Ein Korallenfossil aus den kohleführenden Schichten von Maiersdorf

Foto: Erich Draganits

Wien - "Neue Welt" ist nicht nur ein Begriff für die beiden Amerikas, sondern auch der Name einer Senke im südöstlichen Niederösterreich. Geowissenschafter der Universität Wien um Michael Wagreich untersuchten hier 80 Millionen Jahre alte Kreidegesteine im Rahmen eines internationalen Programms der UNESCO. Sie analysieren die Auswirkungen von Klimazyklen und Meeresspiegelschwankungen auf die kreidezeitliche Umwelt.

Tropisches Niederösterreich

Damals befand sich die Region in einem küstennahen Meeresbereich des Tethys-Ozeans - einen Rest davon bildet heute das Mittelmeer. Weil die europäischen und afrikanischen Landmassen damals noch wesentlich weiter südlich lagen, herrschte hier ein tropisch-subtropisches Treibhausklima. "Meeresablagerungen wechselten sich mit Landablagerungen ab", erklärt Wagreich: "Zyklische Klimaänderungen bewirkten Meeresspiegelschwankungen in der Größenordnung von mehreren Metern."

In Sümpfen und Feuchtgebieten am Rande des Ozeans fand eine subtropische Flora ideale Bedingungen vor, so wuchsen im heutigen Niederösterreich Palmen, Palmfarne sowie Schraubenbaum- und Magnoliengewächse (die sogenannte "Grünbach Flora"). "In diesen Sumpfgebieten wurden im Laufe von Jahrmillionen durch Meeresüberflutungen und Trockenfallen Sedimentabfolgen abgelagert. Es wechseln sich Kohleflöze mit Schichten aus Ton, Sandstein und Konglomerat ab, einem zum Großteil aus Kies bestehenden Sedimentgestein", beschreibt Wagreich.

Extrem rasche Wechsel

"Wir haben es hier mit stark wechselnden Ablagerungsbedingungen zu tun", so Wagreich. Geochemische Untersuchungen zeigen Anreicherungen von Elementen wie etwa Bor, die eher auf marine Ablagerungen hinweisen, welche mit terrestrischen, kohle- und pflanzenführenden Schichten "wechsellagern": "Eine Lage mit Einzelkorallen direkt über Kalken mit Süßwasseralgen zeigt dabei den extrem raschen Wechsel von nicht-marinen zu marinen Ablagerungen, möglicherweise die Folge eines plötzlichen Meeresspiegelanstiegs vor zirka 80 Millionen Jahren", erklärt Projektmitarbeiter Erich Draganits.

Ein spezielles Problem, das mit den Proben aus den Schurfgräben geklärt werden soll, ist das genaue Alter der Sedimente. Bei der Bestimmung greifen die Forscher auf Mikro- und Nannofossilien zurück: Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Planktonreste, die aus den Tonschichten im Labor gewonnen und anschließend mithilfe eines Rasterelektronen-Mikroskops bestimmt werden. Diese Kleinstfossilien sind typisch für bestimmte Zeitabschnitte. Zusätzlich lieferten Strontium-Isotopendaten einen ersten Hinweis auf das Alter der Gesteine: "Wir konnten damit den Sedimentationsbeginn dieser Ablagerungen auf 83,5 Millionen Jahre einengen - den Beginn des Zeitalters Campanium, also die Späte Kreidezeit", so Wagreich abschließend. (red)