Motorola setzt mit dem Xoom zwar auf Googles zukunftsträchtige Android-Plattform und aktuelle Hardware wie Nvidias Tegra 2, hat jedoch die Umsetzung verpatzt.

Foto: Birgit Riegler

Beim Xoom gibt es auf der Vorderseite keine Tasten - die Bedienung erfolgt ausschließlich über Touch-Buttons am unteren Display-Rand, die beim Drehen des Displays mitwandern.

Foto: Birgit Riegler

Honeycomb weiß unter anderem mit einem guten Browser zu überzeugen, der ein vollständiges Surferlebnis samt Flash-Support und Browser-Tabs bietet.

Foto: Birgit Riegler

Die Browserleisten lassen sich ausblenden, stattdessen erfolgt die Navigation über ein Fächermenü, das sich öffnet, wenn man über den linken Displayrand streicht. (Zur besseren Ansicht im Screenshot hervorgehoben)

Screenshot: Birgit Riegler

Die Kamera bietet viele Einstellungsmöglichkeiten, die Foto-Qualität ist annehmbar, wenn auch nicht herausragend.

Screenshot: Birgit Riegler

Die Foto-Galerie ist grundsätzlich gelungen, das Aufzoomen von Fotos funktioniert jedoch nicht sehr flüssig. Das Update auf Android 3.1 sollte Bugs wie diesen beheben.

Screenshot: Birgit Riegler

Beim Design des Android Markets für Tablets muss Google noch nachbessern.

Screenshot: Birgit Riegler

Die Music-App bietet neben herkömmlicher Sortierung nach Album oder Interpret  eine hübsche Cover-Ansicht, die bei einer großen Musiksammlung jedoch unübersichtlich wrid.

Screenshot: Birgit Riegler

Das Wechseln zwischen offnen Apps ist unter Honeycomb besonders einfach.

Screenshot: Birgit Riegler

Benachrichtigungen und Zugriff auf die wichtigen Einstellungen gibt Honeycomb in einem eigenen Notifications-Bereich.

Screenshot: Birgit Riegler

Mit dem Xoom hat Motorola das erste Tablet mit Googles Betriebssystem Android 3.0 Honeycomb auf den Markt gebracht. Zwar haben einige Hersteller, unter anderem Samsung, bereits 2010 erste Android-Tablets vorgestellt, doch auf diesen Geräten lief noch die Smartphone-Versionen des Systems. Das Xoom mit Honeycomb hätte als erster, echter iPad-Rivale den Markt aufrollen können. Wieso Motorola diese Chance verpasst hat, soll der WebStandard-Test zeigen.

Ausstattung

Bei der Ausstattung fehlt es dem Xoom an nichts. Zum 1 GHz schnellen Dual-Core-Prozessor des Tegra-2-Chips kommen 1 GB RAM und 32 GB interner Speicher. Der Speicher kann theoretisch um SD-Karten erweitert werden, was jedoch noch nicht unterstützt wird. Dazu aber später. Das Xoom unterstützt WLAN 802.11 a/b/g/n, Bluetooth 2.1, bietet einen micro-USB-Anschluss und mini-HDMI sowie zwei Kameras mit 5 und 2 Megapixeln. Der 10,1 Zoll große Touchscreen bietet eine Auflösung von 1280 x 800 Pixel. Das Tablet ist als 3G- und WLAN-Variante erhältlich und wird nachträglich auf LTE aufgerüstet werden können. Soweit, so beeindruckend. Das iPad 2 übertrifft es damit im Punkt Hardware unter anderem bei der Kameraauflösung, der Möglichkeit SD-Karten zu verwenden und beim Arbeitsspeicher, der beim Apple-Tablet bei 512 MB liegt.

Specs auf dem Papier gut

Mit dieser Ausstattung hätte das Xoom das Potential den Tablet-Markt anzuführen. Doch das Ganze ist bekanntlich mehr als die Summe der einzelnen Teile. Und so lesen sich die Spezifikationen am Papier zwar gut, doch kommen mehrere, kleine Mängel zusammen, die dem Gerät das Marktführer-Potential kosten. So mutet etwa der Ort des Einschalt-Buttons schon fast wie ein Design-Fehler an. Das Gerät wird nämlich auf der Rückseite neben der Kamera eingeschaltet. Das wird besonders ärgerlich, wenn man das Gerät am Tisch oder Schoß vor sich liegen hat. Immer wenn sich das Display ausschaltet, muss man das Gerät hochheben und den Knopf ertasten. Klingt zunächst nicht weiter problematisch, fängt nach einiger Zeit jedoch massiv an zu nerven.

