Seinem Finger geht es besser als seinen Plakaten, dabei ist der in dicken Verband gewickelt. "Nur eine kleine Entzündung", sagt Bernhard Krall über seinen weiß verpackten Zeigefinger. Die zerfetzten Plakate vor der Wiener Universität beschäftigen den Spitzenkandidaten der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) mehr.

Foto: kap

"Aggressionen gegen alles, was ideologisch nicht links der Mitte ist", wirft Krall bestimmten Fraktionen vor und vermutet die politische Konkurrenz im ÖH-Wahlkampf hinter dem Vandalismus. "Unsere Plakate haben prinzipiell eine Lebensdauer von zwei Minuten", sagt auch der AG-Pressesprecher Stephan Mlczoch. "Vorm Neuen Institutsgebäude drehen wir uns um, und sie reißen die Plakate runter."

Foto: kap

Die AG hält 33 Prozent der Stimmen, das sind 22 der 85 Mandate im Studentenparlament. Aber: Die größte Fraktion könnte wie schon 2009 nicht in die Exekutive kommen. Die bildet derzeit die GRAS gemeinsam mit dem VSSTÖ und der Fachhochschüler-Vertretung FEST. Darum will die AG mit dem Vorarlberger Krall nicht nur den Wahlsieg wiederholen, sondern auf rund 40 Prozent zulegen, um eine Koalition auch ohne grüne und rote Fraktion zu schaffen. Prozente seien aber "nicht das Wahlziel", sagt Krall.

Foto: kap

Krall beginnt den Tag am Juridicum, wo die AG für die Anwälte von morgen einen Cocktail-Stand betreibt, zieht weiter zur Hauptuni und schließlich zum Campus des Alten AKH (Bild) - immer vorbei an zerfetzten Plakaten.

"Ich bin froh, dass ich in dem Wahlkampf nicht angespuckt worden bin", sagt Krall. Als AG-Spitzenkandidat muss man offenbar einiges erdulden.

Foto: kap

Am Schottentor erblickt Krall mit seinen Mitstreitern gleich einmal ein zerfleddertes Plakat. "Das ist noch harmlos", findet Pressesprecher Mlczoch (Bild). Der JVP-Funktionär Adrian Korbiel erzählt: "Die Holzständer vor zwei Jahren haben sie eingetreten. Jetzt sind sie aus Metall." Selbst dies schützt die Wahlplakate nicht immer. "Der neue Schmäh ist, den ganzen Ständer wegzuräumen", sagt Mlczoch.

Foto: kap

Während die jungen AG-Wahlkämpfer zum Alten AKH schreiten, ist viel vom "Fetzen" die Rede. Gemeint ist, dass die Plakate unsanft und vorzeitig entfernt werden - und die Wahlbotschaften der AG buchstäblich in Fetzen hängen. "Dass sie das mit dem Zugangsmanagement vielleicht aufregt", sei Krall ja noch irgendwie begreiflich. "Aber dass sie Plakate für die Bachelor-Anerkennung fetzen, verstehe ich nicht."

Foto: kap

"Zugangsmanagement" ist einer von Kralls Schlagern in einem nicht immer einfachen Wahlkampf. "Die AG spricht sich für faire Zugangsregelungen in überlaufenen Studienrichtungen aus", steht auf der Homepage. Ob die AG also - wie die ÖVP - Zugangsbeschränkungen wolle? Krall sagt: "Die Grenzen gehören ausgeweitet, es braucht aber ein Management. Dort wo die Kapazitäten nicht reichen, ist das grundvernünftig. Grundsätzlich soll jeder studieren können, was er will. Wir brauchen mehr Studierende, das geht aber nur, wenn die Mittel da sind." Die semantische Verrenkung erinnert ein wenig an jene der SPÖ Ende 2009, die Journalisten einen dramatischen Unterschied zwischen "Zugangsregelungen" und "Zugangsbeschränkungen" weismachen wollte.

Foto: kap

Krall glaubt aber, dass sein von GRAS und VSSTÖ bekämpfter Vorstoß des Zugangsmanagements gut ankommt. "Die Leute auf der WU haben gemeint: Endlich sagt das einmal wer." Er argumentiert, dieses Auswahlverfahren sei sozial gerechter als lange Eingangsphasen. "Wir schenken reinen Wein ein", sagt er. "Nehmen wir die Mediziner: Habe ich nicht mehr Leichen, kann ich auch nicht mehr sezieren. Ich würde gerne sehen, ob die anderen Fraktionen, die die Aufnahmetests für Medizin-Studenten abschaffen wollen, sich tatsächlich noch unters Messer von so einem Absolventen legen."

