Bild nicht mehr verfügbar.

Barca und Man Utd haben Europa fest im Griff

Im Finale der Champions League 2011 stehen die dominierenden Teams der letzten fünf Jahre. Ob „gefühlt" oder mit Blick auf die Statistik:

FC Barcelona
Sieger 2006, 2009
Finale 2011
Halbfinale 2008, 2010

Manchester United
Sieger 2008
Finale 2009, 2011
Halbfinale 2007

Die Gründe für die Stärke des frischgebackenen englischen Rekordmeisters und des aktuellen Champs der Primera Division, sind sicherlich auch in ihrer kontinuierlichen Vereinspolitik zu finden. Gerade deshalb wollen wir uns auf die Suche nach neuen Tendenzen bei den beiden Klubs machen und Spielerpersönlichkeiten beleuchten, die für diese stehen. Nachdem wir uns in der Clásico-Serie bereits ausführlich mit dem FC Barcelona beschäftigt haben, wird an dieser Stelle mehr über Manchester United zu lesen sein.

Die Weiterentwicklungen lassen sich an Hand der direkten Duelle (in drei Spielen) seit 2008 nachzeichnen.

Foto: Reuters/Nacza

Bild nicht mehr verfügbar.

Semifinal-Hinspiel, Camp-Nou 2008 - Endstand 0:0

Barcelona (1-4-3-3)
Valdés - Zambrotta, Milito, Márquez, Abidal - Xavi, Y. Touré, Deco (ab 77' Henry) - Messi (ab 62' Krkic), Eto'o, Iniesta

Man Utd (1-4-4-2)
van der Sar - Hargreaves (bis 73'), Ferdinand, Brown, Evra - Ronaldo, Carrick, Scholes, C. Park - Rooney (ab 76' Nani), Carlos Tévez (ab 85' Giggs)

Die Unterschiede zum Barca-Team von Pep Guardiola ab der Folgesaison sind gravierend:
Puyol fehlt gesperrt, Alves spielt noch bei Sevilla, Busquets und Pedro bei Barca B (mit Trainer Guardiola) und Piqué überhaupt beim Gegner, den Red Devils.
Der Umbruch von einem Barca der „Prägung Ronaldinho" zu jenem, in dem Messi als primus inter pares agiert, wird durch die egozentrischen Charaktere Deco und Eto'o erschwert.
Die Blaugrana spielen schon 2008 einen sehr ähnlichen Stil wie heute, jedoch mit einem zur Hälfte anderen Kader. Die entscheidenden Schritte zur extremen Dominanz der Ballsicherung (aktuell in der CL um 72% Ballbesitz) erfolgen aber erst 08/09 mit Pep.

 

Foto: APA/AP/Super

Bild nicht mehr verfügbar.

Semifinal-Rückspiel, Old Trafford 2008 - Endstand 1:0 (Scholes 14')

Man Utd (1-4-4-2)
van der Sar - Hargreaves (bis 73'), Ferdinand, Brown, Evra (ab 90' Silvestre) - Nani (ab 77' Giggs), Carrick, Scholes (ab 77' Fletcher), Park - C. Ronaldo, Tévez

Barcelona (1-4-3-3)
Valdés - Zambrotta, Milito, Puyol, Abidal - Xavi, Y. Touré (ab 88' Gudjohnsen), Deco - Messi, Eto'o (ab 72' Krkic), Iniesta (ab 61' Henry)

United bringt schon 2008 insgesamt zehn Spieler zum Einsatz, die ohne Weiteres auch im diesjährigen Finale spielen könnten. Eine Position allerdings bereitet SAF Kopfzerbrechen, das erst in der Saison 2010/11 verschwindet: jene des rechten Außenverteidigers.
Der spielintelligente Owen Hargreaves (mittlerweile leider chronisch verletzt) spielt zwar einen guten Part, wird allerdings ob seiner Fähigkeiten in der Mittelfeldzentrale vermisst. In der aktuellen Saison hat der erfolgreichste Manager der Premier League-Geschichte einige zufriedenstellende Möglichkeiten für diese Position - dazu später mehr. Entscheidende Unterschiede zum Manchester United von heute, gibt es im Angriff ...

