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"Ghostwriter", also "Geistschreiber", werden jene Personen genannt, die Bücher oder wissenschaftliche Arbeiten schreiben, die dann im Namen des Auftraggebers veröffentlicht werden.

Foto: EPA/DENNIS M. SABANGAN

"Sie benötigen Unterstützung bei Ihrer wissenschaftlichen Karriere? [...] ACAD WRITE bietet Ihnen individuelle Unterstützung bei der Erstellung jeglicher wissenschaftlicher Arbeiten, von der Hausarbeit über die Masterarbeit bis zur Dissertation". Für viele Studentinnen und Studenten klingt dieses Versprechen auf der Homepage des Unternehmens "Acad Write" sicher verlockend. Wenn der Abgabetermin zu nahe gerückt ist oder der Job gerade stressig ist, kümmern sich die "Ghostwriter" dieses Unternehmens "schnell, kompetent und diskret" um die Abschlussarbeit.

Das Unternehmen, das schon seit längerem in Deutschland und der Schweiz tätig ist, hat nun auch in Österreich, genauer in Salzburg, ein Büro eröffnet. In einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" erklärt der Chef des Unternehmens, Thomas Nemet, warum sein Unternehmen nichts Verwerfliches macht, so: "Wenn Sie sich im Geschäft ein Messer kaufen, können Sie damit ein Schnitzel schneiden oder ihre Schwiegermutter umbringen. Der Messerhersteller ist dafür nicht verantwortlich". Kurz gesagt: Was der Auftraggeber mit der Arbeit macht, kann Acad Write nicht beeinflussen. Wenn also ein Student die Arbeit eines Ghostwriters als seine eigene ausgibt, ist das nicht Sache des Unternehmens.

Ghostwriting ist schwer nachzuweisen

Strafrechtlich kann Acad Write nicht belangt werden, Ghostwriting ist nicht verboten. Selbst Studenten, die wissentlich eine nicht von ihnen geschriebene Arbeit als ihre eigene ausgeben, haben nicht mit vielen Konsequenzen zu rechnen. Falls jemand herausfindet, dass sie ihre Arbeit nicht selbst geschrieben haben, wird ihnen der akademische Titel entzogen. Gerade das ist aber schwer nachzuweisen. "Es ist schwierig, dass man denen auf die Spur kommt, wenn die Arbeiten hieb- und stichfest sind und nicht plagiiert wurde", erklärt Bernd-Christian Funk, Verfassungsrechtler und Leiter des Instituts für Universitätsrecht an der Johannes Kepler Universität Linz im Gespräch mit derStandard.at. "Eine Erschleichung des Titels liegt hier vor, die Situation ist höchst unbefriedigend und verheerend für das Ansehen des akademischen Betriebs", so Funk. 

"Echte" Arbeiten werden entwertet

Nicole Föger von der Agentur für wissenschaftliche Integrität zeigt sich auf Nachfrage von derStandard.at empört: "Es ist unglaublich, dass solche Ghostwriting Agenturen ungestraft ihr Geschäft machen können", sagt sie. "Jeder, der selbst studiert und eine wissenschaftliche Arbeit verfasst hat und stolz darauf ist, muss sich nun fragen, welchen Wert denn Studienabschlüsse haben, wenn andere sich diese Arbeiten und damit auch den Abschluss erkaufen", macht Föger auf weitere Gefahren aufmerksam.

Dem Agenturleiter Nemet wirft sie vor, die Menschen "an der Nase herumzuführen". "Was soll man denn mit einer von dieser Agentur geschriebenen wissenschaftlichen Arbeit machen, als sie als Diplom- oder Dissertationsarbeit einzureichen - sie um 8.000 € ins Regal zu Hause stellen?", fragt Föger.

Funk: Strafbestimmungen erweitern

Uni-Rechts-Experte Funk regt an, auch strafrechtlich gegen Studierende, die eine Arbeit kaufen, vorzugehen. Beispielswise könnten Verstöße gegen eidesstattliche Erklärungen (Diplomanden und Dissertanten müssen schriftlich garantieren, dass sie die Arbeit selbst verfasst haben) bestraft werden. Derzeit ist dieses Vorgehen zwar verboten, mit strafrechtlichen Konsequenzen muss man aber nicht rechnen. Eine weitere Möglichkeit wäre laut Funk, die Ausweitung der Strafbestimmungen auf das Mitwirken an der Arbeit oder das Bereitstellen einer solchen.

Ein Zugang über das Steuerrecht wäre ebenfalls möglich. Unternehmen müssen dem Finanzamt ihre vertraglichen Beziehungen offenlegen. Wenn nun die Universitäten dem Finanzamt ein zentrales Register mit den Studierenden und ihren Themen zur Verfügung stellen würden, könnte - so Funk - das Finanzamt herausfinden, welche Studierende eine Arbeit in Auftrag gegeben haben. "Hier sehe ich aber Probleme mit dem Datenschutz und dem Steuergeheimnis", gibt der Uni-Professor zu bedenken.

Töchterle will Bewusstsein schaffen

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) möchte die Problematik mit einem anderen Zugang lösen. "Wir müssen vor allem auch auf Bewusstseinsbildung und entsprechende Betreuung setzen", so Töchterle in seiner Stellungnahme gegenüber derStandard.at. "Wissenschaftliche Arbeiten entstehen im Idealfall in enger Kooperation mit der Betreuerin/dem Betreuer", sagt der Wissenschaftsminister. Wenn das Betreuungsverhältnis stimmt, dann sieht Töchterle "kaum Platz für solche Agenturen".

Einstweilen scheint der Bedarf an Ghostwritern aber groß zu sein. Laut Nemet arbeiten bei Acad Write 300 Akademikerinnen und Akademiker. Hundert Seiten kosten zwischen 8.000 und 25.000 Euro. In ganz Europa hat die Agentur in den letzten sieben Jahren 5.000 Aufträge erfüllt. (Lisa Aigner, derStandard.at, 25.5.2011)