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Fukushima: Auch in den Reaktoren zwei und drei soll es zu einer Kernschmelze gekommen sein.

Foto: APA/EPA/Tokyo Electric Power

Die schlimmen Befürchtungen haben sich bestätigt: In allen drei aktiven Reaktoren der japanischen Atomruine Fukushima hat schon kurz nach dem Erdbeben im März eine Kernschmelze eingesetzt. Der Kraftwerkbetreiber Tepco gab das erst am Dienstag zu. Man habe offenbar befürchtet, eine frühere Bestätigung würde Panik in der Bevölkerung auslösen. Die geschmolzene Masse werde aber ausreichend gekühlt und die Lage sei stabil, betonte Tepco. Experten hatten bereits vermutet, dass es eine Kernschmelze nicht nur im ersten Reaktor, sondern auch in den Blöcken 2 und 3 von Fukushima Eins gegeben hatte.

Bisher hatte Tepco lediglich eingeräumt, dass in Reaktor 1 die Brennstäbe größtenteils geschmolzen waren und sich die gefährliche Masse nun wahrscheinlich am Boden des Reaktor-Druckbehälters befindet. Auch in den Reaktoren 2 und 3 dürfte der größte Teil der Brennstäbe bereits 60 bis 100 Stunden nach dem Beben am 11. März geschmolzen und nach unten geronnen sein. Die Temperaturen an den Behältern deuteten aber darauf hin, dass es mit Wasser gelungen sei, die Schmelzmasse zu kühlen und stabil zu halten.

Eine Kernschmelze gilt als besonders gefährlich, weil sich die extrem heiße radioaktive Masse durch die Schutzwände des Reaktors oder den Boden fressen kann. Im schlimmsten Fall könnte es zu einer verheerenden Explosion kommen, wenn sie das Grundwasser erreicht.

Das Kraftwerk war durch das schwere Beben und den anschließenden Tsunami stark beschädigt worden. Das Kühlsystem fiel aus und die Lage konnte erst nach Wochen unter Kontrolle gebracht werden. Vor allem ins Meer trat massiv Radioaktivität aus.

Angst vor Massenpanik

Grund für die verzögerte Information der Öffentlichkeit über den GAU war nach Ansicht des Tokioter Politikprofessors Koichi Nakano die Angst vor einer Massenpanik. "Jetzt haben sich die Menschen an die Situation gewöhnt", sagte er. "Tepco hofft wahrscheinlich, dass die Reaktionen jetzt weniger dramatisch ausfallen." Das Wort Kernschmelze sei mit großen Ängsten verbunden. Es sei gut möglich gewesen, dass die Menschen versucht hätten, aus der Metropole Tokio zu fliehen.

Der Börsenwert von Tepco ist seit der Katastrophe um 80 Prozent eingebrochen. Das Unternehmen ist nur noch mit Regierungshilfen überlebensfähig. Es drohen Schadenersatzforderungen die Expertenschätzungen zufolge die 100-Milliarden-Dollar-Marke übertreffen könnten.

Unterdessen teilte Industrieminister Banri Kaieda mit, dass die Regierung ein unabhängiges Gremium zur Untersuchung der größten Atomkatastrophe seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl einberufen wird. Der Kommission mit zehn Mitgliedern, die noch bis Ende des Monats mit der Arbeit beginnen soll, würden neben Atomexperten auch Juristen angehören. Neben einer Untersuchung der Ursachen für das Fukushima-Desaster soll es auch darum gehen, wie solche Katastrophen in der Zukunft zu verhindern sind.

Greenpeace: Tepco habe "Weltöffentlichkeit wochenlang an der Nase herumgeführt"

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace übt heftige Kritik an der Informationspolitik des japanischen AKW-Betreibers. Tepco habe "die Weltöffentlichkeit wochenlang an der Nase herumgeführt, um das wahre Ausmaß der Reaktorkatastrophe zu vertuschen und herunterzuspielen und damit bewusst mögliche Schäden für die japanische Bevölkerung in Kauf genommen", sagt Niklas Schinerl, Atomsprecher von Greenpeace. Schinerl: "Diese Vorgehensweise reiht sich nahtlos ein in eine lange Reihe von Lügen der Atomindustrie. Das hat auch in Europa System. Die Atomlobby vertuscht auch hier lieber Störfälle, anstatt die Menschen über die wahren Gefahren der Atomkraft zu informieren." (APA/red)