Foto: Reuters/Gea

Finale Rom, Olimpico 2009 - Endstand 2:0 (Eto'o 10', Messi 70')

Barcelona (1-4-3-3)
Valdés - Puyol, Y. Tourè, Piqué, Sylvinho - Xavi, Busquets, Iniesta (ab 92' Pedro) - Messi, Eto'o, Henry (ab 72' Keita)

Man Utd (1-4-2-3-1)
van der Sar - O'Shea, Ferdinand, Vidic, Evra - Anderson (ab 46' Tévez), Carrick - Park (ab 66' Berbatov), Giggs (ab 75' Scholes), Rooney - C. Ronaldo

... im Finale von Rom spielt C. Ronaldo einen „echten" 9er, in der zweiten Halbzeit kommt auch sein in Spitzenspielen etatmäßiger Sturmpartner Carlos Tévez zum Einsatz.

Vieles, was 2011 im Wembley-Finale passieren könnte, wird auch von den Trainern am Spiel im Olimpico von Rom vor zwei Jahren gemessen. Dort spielt United in den ersten zehn Minuten aggressives Offensivpressing und kommt zu einigen Möglichkeiten. Man findet im Weltfußball wohl kaum eine Dreierreihe, die ähnlich dynamisch attackieren kann wie damals Rooney-Ronaldo-Park. Doch Barca deckt mit dem 1:0 die Schwächen der Rot-Schwarzen auf und zeigt sie von da an für den Rest des Spiels: Carrick kann den ballführenden Iniesta kaum unter Druck setzen, geschweige denn, den Ball erobern. Auch, weil sich Rooney und Park zu sehr auf Puyol und Sylvinho konzentrieren - zwei ohnehin sehr defensiv orientierte Außenverteidiger. Die Formation Uniteds nimmt Sanduhr-förmige Züge an, Anderson, Carrick und Giggs werden vom Platz gepasst, weil ihre Mannschaft im Mittelfeld keine Überzahlsituationen schafft. Für Sir Alex ist der Schuldige aber klar: auch öffentlich spricht er davon, dass Ryan Giggs seine Rolle auf der 10er-Position nicht ausfüllen konnte. Entscheidend ist, dass er Busquets, Entdeckung des Jahres bei Guardiola's Barca, zu viel Zeit am Ball lässt. Die Bedeutung des abgebrühten Jungspunds aus La Masia, wird erst mit diesem Spiel richtig klar. Giggs hat also etwas gut zu machen ...

 

Foto:

Finale London, Wembley 2011 - vorraussichtliche Formationen

... im Wembley Stadium könnte Ryan Giggs wie in der zweiten Halbzeit von Rom gemeinsam mit Carrick in der Zentrale spielen - aber von Beginn an. Der Unterschied zu damals: die Form, in der sich „das 37-jährige Wunder" aus Wales in dieser Saison präsentiert. Über Jahre einer der besten Flügelstürmer des Planeten, hat er dieses Jahr auch in der Zentrale überzeugt, dazu noch als linker Außenverteidiger ein entscheidendes Spiel gedreht (beim 4:2 Auswärts-Sieg über West Ham, in dem Man Utd 0:2 zurück lag).

United kann aus dem Vollen schöpfen, dennoch erscheint obige Variante logisch, auch im Semifinal-Hinspiel gegen Schalke 04 wurde so begonnen und alle Rotationen der letzten Spiele deuten darauf hin. Rooney als echter Zehner ist die vielleicht entscheidende Veränderung der letzten Jahre. Das hat sogar die sonst so Tor-fixierte englische Fußballöffentlichkeit erkannt (das Tor des Jahres gegen Man City mag hierbei geholfen haben), denn Rooney's Mischung aus Dynamik, Technik und altruistischer Spielauffassung beeindruckt auch den oberflächlichen Betrachter.

