Sebastian Kurz: "Heinz-Christian Strache ist einer, der immer wieder gerne eine Welle der Angst durch Österreich rollen lässt und sehr gerne selber auslöst."

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"Wenn es um Fakten geht, hat man das Gefühl, dass er in seiner eigenen kleinen blauen Parallelwelt lebt."

 

 

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"Das ständige Ausschließen nutzt nur einem und das ist Strache."

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"Es ist Hoffnung da, dass Strache nicht so stark wird."

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"Wir müssen viele kleine Schritte machen - nicht hetzerisch, nicht träumerisch."

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FPÖ-Chef Strache und seine "kleine blaue Parallelwelt": Der frischgebackene Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz (ÖVP), will Heinz-Christian Strache und seiner Partei das vermeintliche Monopol auf das Thema Zuwanderung wegnehmen.

Im Interview mit derStandard.at kritisiert er die "politische Phrasendrescherei" in der Integration. "Strache ist einer, der immer wieder gerne eine Welle der Angst durch Österreich rollen lässt und sie sehr gerne selber auslöst."

Warum er die FPÖ dennoch nicht als Koalitionspartner ausschließen will, sagt er zu Saskia Jungnikl und Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Die Regierung hat sieben Arbeitspakete für die zweite Hälfte der Legislaturperiode präsentiert. Unter anderem ist von einem "Förderprogramm Neu" in Sachen Aktionsplan Integration die Rede, der im Sommer verwirklicht werden soll. Was kann man sich darunter vorstellen?

Kurz: Wir wollen Integration durch Leistung ermöglichen. Es ist notwendig, auf der einen Seite Motivation zu schaffen und auf der anderen Seite Vorurteile abzubauen. Was wir nicht wollen, ist die blaue Propaganda, dieses reine Hetzen und Polarisieren. Schönreden bringt aber auch nichts, sondern wir wollen einen positiven Zugang.

Wir werden das Programm "Top 100 Migranten" starten. Darüber hinaus wird es wichtige Maßnahmen in Österreich brauchen, um im Bereich der Integration auch die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Es gibt angedockt ans Ministerium einen unabhängigen Expertenrat unter der Leitung von Heinz Faßmann. Er erarbeitet gemeinsam mit dem Expertenrat einen Maßnahmenkatalog, den wir Anfang Juli präsentieren werden.

derStandard.at: Migranten müssen immer doppelt so gut sein, um akzeptiert zu werden, heißt es oft. Es wird kritisiert, dass das Programm der "Top 100 Migranten" dieses Argument schürt.

Kurz: Es ist eine sehr theoretische Debatte. Der Punkt ist, wie das mediale Bild ist, das oft gezeichnet wird. Leider Gottes ist es so, dass vor allem Negativbeispiele in den Vordergrund gestellt werden. Wenn jemand erfolgreich ist, wird weniger oft dazu gesagt, wo er seine Wurzeln hat. Wenn jemand straffällig geworden ist, dann wird immer betont, wo er herkommt. Wir haben die Situation, dass es sehr viele junge Migranten gibt, die sich nicht so viel zutrauen, wie sie eigentlich schaffen oder leisten können. Es gibt Positivbeispiele, die man herzeigen soll und anspornen soll.

derStandard.at: Bei der Regierungsklausur haben Faymann und Spindelegger vor "Phrasendrescherei" in der Frage des Euro gewarnt. Gerade im Integrationsbereich besteht die Gefahr einer solchen Phrasendrescherei. Was tun sie dagegen?

Kurz: Es besteht nicht nur die Gefahr, es ist Tatsache. Heinz-Christian Strache ist einer, der immer wieder gerne eine Welle der Angst durch Österreich rollen lässt und sehr gerne selber auslöst. Wenn es dann aber um Fakten geht, hat man das Gefühl, dass er in seiner eigenen kleinen blauen Parallelwelt lebt. Er hat immer wieder thematisiert, dass die Ost-Arbeitskräfte Arbeitsplätze wegnehmen und hat sogar Inserate geschaltet und vor der Arbeitsmarktöffnung gewarnt. Er hat darauf hingewiesen, dass eine Million Ost-Arbeitskräfte vor den Türen stehen und sozusagen warten, dass sie ab dem ersten Mai über Österreich hereinfallen können. Er hat bedrohliche Szenarien gezeichnet.

Das verbreitet nicht gerade positive Stimmung. Schaut man sich das Ergebnis an, sieht man, dass die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Monat gesunken und bei der Jugendarbeitslosigkeit liegen wir bei rund acht Prozent. Wir sind damit in Europa Spitze. Natürlich ist jeder junge Arbeitslose einer zuviel.

