Moskau/Jerusalem - Zu einer schweren diplomatischen Verstimmung ist es zwischen Israel und Russland gekommen. Moskau hat dem israelischen Militärattaché Spionage vorgeworfen und ihn des Landes verwiesen. Russische Medien berichteten am Donnerstag, der Luftwaffen-Oberst Vadim Liederman werde der Industriespionage verdächtigt. Er habe „einigen israelischen Rüstungsfirmen auf dem russischen Markt sehr aktiv geholfen", zitierte die Agentur RIA-Nowosti einen namentlich nicht genannten russischen Geheimdienstmitarbeiter. Russische Behörden äußerten sich bisher nicht offiziell zu dem Vorfall. In Israel wurde heftig über die Hintergründe der Affäre spekuliert. Nach Medienberichten waren große diplomatische Anstrengungen unternommen worden, um Moskau zu beschwichtigen und von der Ausweisung des Militärattachés abzubringen.

Israel: Vorwürfe unberechtigt

In Jerusalem gaben das Verteidigungsministerium und das Oberkommando der Streitkräfte bekannt, der Militärattaché sei vergangene Woche unter dem Verdacht der Spionage festgenommen und verhört worden. Die israelischen Sicherheitsbehörden hätten den Fall gründlich untersucht und seien zu dem Schluss gekommen, dass die Vorwürfe jeder Grundlage entbehrten. Der Attaché hätte ohnehin in zwei Monaten den Posten gewechselt. Einer Einschätzung zufolge hatte Moskau vergeblich versucht, den in der UdSSR aufgewachsenen Liederman als Doppelagenten zu ködern. Ein weiterer Erklärungsversuch lautete, Israel habe sich auf Druck aus Washington geweigert, Russland die modernste Variante seiner unbemannten Drohnen zu verkaufen.

Land verlassen

Nach israelischen Medienberichten wurde Liederman beim Mittagessen mit einem Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau von russischen Agenten festgenommen. Anschließend sei er zum Verhör ins Hauptquartier des Geheimdienstes gebracht worden. Wegen seines Diplomatenpasses habe man ihn nicht verhaften können. Er sei aber aufgefordert worden, das Land binnen 48 Stunden mit seiner Familie zu verlassen.

Die israelische Zeitung „Maariv" berichtete, der Militärattaché habe am Tag vor seiner Festnahme Mitglieder des israelischen Parlamentsausschusses für Außen- und Sicherheitsfragen sowie einen Militärvertreter begleitet, der für den Waffenhandel mit Russland zuständig sei. Nach Angaben der israelischen Armee musste sich Liederman nach seiner Ankunft in Israel einem Test mit einem Lügendetektor unterziehen. Dieser habe ergeben, dass er die Wahrheit gesagt habe.

Frühere Affären

In den 1990er-Jahren war Reuven Daniel, ein Agent des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, in der Moskauer Metro festgenommen worden. Seither hatte es keine größeren Spionageaffären zwischen den beiden Ländern gegeben.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu war zuletzt im März in Moskau und hatte damals die russische Regierung eindringlich zu einer größeren Distanz gegenüber dem Iran, Syrien und der palästinensischen Hamas aufgefordert. Russland bildet zusammen mit den USA, der UNO und der EU das sogenannte Nahost-Quartett und stuft die Hamas nicht als terroristisch ein. Deren Chef Khaled Mashaal wurde zum Ärger der Israelis wiederholt in Moskau empfangen.

Die russische Regierung hatte kürzlich mit großer Genugtuung auf das Zustandekommen des palästinensischen Versöhnungsabkommens in Kairo reagiert und den eigenen Beitrag dazu hervorgehoben. Präsident Dmitri Medwedew hatte im Jänner das Westjordanland besucht und an Israel appelliert, den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau einzustellen. Medwedew hatte sich energisch für die Einbeziehung der im Gazastreifen herrschenden Hamas in den Friedensprozess ausgesprochen, was von Israel wegen der Weigerung der islamistischen Bewegung, den jüdischen Staat anzuerkennen, abgelehnt wird. (APA/dpa/AFP)