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Im österreichischen Strafgesetzbuch heißt es Stop für Busen-Grapscher, aber nicht für Popo-Streichler.

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Die Zeiten, als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gemeinhin noch ein "Kavaliersdelikt" war, sieht Gleichbehandlungsanwältin Nikolay-Leitner in die Ferne gerückt: Sie attestiert den Unternehmen "starken Bewusstseinswandel" beim Thema.

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"Vielen Tätern ist nicht bewusst, was sie machen. Dass sie Grenzen überschreiten, auch Grenzen der Würde": EU-Abgeordnete Regner setzt auf intensivere Sensibilisierung fürs Thema und rechtlich Bindendes von Seiten der EU-Kommission.

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Der Fall Strauss-Kahn rollt auch das Thema sexuelle Belästigung neu auf. Dass die USA mit ihren Gesetzgebungen Vorbild sein können, sieht wohl auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek so. Sie hat diese Woche eine Verschärfung der heimischen Gesetzeslage bei sexueller Belästigung angekündigt. Auf dieStandard.at-Anfrage hieß es im Büro der Frauenministerin, die angestrebten Änderungen beziehen sich auf das Strafgesetzbuch, in das sexuelle Belästigung erst 2004 Eingang gefunden hat.

Dort nimmt sich der junge Straftatbestand sehr schmal aus: Nur das Berühren von primären und sekundären Geschlechtsteilen sei strafbar, ein Popo-Grapscher zum Beispiel schon nicht mehr. Hier gehöre nachgebessert und präzisiert, so die Sprecherin der Frauenministerin Julia Valsky. Man habe bereits mit der letzten Justizministerin verhandelt und wolle nach dem Personalwechsel auch nicht lockerlassen. Auch der Kanzler hat das klar gemacht: Sexuelle Belästigung sei kein "Kavaliersdelikt", ließ er wissen.

Gleichbehandlungsgesetz mit großem Geltungsbereich

Als "Kavaliersdelikt" kennt das Gleichbehandlungsgesetz sexuelle Belästigung schon lange nicht mehr.  Die deutliche Mehrheit der Fälle von sexueller Belästigung werden darin verhandelt. Zivilrechtlich nämlich greift im Gegensatz zum Strafrecht eine umfassende Definition, erläutert die Gleichbehandlungsanwältin im Bundekanzleramt Ingrid Nikolay-Leitner gegenüber dieStandard.at. Sie verweist angesichts der urgierten Nachbesserung auf die Tatsache, dass bei einer Ahndung nach Strafgesetzbuch schon wirklich "Gravierendes" vorfallen muss. Sonst greift der lange Arm des Gleichbehandlungsgesetzes bei Beschäftigungsverhältnissen in der Privatwirtschaft und mittlerweile auch außerhalb der Arbeitswelt, wie bei Gütern und Verkehr. 

Auch ArbeitgeberInnen belangbar

Und hier bedeutet sexuelle Belästigung nicht "nur" Grapschen: Vom Hinterherpfeifen über pornografische Bilder am Arbeitsplatz bis anzügliche Bemerkungen fällt alles hinein, was ein Arbeitsklima schafft, welches die Würde der Betroffenen beeinträchtigt. Außerdem nimmt das Gleichbehandlungsgesetz zusätzlich die ArbeitgeberInnen in die Pflicht, indem es sie belangbar macht, wenn sie einem feindseligen, anstößigen oder einfach von den Betroffenen unerwünschten Verhalten keinen Riegel vorschieben. Die Betroffenen können mit einem Mindestschadensersatz von 1.000 Euro rechnen - eine erst im März mit der Novelle installierte Erhöhung um 280 Euro. Außerdem wurde die Antragsfrist bei sexueller Belästigung von einem auf drei Jahre angehoben - mehr Zeit für Betroffene, sich zur rechtlichen Gegenwehr zu entschließen.

Für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse gibt es ein eigenes Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das sich von dem für die Privatwirtschaft dadurch unterscheidet, dass beim Bund jede sexuelle Belästigung auch eine Dienstpflichtverletzung ist.

Bewusstseinswandel

Nikolai-Leitner hält außerdem fest, dass sich seit der Einführung der Gleichbehandlungslinie ein "starker Bewusstseinswandel" bei der Bewertung von sexueller Belästigung ergeben hat. Man habe ein Problem als solches erkannt. Die Glaubhaftmachung von Beweisen gegen BelästigerInnen sei deswegen heute weniger schwer, weil die Unternehmen sich gegen sexuelle Belästigung verstärkt einsetzen, auch präventiv. Von einer "Kavaliersdelikt"-Auffassung hat man sich laut der Expertin also schon länger verabschiedet.

Thema auf EU-Ebene hieven

Für die SP-Europaabgeordnete Evelyn Regner ist es abseits der recht umfassenden nationalen Gesetzgebung auch EU-weit Zeit für Rechtsverbindliches. "Vor einigen Jahren hat die Kommission bereits das Thema Mobbing inklusive sexueller Belästigung verhandelt, aber herausgekommen ist nur eine Broschüre. Es ist notwendig, gesetzgeberisch tätig zu werden." Seit dem Lissabonvertrag sei es einfacher, grenzüberschreitend vorzugehen.

Handlungsbedarf sieht die Parlamentarierin vorallem im Bereich sexuelle Belästigung durch Dritte, sprich KundInnen. Der Fall Strauss-Kahn bringt hier auch Positives mit sich, nämlich die Aufmerksamkeit für die Arbeitsbereiche, in denen Belästigung oder gar sexuelle Gewalt gegen Frauen mittoleriert würden: Das müsse raus aus der "Schmuddelecke", und für Regner steht fest, dass die EU hier Kompetenzen hat: "Sie sollte tätig werden." Denn: "Mit zunehmendem Druck am Arbeitsplatz, dem Stress, der Dichte des Arbeitslebens gibt es auch mehr Situationen mit Opfern."

Gemeinsam mit der Grünen Ulrike Lunacek und der fraktionslosen EU-Abgeordneten Angelika Werthmann hat sie einen Antrag für die Einführung eines Aktionstages gegen Belästigung und Mobbing ins EU-Parlament eingebracht. Mehr Sensibilisierung fürs Thema sei nötig, betont Regner gegenüber dieStandard.at. Der Antrag wurde zwar nicht angenommen, aber nicht wegen einer Nachrangigkeit des Themas - der jüngst in Straßburg angenommene Beschluss zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zeige das Gegenteil, meint Regner: "Viviane Reding will das anpacken." (bto/dieStandard.at, 26.5.2011)