Gehäuse-Defizite 

Ein grober Nachteil gegenüber der Konkurrenz ist das Gehäuse-Design. Mit 730 Gramm für die WLAN-Version und 708 Gramm für die 3G-Version ist das Xoom über 100 Gramm schwerer als das iPad 2. Motorolas Tablet ist 12,3 mm dick, während das iPad 2 nur 8,8 mm misst. Die Millimeter-Angaben klingen vernachlässigbar, doch wer beide Modelle in Händen hält, merkt einen deutlichen Unterschied. Für Samsung war das dünne Gehäuse des iPad 2 jedenfalls ausschlaggebend, das Design der Galaxy Tab 10.1 nochmal zu überarbeiten. Und so wiegt das Samsung-Tablet nun lediglich 595 Gramm bei einer Gehäusestärke von 8,6 mm. Das Xoom wirkt im Vergleich zu den beiden schlanken und leichten Tablets veraltet.

Anschlüsse und Akkulaufzeiten

Löblich sind die Anschlussmöglichkeiten via micro-USB und mini-HDMI. Doch auch hier tut sich ein kleines Ärgernis auf: via USB können nur Daten übertragen werden. Die Stromversorgung erfolgt über einen eigenen Anschluss, der sich neben den beiden Daten-Ports an der unteren Kante des Geräts befindet. So muss man auf Reisen zwei Kabel mitnehmen. Apple verwendet beim iPad 2 (wie auch bei seinen anderen Geräten) zwar einen proprietären Anschluss, doch fungiert ein Kabel gleichzeitig für Datenübertragung und Stromversorgung. Die Akkulaufzeiten des Geräts waren im Test jedoch zufriedenstellend. Nutzt man das Tablet jeden Tag beispielsweise zum Zeitungslesen, E-Mails-Abrufen und Surfen via WLAN sowie zum Musikhören, muss das Xoom erst nach vier Tagen wieder an die Steckdose.

SD-Karten-Support

Eine Sache der Software ist die Unterstützung von SD-Karten. Das Xoom ist bereits seit Februar (in den USA) am Markt erhältlich, doch SD-Karten werden noch immer nicht unterstützt. Das wird erst mit einem Update möglich. In den USA haben bereits erste Kunden von Verizon das Update auf Android 3.1 erhalten, doch berichten Kunden und Tester davon, dass SD-Karten weiterhin nicht erkannt werden. Im Test konnte das nicht überprüft werden, da auf dem Testgerät noch Android 3.0 installiert war.

Honeycomb mit kleinen Schwächen ...

Wie erwähnt konnte das Tablet im Test nur mit Android 3.0 ausprobiert werden, das in einigen Bereichen noch nicht ausgereift ist. Samsung hat sich dazu entschieden den Marktstart so zu verschieben, dass das Galaxy Tab 10.1 bereits mit der aktuelleren Version 3.1 verfügbar ist. Das Update bietet einige Verbesserungen bei Interface, Stabilität und Performance. Obwohl Honeycomb noch einige Kinderkrankheiten plagen, sind diese doch das geringste Problem des Xoom. So ist die Steuerung über die Touchbuttons für die Aktionen "einen Schritt Zurück", "zurück zum Homescreen" und "Anzeige zuletzt verwendeter Anwendungen" etwas unglücklich ausgefallen. Die Icons sind wenig selbsterklärend, die Navigation über drei Buttons etwas umständlich im Vergleich zum iPad. Das Interface ist generell zu dunkel geraten, sodass das ohnehin schon stark spiegelnde Display noch schlechter lesbar wird.

... und großem Potential

Googles erster Versuch eines Tablet-Systems ist jedoch insgesamt gut gelungen. So bietet der Browser ein vollständigeres Surferlebnis als aktuell Safari am iPad. Einerseits unterstützt Android natürlich Flash, weshalb man beim Surfen nicht auf Limits stößt. Andererseits sind clevere Funktionen wie Browser-Tabs oder ein Inkognito-Modus integriert. Von Haus aus bleibt die Browser-Leiste mit den Tabs und der URL-Zeile eingeblendet. In den Einstellungen im Bereich "Labs" kann man jedoch festsetzen, dass die Leisten ausgeblendet werden. In dem Fall erfolgt die Steuerung über das Quick Controls Interface, über das die wichtigsten Einstellungen erreichbar sind. Besonders gut gelungen ist dieses Interface nicht. Unter Android 3.1 hat Google aber bereits nachgebessert.

Bessere Multitasking-Umsetzung

Honeycomb ist Apples iOS in mehreren Punkte einige Schritte voraus. Der Wechsel zwischen zuletzt geöffneten Apps ist unter Android 3.0 logischer gestaltet. Während man bei iOS durch doppeltes Antippen der Hometaste zur Multitasking-Leiste gelangt, in der die Icons der zuletzt verwendeten Apps abgelegt sind, zeigt Android Thumbnails der Anwendungen an. Unter Honeycomb 3.0 werden fünf Apps angezeigt, das Update auf 3.1 bringt hier eine scrollbare Liste für mehr Programme.

