Rosa Kleidchen für Mädchen, blaue Strampler für Buben. Diese geschlechtergebundene Farbgebung gilt auch für Schnuller, Babyschuhe, Socken, Stofftiere, Vorhänge... die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Rosa steht für die Farbe der Mädchen, blau ist meist den Buben vorbehalten. Warum? Weil das schon immer so war? Falsch. In unserem Kulturkreis war es mehrere Jahrhunderte lang genau umgekehrt.
Rote Kämpfer, blaue Marienfiguren
Mädchen wurden anno dazumal blau angezogen, weil es die Farbe der Jungfrau Maria war. Rosa war die typische Jungen-Farbe, wurde auch das "kleine Rot" genannt. Und Rot, das ist die Farbe des Blutes und damit des Krieges. Kämpfer bemalten sich Rot, bis Ende des 19. Jahrhunderts war Rot eine beliebte Farbe für Soldatenuniformen. "Erst als nicht mehr Mann gegen Mann kämpfte, als mit Gewehren aus dem Hinterhalt geschossen wurde, bekamen die Soldatenuniformen Tarnfarben", erklärt die 2008 verstorbene Autorin Eva Heller in ihrem Klassiker "Wie Farben wirken". Heller schreibt, dass Rot in allen Kulturen männlich ist und als Farbe der Kraft, der Aktivität und Aggressivität betrachtet wird.
Die Sozialwissenschaftlerin beschreibt Gemälde aus vergangenen Zeiten, auf denen kleine Söhne rosa Seidenanzüge tragen, auch das Jesuskind habe auf vielen Bildern ein rosarotes Kleid an. Oft war Babykleidung früher aber ohnehin neutral, nämlich weiß und mit roten Bändchen für die Buben und blauen Bändchen für die Mädchen versehen.
Umbruch ab den Zwanziger Jahren
Erst in den 1920-er Jahren wurde es möglich, kochfeste, ungiftige Farben herzustellen, in der Folge wurden Babys mehr und mehr farbig eingekleidet. Mit der Zeit wurde das bis dahin als männlich geltende Rosa langsam zur Mädchenfarbe: Man entfernte sich von der religiösen Farbsymbolik, Blau war bald nicht mehr die Farbe der Marienfigur sondern jene der Marine-Uniformen, auch die Industriearbeiter trugen blaue Anzüge. Blau wurde so zur Farbe der kleinen Buben, die traditionelle Kontrastfarbe zu Hellblau war Rosa, sie entwickelte sich folglich zur Mädchenfarbe.
Umweltreize wirken sich auf Verhalten aus
Rosa wird heute mit Begriffen wie süß, zart und weiblich assoziiert, Blau ist die Farbe der Sympathie, der Harmonie, der Freundlichkeit und Freundschaft. Wird Kindern durch das Tragen von rosa beziehungsweise blauer Kleidung von Beginn an ein Stempel aufgedrückt?
Das Münchener Jugendforschungsinstitut iconkids & youth hat vor einigen Jahren im Auftrag von Eskimo herausgefunden, dass es tatsächlich klischeehafte Geschlechtsunterschiede gibt. Ein Beispiel: 37 Prozent der befragten Buben zwischen sechs bis zwölf Jahren gaben Blau als Lieblingsfarbe an, bei den Mädchen ging Rosa/Pink als Sieger hervor.
Ingo Barlovic, Geschäftsführer von iconkids & youth macht mitunter genetisch unterschiedliche Veranlagungen dafür verantwortlich: Frauen verarbeiten Gefühle in der Hirnregion anders als Männer. Auch die Erziehung spiele eine Rolle. Aber es liege vor allem an den unbewussten Reizen der Umwelt, die das Verhalten der Kinder prägen. Mädchen lernen, sich hübsch - zum Beispiel mit rosa Kleidchen - zu machen, weil sie dann positive Signale von außen bekommen. Buben bekommen dahingegen eher Anerkennung, wenn sie sich durchsetzen, etwas leisten.
Gleichgeschlechtlicher Kindergarten
Stereotpye dieser Art haben im geschlechtsneutralen Kindergarten in Wien-Meidling nichts zu suchen: "Das fängt bei einer gendergerechten Sprache an und hört bei der räumlichen Gestaltung auf", erklärt Leiterin Inge Kugler. Die Räume sind nicht geschlechtsgebunden, es gibt also keine in Rosa gehaltene Puppenecke für die Mädchen oder blau gestrichene Bauecke für die Buben. "Wir haben multifunktionale Bereiche, die mit neutralen Spielsachen ausgestattet sind, zum Beispiel ein Krankenhaus oder einen Frisörsalon mit Damen- und Herrenzubehör", erklärt Kugler. Es gibt keine Rollenfixierung, die Kinder können frei wählen womit sie spielen, Mädchen werden zu typischen Buben-Tätigkeiten angehalten und umgekehrt. "Buben dürfen hier Prinzessinnenkleider anziehen und Mädchen Polizeiuniformen", so die Kindergarten-Leiterin. Die Farben der Räume sind neutral gehalten, auf Transparenz, Glas, Holz und Naturtöne wurde bei der Planung Wert gelegt. "Beim Farbkonzept wurde ganz bewusst auf Blau und Rosa verzichtet", so die Kindergarten-Leiterin.
Gendergerechte Feste
Auch das pädagogische Konzept ist auf Geschlechterneutralität abgestimmt. "Wir suchen Puzzles, Bausteine und Bilderbücher so aus, dass sowohl Frauen als auch Männer darin dargestellt werden. Es geht um die gemeinsame Lebensbewältigung und darum, das Selbstvertrauen zu stärken." Bei gemeinsamen Festen wird darauf geachtet, dass für jeden etwas dabei ist, etwa inpunkto Verkleidung. "Wir möchten den Kindern damit zeigen, dass die Zuordnung von Adjektiven wie schön, stark oder geschickt für beide Geschlechter gilt - nicht nur jeweils für Frauen oder Männer."
Keine geschlechterspezifische Gruppenbildung
Natürlich sind die Buben manchmal blau und die Mädchen rosa gekleidet. "Das liegt auch an den Angeboten in den Modegeschäften, wir bewerten das aber nicht", so Kugler. Wichtig sei vor allem, dass die Kinder praktisch angezogen sind, um sich möglichst frei zu entfalten.
Wie wirkt sich das Weglassen von Klischees auf die Kinder selbst aus? "Mir fällt auf, dass sie viel offener sind, dass es keine Debatten darüber gibt, ob bei einem Spiel nur Buben oder nur Mädchen mitmachen dürfen", sagt Kugler. Mädchen- oder Bubengruppierungen - so etwas gebe es hier nicht. (Maria Kapeller, derStandard.at)