Als Dominique Strauss-Kahn 2007 Direktor des Internationalen Währungsfonds wurde, konnte Europa von Glück reden. Er reformierte die starre, gealterte Institution und machte sie zum Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Krisenbewältigung. Liberale Ökonomen heulten auf, als Strauss-Kahn von den Staaten Mut zum Haushaltsdefizit einforderte. Doch die Weltwirtschaft schaffte die Kurve, und mit ihr das alte Europa, das an seinen Rändern gefährlich zu bröckeln begonnen hatte.

DSK, wie er genannt wird, wurde ins Gefängnis gebracht - und der Schock im Währungsfonds sitzt tief. Sein Rücktritt zerstört nicht nur seine Karriere, sondern auch sein wirtschaftspolitisches Erbe. Er machte den IWF sozialer, etwa, indem er den ärmsten Ländern zinslose Darlehen gab. Sein Rücktritt dürfte "orthodoxen" Kräften Auftrieb verleihen.

Wegen der Wirtschaftskrise wollten auch Keynesianer wie Strauss-Kahn die Budgetschrauben anziehen. Wie sein sozialdemokratischer Ansatz drohen nun auch Europas Interessen auf der Strecke zu bleiben. Die wenig erbaulichen Motive für die Verhaftung Strauss-Kahns sind nicht dazu angetan, die Position der Europäer gegenüber anderen Erdteilen zu stärken, wo man den alten Kontinent mehr denn je als dekadenten Sündenpfuhl sieht.

Egal ob die Europäer nochmals den IWF-Vorsitz stellen werden: Nicht nur die Griechen werden Strauss-Kahn eine Träne nachweinen.(Stefan Brändle, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.5.2011)