Durch alle Lifestyle-Gazetten geistert im Moment der preisgekrönte 3-in-1-Wagen (Kinderwagen-Schale-Buggy) mit lächelnden Totenköpfen von Leyla Piedayesh bzw. Lala Berlin.

Foto: www.lalaberlinforcybex.com

"Bugaboo Bee" und Missoni Strickdecke.

Foto: www.bugaboo.com

Marc Jacobs für Bugabo.

Foto: www.bugaboo.com

Der Quinny "Buzz 3" von Henrik Vibskov.

Foto: www.quinny.com

Kinderwägen sind schon lange nicht mehr das, was sie einmal waren. Vorbei die Zeiten, in denen uncoole Fahrgestelle zum Frische-Luft-Tanken durch den Park geschoben wurden. Heute laufen sich wahre Designobjekte auf dem Catwalk des Großstadtasphalts die Räder reihenweise heiß. Dennoch, ganz so neu ist das Phänomen Prestigevehikel nun auch nicht. Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte das Großbürgertum das Kind für sich, vor allem Mütter und Kindermädchen durften die lieben Kleinen durch die städtischen Grünanlagen schieben. Idealerweise ist das heute nicht mehr ausschließlich den Mamis, sondern auch den aufgeklärten Papis vorbehalten. Dennoch scheint die viel gescholtene Latte-Macchiato-Mama den Kinderwagen noch immer häufiger vom Spielplatz zur nächsten Kinderboutique zu rollen. Und damit deren Auftritt im urbanen Erlebnisraum möglichst lässig rüberkommt, werden jetzt seit einigen Jahren wie selbstverständlich Kinderwagen-Designobjekte angeschafft.

Dabei dürfte der Siegeszug moderner Prestigekutschen bereits um 1998 begonnen haben: In den Niederlanden erschien der Bugaboo, der 2002 mittels der US-Serie Sex and the City ins Rollfeld der konsumfreudigen Kundschaft geschoben wurde. Diesem folgten in den letzten Jahren Kampfansagen ans schlechte Design. Besonders beliebt: Designkooperationen, bei denen Modedesigner wie Marc Jacobs oder Künstler ihre Duftmarken auf Kinderwägen und Accessoires hinterlassen: 2004 platzierte Bas Kosters erstmals kunstige Comicfiguren auf einem Bugaboo-Modell, fünf Jahre später gestaltete der dänische Modedesigner Henrik Vibskov den kunterbunten Wagen des Unternehmens Quinny. Dabei ging es gemäß dem Vibskov'schen Design verspielt zu: grafische Muster, vom Kinderwagen bis zum Futter des Schlafsackes in Pinguinform. Denn bunt gilt noch immer als besonders kindgerecht.

Wandelbare Kinderkutsche

Damit die Erwachsenen nicht neidvoll auf die Ausstattung des Nachwuchses blicken müssen, wurden dazupassende Regenschirme und Ponchos gereicht - in bunt, versteht sich. Auf dass die Großen endlich mal wieder Kind sein dürfen! Da verwundert es auch nicht, dass sich aktuell das farbenfrohe Zickzack des italienischen Strickmodeunternehmens Missoni auf einem Bugaboo-Modell niederlassen darf - und das inklusive Kuscheldecke aus edlem Strick. Mit der Geschmackbildung des Nachwuchses kann schließlich nicht früh genug angefangen werden. Warum also nicht gleich beim alltäglichen Transportmittel beginnen?

Auch Leyla Piedayesh von Lala Berlin setzt uns nun das neueste praktische Prestigeobjekt für die ganz Kleinen vor die Nase. Das Design der ersten Berliner Kinderwagenkooperation, eines 3-in-1-Modells - Kinderwagen-Schale-Buggy - ist von Cybex, die textile Gestaltung kommt von Lala Berlin. Und die Lifestyle-magazine frohlocken bereits: Das ist das Sommer-Must-Have 2011 - zumindest für die designverliebte wie zahlungskräftige Elternschaft. Denn ganz billig ist die Kinderkutsche nicht: Circa 2800 Euro kostet das Komplettpaket. Dafür kommt diese Kinderkooperation zur Abwechslung nicht bunt oder gar kitschig rosa, sondern schlichtweg schwarz daher. Schließlich sei der limitierte Wagen für Jungs und Mädchen sowie moderne Mütter wie Väter gemacht, sind sich Piedayesh und Cybex-Geschäftsführer Martin Pos einig.

Totenköpfe als Tüpfelchen

Pos' Unternehmen macht sich das zunehmende Distinktionsbedürfnis anspruchsvoller Eltern seit 2004 zunutze. Designerin Piedayesh durfte der Kooperation nun quasi als Tüpfelchen auf dem Schwarz ein selbst entwickeltes Muster aus lächelnden Totenköpfen aufsetzen: "Den für Lala Berlin typischen Totenkopf haben wir auf die Kids umgemünzt. Ich habe nämlich festgestellt, wie toll Kinder Seeräuber finden und wie viel weniger Schiss sie als die Eltern haben." Vier bis fünf Monate wurde an der Gestaltung des aktuellen Modells herumgetüftelt. "Am Anfang wollte ich wirklich alles in Schwarz", meint Piedayesh. Doch ganz so puristisch ging es dann doch wieder nicht: "Hinweisschilder haben ihren festen Platz, Aufkleber müssen blau und weiß sein oder Gurte müssen rot bleiben. Die bleiben dann auch da, wo sie hingehören, die kann man dann auch nicht verschieben", erzählt die Designerin, deren eigene Tochter "noch im Buggy vom Kindergarten nach Hause gerollt wird".

Entstanden ist ein Produkt, das einiges an Überraschungen bietet - eine auf Anfrage hergestellte Version in Nappaleder beispielsweise, oder einen Paparazzi-Sichtschutz - der passt gut zur anvisierten Klientel, schließlich hat Lala Berlin auch viele prominente Kunden. Allerdings dient den Kindern das Netz auch als luftdurchlässiger Schlafschutz. Mal sehen, ob sich der durchsetzt. In den 1970ern waren ja Panoramakinderwägen der letzte Schrei. Die hatten transparente Sichtflächen und sahen ein wenig wie Spaceshuttles aus, überlebten sich dann aber. Kein Wunder, jede Designgeneration hat ihre ganz eigene Vorstellung davon, was den lieben Kleinen guttut. (Anne Feldkamp/Der Standard/rondo/13/05/2011)