Georgien hat viele Vorzüge und einen Fehler: einen fatalen Hang zu Dramatik und Kompromisslosigkeit. Seit ihrer Unabhängigkeit vor zwei Jahrzehnten lebt die kleine Kaukasusrepublik im Rhythmus politischer Umstürze und Gegenrevolutionen. Der Starrsinn einer Opposition, die auf der Straße statt im Parlament operiert und deren Rückhalt im Volk schwindet, hat nun in Tiflis zwei Tote gefordert. Es könnte das Ende der Dauerproteste sein, sollte sich bewahrheiten, dass der Konvoi einer Oppositionsführerin für die Unfallopfer verantwortlich war.

Die große Mehrheit der Georgier stützt heute die Regierung von Präsident Michail Saakaschwili. Das war noch vor ein paar Jahren nicht so klar, als Saakaschwilis "Rosenrevolutionäre" zunehmend autoritär auftraten und mit Gewalt Demonstrationen auf den Straßen niederschlugen. Der schnell verlorene Krieg gegen Russland 2008 ließ die Georgier wieder zusammenrücken.

Dass Georgien westlich orientiert, aber eine Ein-Mann-Show blieb, ist die Tragik des Landes: Saakaschwili hat keinen möglichen Nachfolger und keinen gewichtigen Gegenspieler. Georgiens Trupp von Oppositionsführern bedient eine kleine Nische von Dauerunzufriedenen.

Innenpolitisch steuert Georgien in eine Phase des Übergangs: Saakaschwili schweigt, ob er - nach dem Vorbild seines Erzfeindes Wladimir Putin - nach dem Ende seiner Amtszeit 2013 als Premierminister zurückkehren will. (Markus Bernath / DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2011)