Vorerst meist nur auf der Durchreise: Isegrim alias Canis lupus - der Wolf.

Foto: Salzburger Jägerschaft / Erich Marek

Wildökologen plädieren für einen ideologiefreien Umgang mit den grauen Migranten.

Salzburg – Vergangenen Herbst hat ein aus Kärnten zugewanderter Wolf im Lungau ein Fohlen gerissen. Für Franz Eßl, als Präsident der Salzburger Landwirtschaftskammer oberster Bauernvertreter im Land, nur ein "erster Vorgeschmack", was zu erwarten wäre, wird der Wolf in Salzburg erst einmal heimisch.

Eßl spricht vermutlich den meisten Landwirten aus der Seele, wenn er meint, die Bauern hätten den Wolf nicht gerufen. Und wenn irgendwer wirklich meine, dass Isegrim wieder angesiedelt werden solle, dann müssten die Landwirte für die Schäden entsprechend entschädigt werden: "Wer den Wolf haben will, muss auch für die Schäden aufkommen", sagte der Kammerchef beim Wildökologischen Forum Alpenraum am Montag in Salzburg.

Auch Wild gefährdet

Wobei sich Eßl nicht nur um die Schafe sorgt. Auch die Wildtiere wären akut gefährdet, sei der Wolf erst einmal da. Wenn das Wild im Winter gefüttert werden müsse, würden die Wölfe die Fütterungsstellen "als Selbstbedienungsladen betrachten".

Das im Dezember 2010 gegründete Forum versteht sich als Dialogplattform für alle mit wildökologischen Fragen befassten Gruppen und Verbände. Neben der Landwirtschaftskammer sind auch Jägerschaft, Grundbesitzerverbände, Vertreter der Tourismuswirtschaft, von Naturschutzverbänden und Wissenschafter mit dabei.

Emotionale Schärfe aus Debatte nehmen

Einer der Wissenschafter ist Friedrich Reimoser vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Uni Wien. Er will der Debatte um die "großen Beutegreifer", wie Wolf, Bär und Luchs im Fachjargon heißen, die emotionale Schärfe nehmen. Den Bären etwa als harmloses "Bärli" zu sehen, sei genauso falsch wie ihn als "Bestie" zu verdammen. Das gelte auch für die Wolfspopulationen in Mitteleuropa. "Der Wolf hat ein Lebensrecht", stellt Reimoser grundsätzlich fest. Es gehe darum, "die Tiere möglichst schadenfrei zu integrieren".

Im Gegensatz zu Bauernvertreter Eßl – "kein geeigneter Lebensraum" – sieht Reimoser sehr wohl die Möglichkeit, dass Wölfe in Österreich leben. Die von Eßl ins Treffen geführte hohe Nutzungsdichte der Alpenregion sei nur bedingt ein Argument: "Alle Wildtiere leben bei uns in Kulturlandschaften."

Österreich: Korridorfunktion

Auf Zahlen, wie viele Tiere Österreich vertragen könnte, will sich der Wildökologe nicht festlegen. Österreich sei vielmehr eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Gebieten, wo die grauen Jäger noch heimisch sind. Im Sinne eines genetischen Austausches etwa zwischen den Populationen in Italien und jenen im Osten Deutschlands und in Tschechien habe Österreich eine Korridorfunktion.

Die Wolfsbestände gehörten freilich vom Menschen reguliert, erläutert Reimoser. Würde sich ein Tier in einer Region nur von Schafen ernähren, müsste es wieder entfernt werden. Problemlose Tiere hingegen dürften nicht abgeschossen werden. Allen Befürwortern der Wiederansiedelung rät er zu einem behutsamen Vorgehen: Sonst schaffe man nur wieder die bekannten Aversionen. (Thomas Neuhold, DER STANDARD-Printausgabe, 31.5.2011)