Bei Barca ist Abidal wieder fit, aber ohne Spielrhythmus. Er ist der einzige Barcelona-Stammspieler, der im letzten Meisterschaftsspiel von Beginn an zum Einsatz gekommen ist. Um ihm für das Finale Spielpraxis zu geben oder einen nach rechtsaußen rückenden Puyol wie die anderen zehn zu schonen, das ist hier die Frage. Wir tippen auf Puyol! Ansonsten alles wie gehabt und seit 2009 bekannt, Mascherano wird als Innenverteidiger kaum den Unterschied machen.

Manchester United wird mit Hernández, Valencia und Fabio da Silva wahrscheinlich drei Spieler ohne Finalerfahrung aufbieten - eine Rarität in dieser Mannschaft. Alle drei waren in den letzten Wochen Schlüssel zum Erfolg. Deshalb wollen wir sie unter die Lupe nehmen.

Foto:

Bild nicht mehr verfügbar.

Fabio da Silva

Selbst für Insider sind die da Silva-Zwillinge schwer auseinanderzuhalten. Das einfachste Unterscheidungskriterium war bis vor kurzem: Rafael hat sich bei Man Utd durchgesetzt - Fabio nicht. Das hat sich geändert, Fabio, generell als der talentiertere der beiden Brüder betrachtet, konnte Verletzungen von Rafael und John O'Shea nutzen und wird wohl im CL-Finale beginnen, obwohl alle drei fit sind. Wie sein Zwilling ist Fabio schnell, wendig und offensiv orientiert. Ersteres wird im Duell mit Gegenspieler David Villa ein entscheidendes Kriterium sein, Offensivläufe wohl eher um Villa vom Tor wegzudrängen. Die Dynamik der da Silva-Zwillinge kann auch in übermäßige Aggressivität umschlagen, darüber soll ihr bubenhaftes Aussehen nicht hinwegtäuschen (im Übrigen haben beide bereits geheiratet, Sir Alex steht auf einen steten Lebenswandel seiner Lads). Rafael ist im letztjährigen CL-Viertelfinale seine Unerfahrenheit zum Verhängnis geworden - er musste mit gelb-rot vom Feld. Dass Fabio es dieses Jahr besser macht, dafür wird Gaffer Ferguson wohl Sorge tragen ...

 

Foto: Reuters/Cheyne

Bild nicht mehr verfügbar.

Luis Antonio Valencia

Der ausgebildete Außenverteidiger spielt erst seit seiner Zeit bei Wigan den offensiven Part am Flügel. Das macht er mit der Verve eines klassischen Wingers britischer Prägung, so dass er a) in kürzester Zeit zum Publikumsliebling wurde und b) Wayne Rooney in der vorigen Saison zu einigen Kopfballtoren verholfen hat. Für seinen Einsatz anstatt jenem von Nani, werden aber sicherlich seine Defensiv-Qualitäten entscheiden. So hat er etwa im Viertelfinalhinspiel gegen Chelsea die letzten 25 Minuten als Rechtsverteidiger gespielt. In der Offensive sucht er in 1 vs 1-Situationen den Weg Richtung Grundlinie, im Gegensatz zu Nani hat Valencia nur einen starken Fuß, den rechten. Wenn er ins Zentrum dribbelt, spielt er meist den zentralen Mann 20 Meter vor dem Tor oder einen der Stürmer im Sechzehner an und sucht nicht selbst den Abschluss. Valencia war in dieser Saison von September bis März verletzt und könnte im Saisonendspurt von seiner Frische profitieren.

 

Foto: APA/AP/Probst

Bild nicht mehr verfügbar.