Benachrichtigungen

Die von Android-Smartphones bekannte Benachrichtigungsleiste wurde für Honeycomb komplett überarbeitet. Benachrichtigungen und Hinweise etwa zu Software-Updates finden sich in einem eigenen Bereich am rechten, unteren Display-Rand, über den man auch Zugriff zu wichtigen Einstellungen hat. So kann hier beispielswiese die Helligkeit des Displays rasch geändert, der Flugmodus oder WLAN aktiviert werden. Damit kann man rasch auf veränderte Umgebungsbedingungen reagieren (z.B. bei schlechteren Lichtverhältnissen), ohne erst in die Tiefen des Einstellungsmenüs vordringen zu müssen. Die Notifications müssen jedoch einzeln weggeklickt werden, was sich mitunter als etwas mühsam darstellt.

Homescreens

Die Homescreens lassen sich unter Honeycomb sehr übersichtlich mit Apps, Shortcuts und Widgets befüllen. Muss man unter iOS Apps oder Ordner einzeln auf dem Homescreens platzieren - was auch immer eine Neuanordnung der anderen Apps zufolge hat - lässt Android hier mehr Gestaltungsfreiheit. Alle Homescreen-Inhalte können auf den Screens nach Wunsch abgelegt werden. Auffällig ist, dass der Wechsel zwischen den Homescreens oder etwa das Scrollen im Browser trotz des schnellen Dual-Core-Prozessors teilweise stark ruckelt. Überflüssig erschienen im Test zudem die Rahmen, die beim Wechsel zwischen Homescreens um den Bildschirmrand eingeblendet werden.

Überzeugende Google-Apps

Positiv fallen weitere Google-Anwendungen wie Gmail, der Musik-Player und die Foto-Galerie auf, wenngleich sich bei letzterer wieder Performance-Probleme zeigen. Fotos können mit Pinch-to-Zoom vergrößert werden, doch die Bilder werden ruckartig und nicht so flüssig wie auf Smartphones oder iOS vergrößert. Das dürfte sich aber mit dem Update auf 3.1 bessern. Die virtuelle Tastatur ist Google gut gelungen und erlaubt dank eines großzügigen Layouts schnelles und komfortables Tippen. Bei der Musik-Wiedergabe fällt ein weiteres Hardware-Manko auf: die schlechten Lautsprecher. Wer am Xoom Musik und Filme nutzen will, sollte unbedingt auf Kopfhörer zurückgreifen.

Kamera

Gemischte Gefühle hinterließen die beiden Kameras. Mit 2 Megapixeln auf der Vorderseite und 5 Megapixeln auf der Rückseite samt Dual-Flash-LED hat Motorola eine logische Wahl getroffen. Geringere Auflösungen machen keinen Sinn mehr. Die beiden Kameras des iPad 2 etwa taugen zu kaum mehr als Videotelefonie. Für Fotos oder Videos, die man als Erinnerung aufheben möchte, eignen sich die Kameras nicht. Das Xoom bietet eine bessere Qualität - wenngleich auch keine überragende - und mehr Einstellungsmöglichkeiten (die sich aus der Software-Umsetzung der Kamera-App von Google ergeben). Bei der Aufnahme von Videos ist allerdings eine leichte Verzögerung am Display bemerkbar, zudem hängt das Bild gelegentlich. Dahingestellt sei, ob zwei Kameras bei Tablets überhaupt sinnvoll sind. Wie oft kommt man schon in die Verlegenheit, dass man etwa Urlaubsfotos mit dem Tablet macht? Und für Schnappschüsse reicht immerhin eine Kamera.

Fazit

Zusammenfassend kann man zum Motorola Xoom sagen, dass es zu früh auf den Markt gebracht wurde. Das wäre in Hinblick auf die Software weniger problematisch, da Google ja bereits Android 3.1 veröffentlicht hat und weitere Updates wohl nicht lange auf sich warten lassen. Doch die Mängel der Hardware lassen sich dadurch nicht ausbügeln. Samsung ging hier geschickter vor, kündigte das Galaxy Tab 10.1 zwar mit ähnlich klobigem Design an, entschloss sich nach Präsentation des iPad 2 aber zu einem Re-Design. Das Xoom hätte 2010 als Rivale des ersten iPads und bis dahin verfügbarer Android-Tablets bessere Chancen gehabt (auch wenn es da Honeycomb noch nicht gegeben hat).

Galaxy Tab 10.1 besser

Für das Xoom gibt es leider kein Argument, das für einen Kauf sprechen würde. Das Galaxy Tab 10.1 ist eindeutig die bessere Wahl (siehe auch den WebStandard-Test), wenn man sich jetzt ein Android-Tablet zulegen will. Auch der Preis des Xoom spricht nicht für das Tablet. Die WLAN-only-Version ist in Österreich ab 567 Euro erhältlich. Mit 3G an Bord fängt der Preis des Xoom bei hiesigen Händlern bei etwa 640 Euro an. (Birgit Riegler/derStandard.at, 13. Juni 2011)