Nikolaus Kowall und Eva Maltschnig freuen sich zwar über das Abstimmungsergebnis am SPÖ-Landesparteitag. Dass das kleine Glücksspiel demnächst abgeschafft wird, glauben sie jedoch nicht.

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Am SP-Landesparteitag in Wien stimmten die Delegierten für die Abschaffung des kleinen Glücksspiels (derStandard.at berichtete). Warum es eine Besonderheit ist, dass die Delegierten überhaupt über den Antrag abstimmten, und weshalb sich ihr Optimismus trotzdem in Grenzen hält, erklären Nikolaus Kowall, Vorsitzender der Sektion 8, und seine Stellvertreterin Eva Maltschnig im derStandard.at-Interview.

derStandard.at: Von der Sektion 8 im Bezirk Alsergrund ging der Antrag zur Abschaffung des kleinen Glücksspiels aus. Die SPÖ-Delegierten haben am Parteitag nun dafür gestimmt. War das eine große Überraschung für Sie?

Maltschnig: Ich hätte mir nie gedacht, dass das so ausgeht.

Kowall: Die SPÖ hat den großen Fehler gemacht, viele Anträge der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter nicht behandeln zu wollen. Auch mit unserer Unterstützung hat die FSG es geschafft, dass ihre Anträge nicht einfach nur dem Gemeinderatsklub zugewiesen werden, was einem Begräbnis gleichkommen würde. Es ist ungewöhnlich für einen Parteitag, dass so viele Anträge gegen den Willen der Parteiführung zur Abstimmung gelangen. Schließlich ist eine Dynamik entstanden, in der wir auch ein Fenster für unseren Antrag gesehen haben.

derStandard.at: Nur knapp, mit 302 zu 294 Stimmen, haben die Delegierten beschlossen, dass über Ihren Antrag abgestimmt werden soll. Wie viele Delegierte haben dann letztendlich für die Abschaffung des kleinen Glücksspiels in Wien gestimmt?

Kowall: Bei der Abstimmung war die Mehrheit so gewaltig, dass Renate Brauner, die die Konferenz geleitet hat, gar nicht mehr gezählt hat. Wenn Häupl jetzt sagt "wir werden das weiter diskutieren müssen, acht Stimmen werden nicht über 60 Millionen Euro entscheiden können," liegt er also falsch, denn eine überwältigende Mehrheit von schätzungsweise 80 Prozent hat letztendlich für die Abschaffung des kleinen Glücksspiels gestimmt.

derStandard.at: Gut, die Mehrheit der SPÖ-Delegierten ist dafür. Wann wird das kleine Glücksspiel in Wien also abgeschafft?

Kowall (lacht): Von den Landtagsabgeordneten haben die allerwenigsten mitgestimmt. Statutarisch müsste sich aber der Klub daran halten, was die Gremien der Partei sagen. Gleichzeitig ist das freie Mandat über die Bundesverfassung abgesichert, was mehr wiegt. In letzter Konsequenz stellt sich die Frage, in welche Richtung sich die Gemeinderäte bewegen. Bis das Glücksspiel in Wien abgeschafft wird, kann es noch Jahre dauern.

derStandard.at: Ihr Optimismus ist nicht so groß, wie es das Abstimmungsergebnis vermuten lässt.

Maltschnig: Unser Optimismus hält sich in Grenzen, denn ich habe aus den letzten sieben Jahren keinen am Landesparteitag abgestimmten Antrag im Kopf, der gegen den Willen der Führung umgesetzt wurde. Es ist zu vermuten, dass das auch beim Glücksspiel so sein wird. Die Abstimmung vom Samstag ist nur ein erster Schritt.

derStandard.at: Was planen Sie weiter?

Kowall: Die Frage ist, ob wir nicht, jetzt wo wir wissen, wer in der SPÖ auf unserer Seite steht, die Grünen kontaktieren.

derStandard.at: Um was zu bewirken?

Kowall: Um ihnen zu sagen, dass jetzt ihre Chance ist, einen Schritt weiterzugehen und im Gemeinderat Druck zu machen.

derStandard.at: Wer sind die gewichtigsten Kräfte der SPÖ die für die Abschaffung des Glücksspiels sind?

Maltschnig: Es gibt keine.

derStandard.at: Die Abschaffung des Glücksspiels hätte drastische Auswirkungen. 55 Millionen Euro würden der Stadt Wien jährlich entgehen. Wie war die Stimmung nach der Abstimmung bei den Granden der SPÖ ?

Maltschnig: Die SPÖ hat bei der Debatte alles aufgeboten was sie hatte. Es sprachen Rudolf Schicker, Ulli Sima und Jan Krainer. Häupl kann in so einem Fall nicht reden, denn würde er die Abstimmung verlieren, würde der damit eine Führungskrisen-Debatte auslösen. Seine potenziellen Nachfolger können ebenfalls nicht reden, weil sie sich beschädigen könnten. Häupl war nicht bei der Abstimmung dabei, Brauner war nichts anzumerken, aber erfreut waren sie sicher nicht.

derStandard.at: Wie erklärten Sie sich das überraschende Abstimmungsergebnis?

Kowall: Die GenossInnen aus der Josefstadt und weitere Verbündete haben in der zweistündigen Debatte tolle Teamarbeit geleistet. Unsere Bezirksvorsteherin und unser Landtagsabgeordneter haben sich für den Antrag hinausgelehnt. Das Abstimmungsergebnis zeigt auch, dass Engagement Sinn macht. Jeder, der meint, es gehört etwas anders gemacht, ist eingeladen sich zu engagieren.

derStandard.at: Herr Kowall, so manche UserInnen in unserem Forum haben Sie als Nachfolge von Laura Rudas in der Bundesgeschäftsführung vorgeschlagen. Würden Sie den Job annehmen?

Kowall: Nein. Weil man in so einer Einzelposition nichts verändern kann, wenn man nicht zuvor schon Änderungen bewirkt hat. Ich könnte mit dem derzeitigen strukturellen Gefüge und dem derzeitigen politischen Führungspersonal nicht einmal annähernd so agieren, damit es meinen Ansprüchen entspricht und ich mit gutem Gewissen nach Hause gehen kann. Ich würde nach zwei Jahren frustriert das Handtuch werfen. In den derzeitigen Strukturen würde es nichts bringen, wenn man Laura Rudas durch jemanden austauschen würde, der drei kritische Worte sagen kann.

derStandard.at: Haben Sie mit Ihrem unbequemen Antrag auch schon Ihre Karriere in der Partei begraben?

Maltschnig: Es ist nicht unser politisches Ziel, in der SPÖ eine Funktionärskarriere zu machen. Also ist uns das auch ziemlich egal.

Kowall: Wir sind relaxt. Niemand von uns will auf Gedeih und Verderb ein Amt.

derStandard.at: Was plant die Sektion 8 in Zukunft?

Kowall: Wir verstehen uns als Think Tank. Demnächst veranstalten wir einen Workshop zum Thema Steuermythen in Kooperation mit dem Wiener SPÖ-Klub, wo Experten sprechen werden. Wir wollen der SPÖ inhaltliches Rüstzeug mitgeben, dass sie gegen den politischen Gegner verwenden kann. Wir wollen nicht den Rest unseres Lebens mit den Genossen streiten, sondern irgendwann einmal gegen die Konservativen vorgehen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 30. Mai 2011)