Javier „Chicharito" Hernández

Der junge Mexikaner ist das, was die Engländer als „signing of the season" bezeichnen.
Für 7,5 Millionen € Ablöse bekam Manchester United:

PL → 27 Einsätze (12 Einwechslungen) / 13 Tore / 2 Vorlagen
CL → 8 Einsätze (3 Einwechslungen) / 4 Tore / 1 Vorlage
FA Cup → 5 Einsätze (1 Einwechslung /1 Tor / 2 Vorlagen

Dazu hat man mit Chicharitos' Bewegung ohne Ball eine neue Waffe, die durch seine enorme Schnelligkeit schwer zu verteidigen ist, und auch für Barca eine neue Herausforderung darstellt. Er bewegt sich immer an der Abseitslinie, um bei Pässen in die Schnittstellen oder über die Abwehr bereits in Position sein zu können. Selbst im Strafraum sind seine Laufwege schwer zu verteidigen: entweder kommt er von der langen Stange im Sprint auf die kurze Ecke oder er lässt sich geschickt in den Rücken des jeweiligen Verteidigers fallen. Bei gegnerischem Ballbesitz ist Hernandez häufig der einzige Spieler, der nicht hinter den Ball kommen muss - das allerdings nicht auf Grund seiner großen Beliebtheit bei Ferguson und Fans, sondern um im Rücken des Ballführenden auf diesen Druck zu machen, Wayne Rooney attackiert dann von vorne. Die Schnelligkeit des Jungstars macht es auch möglich, dass Rooney sich weit ins Mittelfeld fallen lassen kann und Man Utd vorne trotzdem nicht an Druck auf die gegnerische Innenverteidigung verliert.

 

Foto: Reuters/Noble

Bild nicht mehr verfügbar.

Schlüssel zum Sieg

Zu allererst: Wembley ist zurück. Ein Vorteil für Manchester United? Schließlich kennt man das Stadion im Gegensatz zum Gegner, und CL-Sieger wie Juventus (in Rom) und Dortmund (in München) unterstreichen die These, dass ein Finale nicht nur im eigenen Stadion, sondern auch im eigenen Land, ein Vorteil sein kann. Zudem hat United in der Liga 18 Heim-, aber nur fünf Auswärtsspiele gewonnen. Gegenargumente: Nostalgie und Emotion. Im Old Wembley hat der FC Barcelona seinen ersten Meistercup geholt, 1992 gegen Sampdoria Genua.

In den medialen Debatten geht es vor allem um das Führungstor als entscheidenden Faktor. Das ist in Spielen, an denen der FC Barcelona beteiligt ist wohl generell klar. Die Chancen, einen Rückstand umzudrehen, scheinen für Manchester United trotzdem größer als 2009, weil das Team durch die Kaderpolitik noch flexibler geworden ist. Das zeigt auch ein Blick auf die Kaderalternativen:

Barca hat mit Keita und Afellay zwei starke Offensiv-Alternativen im Talon, Man Utd mit Nani und Berbatov (heuer 21 Treffer und Torschützenkönig in der PL) sogar zwei herausragende. Im Mittelfeld gibt es bei den Blaugrana Super-Talent Thiago, Manchester hat aber auch hier mit Anderson, Scholes und Fletcher die stärkeren Reserven.

Für die Katalanen spricht abgesehen vom dominanten Spiel, das man in Perfektion vor allem im vergangenen Herbst gesehen hat, auch die Erfahrung der Spiele gegen Real Madrid, als man sich gegen unterschiedlichste Formen des Pressing durchsetzen musste. Sir Alex hat zwar mit seinem Freund Mourinho telephoniert, dass United das Finale nur extrem defensiv anlegt, ist aber nicht zu erwarten. Dafür steckt zu viel traditionell englische Dynamik im Team aus Manchester, eine Dynamik die beim Gegner mit Alves, Messi und Villa ebenso zu finden ist.

Der Spielrhythmus wird aber sehr wohl von Manchester United abhängen - die Mischung aus Offensiv-, Mittelfeld- und Defensivpressing wird entscheiden. Weil die voraussichtliche Startelf das alles gleichermaßen beherrscht, stellt sich also die Frage: Wie beginnt Man Utd?
Spannend, spannend.

(Text: von Raphael Gregorits und Vinzenz Jager, mit freundlicher Unterstützung von "Premier-League-Scout" Wolfgang Fiala)

Foto: APA/EPA/Deme