"Biological surface coating" nennen die Landauer Forscher die Anhaftung der Nanopartikel an die Oberfläche von Wasserorganismen, in diesem Fall der Wasserfloh Daphnia magna.

Foto: André Dabrunz/Uni Koblenz-Landau

Die bisherigen Standardtestverfahren für die Bewertung der Risiken durch sogenannte Nanomaterialien sind ungenügend; das befindet eine aktuelle Studie unter der Federführung der deutschen Universität Koblenz-Landau, die jetzt im internationalen Online-Journal PLoS ONE veröffentlicht wurde. In der Studie wurden nur durch eine geringfügige zeitliche Ausdehnung des Beobachtungszeitraums Auswirkungen von Nanomaterialien auf Gewässerorganismen sichtbar, die Standardtests nicht zeigen.

Die Wissenschafter vom Institut für Umweltwissenschaften beobachteten im Rahmen ihrer Studie die Auswirkungen von Titandioxid, eines der am weitesten verbreiteten Nanomaterialien, auf Wasserorganismen - und zwar über die bei Standardtests mit Wasserflöhen (Daphnia magna) vorgesehene Untersuchungszeit von 48 Stunden hinaus. Bei deutlich niedrigeren Titandioxid-Konzentrationen als denen, die in Standardtests Wirkungen zeigen, dehnten die Landauer Forscher den Beobachtungszeitraum auf bis zu 96 Stunden aus.

90 Prozent der Wasserflöhe starben

Wie unter normalen Umständen häuteten sich die neugeborenen Wasserflöhe erstmalig nach zirka 36 Stunden und konnten somit die Titandioxid-Nanopartikel, die sich in Form einer weiteren Außenhülle an sie geheftet hatten, abstreifen. Bereits nach zirka 60 Stunden hatten die Nanopartikel erneut an den Daphnien angedockt. Nur noch zehn Prozent schafften eine zweite Häutung, die unter normalen Umständen nach etwa 70 Stunden bei allen Wasserflöhen erfolgt. 90 Prozent der Daphnien starben.

Zwar sei bekannt, dass sich Stoffe, die bei höheren Partikelgrößen ungefährlich sind, in Nano-Größe aufgrund der im Vergleich zum Volumen sehr großen Oberfläche anders verhielten, erklärt Ralf Schulz, einer der Autoren der Studie. "Eine physikalische Beeinträchtigung von Wasserorganismen durch Nanomaterialien war bislang allerdings noch nicht bekannt", so Schulz weiter.

Es ließe sich nun aufgrund dieser Wirkungsweise der Nanomaterialien auf weitere schädliche Auswirkungen auf die Umwelt schließen. "Durch die mechanische Beeinträchtigung könnten auch andere Organismen im Wasser geschädigt werden, was sich über die Nahrungskette auf die Lebensgemeinschaften insgesamt auswirken könnte."

Neue Tests nötig

Das Ergebnis der Studie werfe die Frage auf, so Ökotoxikologe Schulz, ob neue Standardtests zur Risikobewertung von Chemikalien aufgesetzt werden müssten, die den Eigenschaften von Nanomaterialien und der durch sie verursachten physikalischen Beeinträchtigung der Umwelt besser Rechnung tragen würden. Neue Tests seien nötig, die mit der Entwicklung der Materialien und ihrem steigendem Einsatz mithalten könnten. "Die Produktion und Verwendung von Nanomaterialien hat im vergangenen Jahrzehnt enorm zugenommen", so Schulz. "Die Kenntnisse über die Auswirkungen von Nanomaterialien auf die Gesundheit des Menschen und die Ökosysteme sind allerdings nach wie vor mangelhaft." (red)