John Lydon feierte mit PiL in Barcelona Reunion.

Foto: Primavera

Erinnert hat es an die Zeiten des realen Sozialismus, tatsächlich entsprang es dem Geist des nimmersatten Kapitalismus: Tausende Besucher des Primavera Sound Festivals in Barcelona fanden sich am Donnerstag nicht wie ersehnt vor einer der sieben Bühnen wieder, sondern in langen Schlangen vor Schaltern und Zapfsäulen.

Denn das Popfestival hat sein bislang hervorragend funktionierendes Getränkebon-System auf ein elektronisches umgestellt - und dieses hat die Festival-Homepage lahmgelegt und funktionierte letztlich nur an zwei Theken, was organisatorisch eine Katastrophe bedeutete.

Erst später am Abend, als auf Handkassen umgerüstet war, kredenzten alle Tränken ihre feuchten Waren und lösten die Warteschlangen auf. Prost - und Prostmahlzeit, denn der Ruf des Festivals wird nun nicht mehr derselbe sein.

Es ist eine Konsequenz des wachsenden Zuspruchs, den diese Musikfestspiele im elften Jahr ihres Bestehens erfahren, und der sich heuer auch in zwei neuen beziehungsweise vergrößerten Bühnen widerspiegelt. Dort zeigte sich auch: nicht alle Bands sind für große Bühnen gemacht.

Der britische Elektronik-Act Seafeel irrlichterte auf der ATP-Bühne mit ätherischem Geplätscher im Sonnenuntergang, einige Stunden später rang die US-amerikanische Band The Walkmen beherzt mit den neuen Dimensionen der Pitchfork-Bühne, vor der sich gut 10.000 Menschen eingefunden hatten. Die Musik war toll, aber wie man solche Massen performativ unterhält, führte gleichzeitig Nick Cave mit Grinderman doch souveräner vor.

Eine Wiederauferstehung

Dazwischen gab es eine Wiederauferstehung der besonderen Art zu erleben: Public Image Ltd, kurz PiL, gaben eine Reunion-Show. Gegründet wurde PiL von John Lydon 1978, nachdem er als Johnny Rotten den Sex Pistols vorgestanden war.

Vor zwei, drei Jahren, nachdem der in Kalifornien lebende Musiker durch Auftritte in Reality Shows seine Reputation an einen Tiefpunkt führte, gab diese einflussreiche Postpunk-Band erste Reunion-Shows, nun auch bei Primavera Sound. Während Rotten seinen Wohlstandsbauch mittels Designermantel nur unwesentlich zu tarnen vermochte, verriet seine zur Trademark gewordene Stachelfrisur anhaltende Renitenz: Würde ist was für Würdenträger, Lydon ist dafür nicht der Mann.

Macht nichts, er hat andere Talente. Im Quartett und in bester Laune gab PiL einen Ausschnitt aus ihrem Gesamtwerk: etwa das programmatische Public Image, die erste Single der Band, bis zu This Is Not A Lovesong, ihrem bekanntesten Lied, mit dem sie 1983 sogar in den österreichischen Charts war.

Erstaunlich, wie authentisch der Sound der knapp drei Dekaden alten Stücke dargeboten wurde. Nebst fetten Bässen und Getrommel überzeugte der charakteristische, blecherne, nachgerade asthmatische Gitarren-Sound - auch wenn der dafür verantwortliche Lu Edmonds heute aussieht, als wäre er Kassier des örtlichen Jethro-Tull-Fanclubs, und sich auch so bewegt. Rotten, Pardon, Lydon, quengelte dazu mit seiner Nichtstimme, tanzte den Roboter und genoss den Zuspruch.

Allein, Stücke wie Warrior zeigten, wie schmal der Grat zwischen 1980er-Dünnpfiff und Genius war und ist. Und den meisterten PiL in dem Fall nicht ganz. Davon und von dem Getränke-Chaos abgesehen, ein schöner Einstand. (Karl Fluch, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 28./29. Mai 2011)