Monica Culen ist Managing Director bei Rote Nasen Clowndoctors International

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Walter Andrle ist Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich bei den Wiener Linien

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Georg Westphal ist Konzernpersonalchef bei Verbund

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Werner Panhauser ist Vorstand Vertrieb Marketing bei der Helvetia Versicherung

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"Reibereien" gibt es nur im Guten und die Begegnung geschieht auf Augenhöhe. Den Aufbau von Vertrauen, Einfühlungsvermögen und das Erkennen von Potenzial ihrer Mentees sehen die Mentoren im fünften Jubiläumsjahr des STANDARD Mentoring Circle als Herausforderung. Wie das zusammen passt, erzählen vier von ihnen.

derStandard.at: Was macht eine gute Mentorin, einen guten Mentor aus? 

Panhauser: Man muss ein guter Zuhörer und Hinhörer sein: ohne zu dozieren, mit Expertise agieren, das macht Sinn. So können die Mentees maximal profitieren und man selber auch. Man spiegelt seine eigenen Erfahrungen mit den Erzählungen und Fragen der Mentees.

Andrle: Das Wichtigste ist wohl, gut zuzuhören und sich in die Rolle des Mentees hineindenken zu können - in der Situation selbst und natürlich auch in die Lage, in der sich der Mentee in seinem Unternehmen befindet. Dazu ist auch eine gewisse Erfahrung des Mentors in mehreren Unternehmen hilfreich.

Culen: Es ist die Bereitschaft, einem anderen Menschen, der vielleicht jünger und weniger erfahren ist, völlig offen und unvoreingenommen dort zu begegnen, wo er in seinem Leben gerade steht. Es geht darum, gemeinsam die Situation zu analysieren, die Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und die Potenziale und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung zu erarbeiten. Ich möchte nicht beeinflussen, sondern mit Rat und Tat dort unterstützen und bestärken, wo sich Wünsche, Potenziale und Möglichkeiten gut ergänzen.

Westphal: Ein Mentor sollte wertfrei auf den Mentee eingehen können. Er kann nur Wege aufzeigen, sodass die Mentees danach selbst gewählte Schritte setzen können. Anfangs ist es essentiell, Erwartungen zu klären und Ziele zu definieren. Diese können sich verändern - hierfür braucht es Flexibilität und Geduld. Ein guter Mentor sollte in jeder Karrierestufe seinen Mentee unterstützen.

derStandard.at: Welchen Stellenwert hat Mentoring für den Verlauf von Karrieren?

Panhauser: Ich hätte gerne schon viel früher so einen Mentoringprozess kennengelernt, es ist eine unschätzbar wertvolle Erfahrung. Dazu kommt die Motivation als Mentor so weit oder weiter zu kommen. 

Andrle: Mentoring kann ein großes Mosaikstückchen in Karrieren sein: Aus eigener Erfahrung darf ich sagen, dass im Laufe eines Berufslebens möglichst viele Mentoren von großem Vorteil sind.

Culen: Ich möchte mit Mentoring zuerst einmal Mut machen, sich zu einem eigenen Weg zu bekennen und dann Kraft geben die notwendigen Schritte einzuleiten. Eine Strukturierung der Lösung von Problemen oder Erreichung von neuen Zielen durch regelmäßiges Mentoring kann sehr hilfreich sein. Ich bin auch gerne bereit, meine Netzwerke zur Verfügung zu stellen um Verbindungen für die berufliche Weiterentwicklung meiner Mentees zu knüpfen.

Westphal: Wird die Mentor-Mentee-Beziehung im Laufe von Lebenswegen auf einer soliden Vertrauensbasis gelebt, kann sie für den Karriereverlauf eine große Rolle spielen. Generell sollte Mentoring dazu dienen, Chancen besser zu nutzen und vorhandenes Potential optimal einzusetzen. Das ist aber noch keine Garantie für einen fortwährenden Erfolg. Langfristig sind auch Misserfolge dazu da, gestärkt daraus hervorzugehen und Erfolge entsprechend würdigen zu können.

derStandard.at: Was hat Sie an Ihren bisherigen Mentees am meisten überrascht?

Panhauser: Die Offenheit und der Austausch auf Augenhöhe. 

Andrle: Überrascht haben mich das extrem hohe Ausbildungsniveau und die Praxisorientierung der Mentees. Offenheit und Eigenmotivation habe ich als Selbstverständlichkeit erachtet, aber die Entwicklung eines fast freundschaftlichen Verhältnisses im Zuge der Diskussionen hat mich doch überrascht.

Culen: Wie fruchtbar und interessant diese Beziehung auch für mich selbst ist. Auch ich habe menschlich und beruflich davon profitiert.

Westphal: Es war erstaunlich, dass das Maß an Pro-Aktivität unterschiedlicher Mentees recht unterschiedlich gelebt wurde. Ich selbst habe viel dazugelernt und kann vor allem in Sachen wertfreies Zuhören und Stärkenanalyse persönlich und beruflich enorm davon profitieren.

derStandard.at: Ist das Mentor-Mentee-Verhältnis immer harmonisch oder erleben Sie auch Reibungspunkte?

Panhauser: Bisher gab es keine Reibungspunkte, unterschiedliche Standpunkte wurden toleriert und besprochen.

Andrle: Diskussionen sehe ich nicht als Reibungspunkte sondern als befruchtend. Insofern gab es keine Reibereien, sondern harmonische Begegnungen.

Culen: Manchmal ist unser Timing schwierig. Bislang habe ich keine Störungen erlebt.

Westphal: Da das persönliche Gespräch am besten geeignet ist, Anstöße für die Weiterentwicklung zu geben, ist die Terminfindung oft eine Herausforderung. Wie in jeder Beziehung können sich Mentor und Mentee auch auseinanderleben. Entweder, weil man das "Mentoring-Ziel" gemeinsam erreicht hat, oder weil sich die Wege im Laufe eines Mentorings - sei es örtlich oder ideologisch - auseinander entwickeln. (Marietta Türk, derStandard.at, 15.6.2011)