Strache hat kein Konzept für Integration, sondern vermengt ständig alles und kämpft gegen diese vermeintliche Zuwanderungswelle. Die Leute, auf die er ständig hinhaut, sind meistens gebürtige Ottakringer mit österreichischem Reisepass. Man muss den Tatsachen ins Auge sehen. Die 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, davon hat ein großer Teil einen österreichischen Reisepass, ein sehr großer Teil ist hier geboren. Ständig nur über die angebliche Massenzuwanderung zu sprechen, wird das Integrationsthema nicht lösen.

derStandard.at: Das Thema Zuwanderung ist in Österreich ein FPÖ-Thema. Wie wollen Sie es ihr wegnehmen?

Kurz: Es muss uns gelingen, dass mehr und mehr Menschen zwischen Integration, Asyl und Zuwanderung unterscheiden können. Die ständige Vermischung, die aus parteipolitischen Motiven von der FPÖ geschürt wird, die tut unserem Land nicht gut.

derStandard.at: Aber wie soll es funktionieren?

Kurz: Mit Integration durch Leistung. Gerade über das Projekt der "Top 100 Migranten". Es geht nicht mit dem großen Wurf. Wir müssen viele kleine Schritte machen – nicht hetzerisch, nicht träumerisch. Es gibt Versäumnisse in der Vergangenheit, es sind vor zwanzig, dreißig Jahren Gastarbeiter geholt worden, ohne dass man gefragt hat: Bleiben sie langfristig da? Sollen die Deutsch lernen? Das hat man ohne Strategie gemacht und das ist heute ein Problem. Das kann man ja auch offen ansprechen.

derStandard.at: Wird es die nächsten zwanzig, dreißig Jahre dauern, um ein anderes Klima zu schaffen?

Kurz: Um ein gänzlich anderes Klima zu schaffen schon. Das ist eine Sache, die eine Generation braucht. Wir müssen bei der jüngeren Generation jetzt ansetzen. Man merkt subjektiv und man merkt es, wenn man sich Zahlen anschaut: Die jüngere Generation geht wesentlich positiver an das Thema heran. Es ist etwas Normales, im Freundeskreis Menschen mit Migrationshintergrund zu haben.

derStandard.at: Sie haben Heinz-Christian Strache stark kritisiert. Ihr Parteiobmann Michael Spindelegger und auch ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch schließen die FPÖ als Koalitionspartner weder ein noch aus.

Kurz: Das ist auch gut und richtig so. Das ständige Ausschließen nutzt nur einem und das ist Strache. Es gab schon oft genug Wahlplakate und Parolen mit Sprüchen wie "Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist". Es bringt in einer Demokratie nichts, jemanden auszuschließen.

derStandard.at: Ist es nicht inkonsequent, Strache auf der einen Seite vorzuwerfen, wie er hetzt, und auf der anderen Seite nicht auszuschließen, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Kurz: Ich finde es nicht inkonsequent, wenn man den Strache nicht stärken will. Die letzten Wahlen hat ihm das sehr genutzt. Er war zum Beispiel beim Wien-Wahlkampf als Koalitionspartner ausgeschlossen, es war ganz klar, es wird keine Koalition mit dem Strache geben. Wir wissen alle, wie die Wahl ausgegangen ist.

derStandard.at: Aber da haben auch viele andere Faktoren mitgespielt.

Kurz: Ich bin der festen Überzeugung, dass es Strache nutzt, wenn man ihn ausgrenzt.

derStandard.at: Es nutzt ihm auch, wenn er durch die ÖVP in die Regierung kommt.

Kurz: Das ist er ja nicht.

derStandard.at: Aber Sie könnten mit ihm koalieren, wenn sie ihn nicht ausschließen.

Kurz: Es geht noch nicht ums Wahlergebnis. Es ist Hoffnung da, dass Strache nicht so stark wird. Die Wahl ist weit weg. Wir sind in einer Regierung mit einem Arbeitsprogramm für die nächsten zwei Jahre. Ich möchte immer wenn es mir möglich ist aufzeigen, was an Angst und Propaganda verbreitet wird. Oder auch zeigen, wie die FPÖ ist, wenn man ideologisch dahinter blickt. Man muss sich nur anschauen, was passiert, wenn es um die Abstimmung wegen der Ehrenbürgerschaft Hitlers in Amstetten geht. (Saskia Jungnikl, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 31.5.2011)