Ein Todgeweihter unter ausgelassen Tanzenden: Javier Bardem (re.) und Eduard Férnandez in Alejandro Gonzáles Iñárritus schicksalsschwerem Drama "Biutiful".

Foto: Filmladen

Wien - Der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzáles Iñárritu ist kein Mann von Bescheidenheit. In seinen Filmen Amores perros, 21 Grams und Babel hatte Platz, was die Welt an schicksalsschweren Themen so zu bieten hat: Drogensucht, Unfallsverkettungen, Herztransplantationen, die globalen Gefälle zwischen Nord und Süd sowie diverse durch Tod und Leid verursachte Traumata.

Die episodische Bauart der Filme, die bisher stets von Guillermo Arriaga geschrieben wurden - er geht mittlerweile eigene Regie-Wege -, lenkte von erzählerischen Zusammenhängen eher ab: Stets ging es mehr darum, wie der Mensch zum Spielball unsichtbarer Mächte wird, und um die heftigen Gefühlsbewegungen, die daraus resultieren. Gegen das Weltengesetz, das die fatalen Ereignisse am Laufen hält, gab es bei Iñárritu wenig auszurichten.

Daran hat sich nun auch in seiner neuen Arbeit Biutiful wenig geändert, obwohl es die erste, halbwegs geradlinig strukturierte ist, die sich mit dem Kleinkriminellen Uxbal sogar auf eine einzige Hauptfigur beschränkt. Der Film spielt in Barcelona, allerdings nicht im attraktiven, kulturgesättigten Teil der katalanischen Metropole, sondern in Santa Coloma, einem von Einwanderern geprägten Stadtteil, den Iñárritu - wie könnte es auch anders sein - als Stellvertreter der globalisierten Welt begreift, mitsamt den Miseren, die man damit assoziiert.

Ausbeutung und Empathie

Uxbal ist das Verbindungsglied, welches die einzelnen Schauplätze und Personen in diesem Kreis zusammenhält. Denn er verdient daran, Angelegenheiten für jene zu regeln, die eigentlich nicht arbeiten dürften: afrikanische Straßenhändler, die gefälschte Markentaschen verscherbeln; illegal eingereiste Chinesen, die in einem Keller ausharren. Ein Job zwischen Ausbeutung und Empathie: Eine senegalesische Mutter, deren Mann abgeschoben wurde, lässt Uxbal bei sich wohnen.

Den unterschiedlichen Nebensträngen misst Iñárritu allerdings nur mittelbares Interesse bei. Sie sind vor allem dazu da, den Einsatz von Uxbal zu erhöhen, der nicht nur seine beiden Kinder allein aufzieht (die Frau ist manisch-depressiv), sondern auch an Prostatakrebs leidet - immer wieder sieht man ihm dabei zu, wie er unter Schmerzen Blut uriniert. Ganz schön viel melodramatisches Gewicht, das hier einem Helden aufgebürdet wird (das von ganz schön viel metaphysischem Rauschen, inklusive Kontakt zu Verblichenen, begleitet wird).

Javier Bardem verkörpert diesen heiligen Sünder mit großem körperlichen Einsatz, handelt es sich doch um einen dieser Bigger-than-Life-Parts, den sich ein Kraftkerl seines Kalibers nicht entgehen lässt. In der geballten schauspielerischen wie inszenatorischen Wucht von Biutiful liegt aber auch das Dilemma dieses Films: Seine Überwältigungsstrategien sind auf eine Weise berechnend und manipulativ, dass man fast ein wenig Ärger darüber verspürt, wenn man sich der melodramatischen Wirkungen nicht erwehren kann. Was unter all dem Donner verlorengeht, sind eben auch jene wichtigen leisen Momente, in denen der Schmerz Nachhall findet und sich setzen kann. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 28./29. Mai 2011)