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Martin Balluch im Schweinekäfig: In heimischen Zuchtbetrieben sollen sie abgeschafft werden, fordern Tierrechtsaktivisten.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

In Österreich geht es um ein Schweine-Kastenstand-Verbot, international etwa um Pelzzuchten und Hundeasyle. 

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Wien - Nur zwei Tage waren seit den (vorläufigen) Freisprüchen beim Wiener Neustädter Tierschützerprozess vergangen, da ließ sich Hauptbeschuldigter Martin Balluch freiwillig einsperren. Auf dem Stephansplatz inmitten Wiens setzte er sich jenen Bedingungen aus, die Zuchtsauen in Schweinemastbetrieben während rund zwei Dritteln ihres Lebens über sich ergehen lassen müssen.

Fixiert in einem eisernen Käfig, dem sogenannten Kastenstand, der nach oben hin nur das Aufstehen, seitlich nur knapp das Niederlegen ermöglicht, harrte der 46-jährige Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) 24 Stunden aus. Um der aktuellsten Forderung heimischer Tierschutz- und Tierrechtsaktivisten Ausdruck zu geben: Der Abschaffung des Kastenstandes bei Österreichs Schweinemästern, den Produzenten des heimischen Schnitzelfleisches.

Balluch: "Kastenstand eindeutig Tierquälerei"

Der Kastenstand, so Balluch, sei "eindeutig Tierquälerei". Erfunden, um zu verhindern, dass hochgezüchtete Muttersäue beim Niederlegen ihre Ferkel erdrücken, setze er die Säue körperlichen Qualen aus und verhindere ausreichend Kontakt der Ferkel mit dem Muttertier. Ein Verzicht sei durchaus möglich, auch unter Bedingungen professioneller Schweinemast. Das zeige sich in der Schweiz, wo diese Praktiken vor über zehn Jahren abgeschafft wurden.

Von Österreichs Schweinemästern wird diese Sicht der Dinge heftig zurückgewiesen: Der Kastenstand sei eine "absolut notwendige Ferkelschutzeinrichtung", entgegnete ein Züchter jüngst bei einer Diskussionsveranstaltung. Die Branche sieht sich derzeit durch Mega-Schweinezuchtprojekte nach dänischem und niederländischem Vorbild schwerem Druck ausgesetzt: Wirtschaftet ein heimischer Schweinebauer mit rund 70 Zuchtsauen, so sollen es in neuen, riesigen Schweineproduktionskomplexen 1000 Säue und mehr sein.

Unter Tierschützen hingegen steht der Tierrechtler und Veganer Balluch nicht alleine da. Auch für Madeleine Petrovic, die Präsidentin des etablierten Wiener Tierschutzvereins, Helmut Dungler, Obmann den breitenwirksamen Vereins "Vier Pfoten" und Christoph Mackinger von der anarchistisch orientierten Basisgruppe Tierrechte (Bat) - der sich wie Balluch in Wiener Neustadt vor Gericht verantworten musste - ist der fragwürdige Umgang mit Mastschweinen eine Priorität.

Gegen den Fleischhunger

Man müsse über die Ursachen derartiger Zustände nachdenken, meinen sie. Über die industrialisierte Nutztierproduktion, um den weltweit steigenden Hunger nach Fleisch, vor allem in den Schwellenländern, zu stillen. Für die kommenden 30 Jahre würden Experten eine "Verdopplung des Fleischkonsums" vorhersagen, erläutert Vier-Pfoten-Obmann Dungler.

Dies sei für Tiere, Menschen und die Ökologie des Planeten gleichermaßen problematisch. Also gelte es, umzudenken, hier und jetzt: "Ein kleiner, reicher Staat wie Österreich sollte bei der Fleischproduktion auf Qualität statt Quantität setzen. Das Fleisch muss sich im Preis verdoppeln", meint Dungler. Und ruft bisherige Erfolge der heimischen Tierschutzbewegung in Erinnerung, für die ebenfalls eigene Wege beschritten worden seien: das Hühnerbatterieverbot oder die Regelung, dass Zirkusse in Österreich keine Wildtiere halten dürfen.

In der Kastenstandfrage indes bietet die Volksanwaltschaft den Tierrechtsaktivisten Schützenhilfe. In einer "Missstandsfeststellung und Empfehlung" vom September 2010 kommen alle drei Anwälte zu dem Schluss, dass die Käfighaltung von Zuchtsäuen dem Tierschutzgesetz widerspricht. Derzeit, so Heidi Bacher aus dem Büro des Volksanwalts Peter Kostelka, würden Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium über eine neue Verordnung verhandeln.

Doch während Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) einer Kastenstand-Einschränkung positiv gegenübersteht will man im Büro des Landwirtschaftsministers Nikolaus Berlakovich (ÖVP) "nichts gegen den Willen der Schweinezüchter tun". Der Konflikt verlagert sich zusehends aus dem Aktivistenmilieu hin in die hohe Politik: Am Dienstag kritisierten SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim und SPÖ-Tierschutzsprecher Dietmar Keck die neueste Kampagne der niederösterreichischen Schweinebauern, die sich darin für den Kastenstand einsetzen. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 18.5.2011)