Marcus Scheiblecker

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Hohe Investitionen und niedrige Reallöhne hätten Österreichs Wachstum erhöht, erklärt Marcus Scheiblecker vom Wifo im Gespräch mit Laura Petschnig. Eine Krise in Italien wäre für Österreich fatal.

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STANDARD: Die OECD hat am Mittwoch ihre Wachstumsprognose für Österreichs Wirtschaft auf 2,9 Prozent nach oben revidiert. Was sind die Gründe für den Aufschwung?

Scheiblecker: In Österreich, wie auch in Deutschland, ist vor allem das starke erste Quartal 2011 ausschlaggebend. Wir rechnen heuer mit anhaltendem Wachstum, wenn es auch aufgrund der bremsenden Bauwirtschaft leicht nachlassen wird. Getragen wird das Wachstum von den Exporten und den stark expandierenden Investitionen. Der Konsum ist in Österreich eher schwach, da die realen Einkommen nicht hoch sind.

STANDARD: Was wurde in Österreich getan, um Wachstum zu ermöglichen?

Scheiblecker: Österreich hat sehr stark an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, weil die Reallohnentwicklung unter dem Durchschnitt der Euroländer geblieben ist. Das hohe Wachstum ist aber als Gegenreaktion zum starken Schrumpfen im Krisenjahr 2009 zu sehen, ist also nur eine Konjunkturbewegung. Auch Griechenland ist vor der Krise stark gewachsen, hat aber im Gegensatz zu uns strukturelle Probleme, sodass es sich nicht wieder erholt.

STANDARD: Welche Maßnahmen sind notwendig, um langfristig eine starke Wirtschaft zu sichern?

Scheiblecker: Höhere Investitionen in Bildung und Forschung und eine Verwaltungsreform fordern wir schon lange. Ein erneuter Wachstumseinbruch kann damit aber nicht verhindert werden. Dazu sind wir zu sehr von der internationalen Konjunktur abhängig. Ich schließe mich der Meinung der OECD an, dass die Steuern auf Einkommen in Österreich zu hoch und die auf Besitz und Vermögen zu niedrig sind. Hier gibt es einen Anpassungsbedarf.

STANDARD: Stellen Griechenland und Portugal eine Gefahr für Österreichs Wirtschaft dar?

Scheiblecker: Heuer kann unserem starken Wachstum nur mehr wenig passieren. Portugal und Griechenland haben keinen starken Einfluss. Die große Gefahr wäre aber, wenn die Schuldenkrise auf Italien überspränge. Dann käme es wieder zu einer Finanzkrise. Zu Italien haben wir wesentlich stärkere Wirtschaftsbeziehungen, und die Größe des Landes ist natürlich auch ein Faktor. Problematisch könnten auch die hohe Inflation und die hohen Erdölpreise werden. Der starke Euro gefährdet außerdem die Exporte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.5.2011)