichische Göstling verlor durch Zins-Swaps rund 150.000 Euro. Mittlerweile stellt das Land den kommunalen Finanzjongleuren Berater zur Seite.

Wie man den Gemeinden durch die Finanzmisere hilft, ist von Land zu Land unterschiedlich. In Oberösterreich sind die Vertreter der jeweiligen Bürgermeister-Partei in der Landesregierung zuständig, in Salzburg gibt es einen Kriterienkatalog (siehe Seite 3), in Niederösterreich wiederum ist allein Landeshauptmann Erwin Pröll (VP) zuständig. Dessen Stellvertreter Josef Leitner (SP) entzog die VP 2008 Kompetenzen und Geld für die roten Gemeinden, weil die SP die Zustimmung zum Landesbudget verweigert hatte.

Seither hadern die roten Bürgermeister umso mehr mit der schwarzen Allmacht, obwohl VP-Landespolitiker stets erklären, es würden alle gleich behandelt. Rupert Dworak, Präsident des Gemeindevertreterverbands der SP-Kommunen in Niederösterreich, fordert einen einheitlichen Kriterienkatalog für alle Bundesländer. Er will das Modell eines nach Einwohnerzahl, Problemlage, Finanzkraft und regionalen Punkten erstellten Schlüssels für die Bedarfszuweisungen bei den Gemeindetagen nächste Woche in Kitzbühel zur Diskussion stellen. Dworak hofft, dass man bereits mit einem entsprechenden Modell in die nächsten Finanzausgleichsverhandlungen gehen kann. Sein schwarzes Pendant, VP-Gemeindevertreterverbandspräsident Alfred Riedl, war am Dienstag für den STANDARD nicht erreichbar.

Steigende Sozialausgaben

Helmut Mödlhammer, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, hat als Salzburger das dortige Geldverteilungsmodell mitverhandelt; klare Spielregeln wären für alle Länder gut, meint Mödlhammer - allerdings wolle er sich nicht in Angelegenheiten der Landesverbände einmischen. Große Klagen über Geld für Infrastrukturmaßnahmen höre er von den Bürgermeistern nicht - "die richten sich das offensichtlich ganz gut mit den Ländern". Viel problematischer seien die steigenden Gesundheits- und Sozialausgaben. "Viele Bürgermeister fragen sich nicht: Können wir die Schule bauen?, sondern: Können wir uns unsere ganz normalen Ausgaben leisten?"

Den Geldmangel spürt auch die Wirtschaft. Um zehn bis 15 Prozent, sagt Mödlhammer, seien die Investitionen der Gemeinden zurückgegangen. "Die großen Freizeit- und Kultureinrichtungen werden nicht mehr gebaut, da hat ein Umdenken stattgefunden." Das sei "vielleicht gar nicht so schlecht" - denn sind die Bedarfszuweisungen einmal investiert, müssen Gemeinden erst recht hohe Folgekosten verkraften. (Andrea Heigl, Gudrun Springer, STANDARD-Printausgabe, 1./2.6.2011)