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Plakat mit Monty Python-Anspielung.

Foto: Reuters/Susana Vera

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Dauerproteste auf der Puerta del Sol in Madrid: Studenten und Arbeitslose machen für Demokratiereformen mobil.

Foto: EPA/Pablo Talamanca

"Die Polizei hat uns mit der Räumung einen Riesengefallen getan", sagt Paloma - völlig übermüdet, aber zufrieden. Die 26-jährige Biologin ist seit Beginn der Jugendproteste dabei, die auch weltweit Aufsehen erregen. Am Sonntag demonstrierte die junge Frau mit Zehntausenden in Spaniens Hauptstadt Das Motto: "Democracia Real Ya!" - "Echte Demokratie jetzt!" Danach blieb sie mit ein paar Hundert auf dem zentralen Platz Puerta de Sol. Den räumte die Polizei in der Nacht auf Dienstag. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht im Netz. Über 10.000 kamen am Dienstagabend wieder, 5000 blieben über Nacht.

Seither ziert die Puerta de Sol ein improvisiertes Camp mit Sonnendächern, Schreibtischen, Feldküche, Werkstätten und Diskussionszirkeln . Sie wollen bis zu den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag ausharren.

Wir haben diese Krise nicht gemacht, aber jetzt sollen wir sie bezahlen", erklärt Paloma, warum sie dem Protestaufruf in Facebook folgte. Die junge Frau gehört zu dem, was in Spanien die "verlorene Generation" genannt wird. Seit Ende des Baubooms und dem Beginn der Finanzkrise sind in Spanien 20 Prozent ohne Erwerbsarbeit. Unter jungen Menschen sind es mehr als doppelt so viele. Paloma, die mit 19 von zu Hause auszog, schlägt sich mit "schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs und einem Kredit der Eltern" durch, "bis ich hoffentlich eine Doktorandenstelle in der Forschung finde".

"Wahrscheinlich muss ich ins Ausland", sagt sie. Der Satz schmerzt in einem Land, in dem die Großväter- und Elterngeneration zu Hunderttausenden als Gastarbeiter ihr Glück suchen mussten. "Irgendwie bin ich es meinen Eltern schuldig, hier dabei zu sein. Sie haben gegen eine Diktatur gekämpft für ihre Rechte. Jetzt werden diese Errungenschaften abgebaut." Paloma zählt auf: Gehälter im öffentlichen Dienst wurden gekürzt, Renten eingefroren, das Kindergeld gestrichen, die letzten lukrativen Staatsunternehmen privatisiert und den Reichen Steuergeschenke gemacht.

"Wir sind keine Ware in den Händen der Märkte", steht auf einem Plakat. "Gewalt ist, 600 Euro im Monat zu verdienen!" auf einem anderen. Irgendwo dazwischen steht Andrés mit seinem Campingtisch mit Tageszeitungen. "Wir leben in einer politischen Farce", erklärt der 28-jährige Chef des "Lesesaales". Andrés ist Soziologe und seit eineinhalb Jahren arbeitslos. "Die Politiker sind völlig abgehoben", geißelt er die Wahlkampagnen zu den Kommunalwahlen, bei denen die großen Parteien einander die Schuld an der Krise zuschieben. "Gleichzeitig kandidieren 260 Politiker, die der Korruption angeklagt oder in erster Instanz verurteilt sind, bei allen Parteien", zitiert Andrés.

"Brutales Zweiparteiensystem", urteilt Fabio Gandara, einer der Gründer der vor drei Monaten gegründeten Plattform "Echte Demokratie - jetzt!" Der arbeitslose Anwalt schimpft auf die neoliberale Wirtschaftskrisenpolitik und redet von Steuern auf Finanztransaktionen. Die Politik sei längst "in den Händen der internationalen Märkte". Nach den Wahlen will die Demokratie-Plattform für ein neues Wahlsystem mobilisieren. Derzeit sind Kleinparteien ohne Chance. Die dritte Kraft, die Vereinigte Linke, hat mit einer Million Stimmen zwei Mandate. Die regierende sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular mit je zehn Millionen Wählern haben 169 bzw. 152 Sitze - fast die Hälfte des Parlaments. (Reiner Wandler aus Madrid, STANDARD-Printausgabe, 19.5.2011)