Foto: kap

Im Alten AKH werden die meist kommunistischen Überklebungen abermals mit Leim bespachtelt. Es wird zurück geklebt. Trotzdem betont Krall: "Die Grundstimmung ist positiv." Andere Fraktionen wie der VSSTÖ würden die erfolgreiche AG imitieren. Die AG stellte immer ihren Service - die Hilfe bei Anmeldungen, bei strittigen Prüfungen etc. - in den Mittelpunkt ihrer Politik. "Vor zwei Jahren war 'Service' noch verpönt. Jetzt plakatiert das auch der VSSTÖ", sagt Krall.

Foto: kap

Auffallen ist Trumpf im Wahlkampf: Eine AG-Wahlkampfhelferin übt sich in der Kunst des "Planking". 2009 gingen nur knapp 26 Prozent aller Studenten zur ÖH-Wahl. Die AG-Funktionäre glauben, eine höhere Beteiligung würde ihre Chancen verbessern, eine Koalition gegen GRAS und VSSTÖ zu erzwingen.

Foto: kap

Auch die Konkurrenz will um jeden Preis auffallen. Vor dem Wiener Juridicum begrüßen die Jungen Liberalen mit "Wie beschissen ist deine Uni?"

Foto: kap

Die Verbal- und Plakat-Injurien gegen die AG liegen in erster Linie an der Nähe zur ÖVP. "Dann sollen's die Verbindungen zur ÖVP kappen, wenn sie die Trennung wirklich ernstnehmen", ärgert sich etwa Martin Maurer (Bild), der gerade vor der Hauptuni marxistische Flyer verteilt. Die ÖVP stehe für "Studiengebühren und Elitenbildung", die AG für "ihre Feindschaft gegen die Studentenproteste". Krall sagt hingegen: "Es wird populistisch eingesetzt, wir seien von der ÖVP. Das stimmt nicht."

Foto: kap

Kritische Töne gegen die Volkspartei spart Krall dennoch lieber aus. Michael Spindelegger? "Erfreulich, dass ein Europapolitiker neuer ÖVP-Obmann ist." Wünsche an die ÖVP? "Keine Wünsche speziell an die ÖVP. Was in der Politik schiefläuft, läuft in allen fünf Parteien falsch." Krall spricht lieber über die Probleme im Land als über jene der ÖVP.

Foto: kap

Währenddessen berichtet sein AG-Mitstreiter Thomas Fussenegger (Bild) vorm Juridicum von den Niederungen des ÖH-Alltags. "Es ist nie genug", ärgert sich der 32-jährige Jus-Student aus Tirol. Als er in der Zeitschrift "Juristl" im Oktober einen Leserbrief über Gender Mainstreaming drucken wollte, entzog Janine Wulz, heute GRAS-Spitzenkandidatin, ihm das Geld für die Druckkosten. "Ich habe damit gerechnet, dass ich ihn 'übergendern' muss, aber nicht damit, dass sie ihn rauswerfen", erzählt Fussenegger. "Dann habe ich ein Kreuzworträtsel reingetan - Lösungswort: 'Zensur'."

Foto: kap

Anekdoten wie diese verärgern auch Krall. Am Mitwirken der amtierenden ÖH-Spitze bei den Studentenprotesten von 2009 kann er nichts Gutes finden. "Dass der Wahnsinn immer weiter gegangen ist, dazu hat die ÖH beigetragen. Das Image der Studenten haben sie damit durch den Dreck gezogen."

Foto: kap

Die geringe Wahlbeteiligung erklärt sich Krall damit, dass die ÖH "thematisch zu weit weg von den Studenten ist". Wäre dies anders, hätten die Studenten kein Problem damit, ihre Interessen durchzusetzen "wie die Rechtsanwaltskammer, die Ärztekammer etc." Dass diese Berufsgruppen mehr Geld und Einfluss hätten, lässt er nicht gelten. "Studenten werden auch einmal einflussreich." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 20.5.2011)

Foto: kap