Vor kurzem hatte der Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad bei der Jahrestagung gesagt, wenn Banken hohe Gewinne machten, so löse das Neid aus, "auch Steuerneid". Aber höhere Eigenkapitalvorschriften könnten nur so erfüllt werden. "Oder will man am Ballhausplatz, dass auch wir - wie Bank Austria und Bawag - ans Ausland berichten und von dort gesteuert werden?"

Der Anlass und der Hintergrund war derselbe wie bei Erste-Chef Andreas Treichl, nur hatte der die Politiker ungleich deftiger als "feig", "blöd" und "ahnungslos" bezeichnet. In Treichls Ausbruch fokussiert sich eine tiefe Verstimmung zwischen denen, die sich als wirtschaftliche Spitzenleister verstehen und den Regierungspolitikern, die als Minderleister betrachtet werden.

Die Argumentation lautet: Wir haben gerade jetzt die Krise erstaunlich gut bewältigt, aber ihr in der Politik schafft nicht die notwendigen Zukunftsreformen, z. B. eine Bildungspolitik, die uns Lehrlinge bringt, die lesen, schreiben und rechnen können. Speziell an die Sozialdemokratie gerichtet: Weil ihr keine anderen Themen habt, stellt ihr uns als "die Superreichen" und die "Finanzspekulanten" dar, denen man mit einer Vermögens-substanzsteuer zu Leibe rücken müsse.

Es ist noch nicht so lange her, da steuerte die Politik, und auch die Sozialdemokratie, gegenüber der Wirtschaft einen konsensualen Kurs. Motto: Ihr schafft Werte (und Arbeitsplätze), wir sekkieren euch dafür nicht allzu sehr, weder mit Belastungen, noch mit Beleidigungen. Es war der Ex-Banker Franz Vranitzky und sein "linker" Finanzminister Ferdinand Lacina, die a) eine Teilprivatisierung der verstaatlichten Industrie einleiteten, b) die Vermögens(substanz)steuer abschafften undc) die Stiftungskonstruktionen ermöglichten.

Das hat hat sich gründlich geändert. "Die Wirtschaft" ist daran nicht unschuldig. Vor allem die Industriellenvereinigung setzte auf Schwarz-Blau. Schüssel/Haider/Grasser wollten aber die SPÖ und die Gewerkschaften zerstören. Das ist unvergessen. Gleichzeitig fuhr besonders die Industrie einen scharfen Abspeck-Kurs beim Personal, teils um im Wettbewerb zu überleben, teils, weil es fesch war und die Gewinne erhöhte.

Dennoch denkt die Faymann-Truppe zu kurzfristig-populistisch: Banken- und Reichen-Bashing zieht, also machen wir es. Die ÖVP, ÖAAB-dominiert, weiß nicht, wie sie reagieren soll. Überdies haben viele Politiker echt keine Ahnung von Wirtschaft.

"Die Wirtschaft" verfiel in Gedankenspiele über die Gründung einer neuen wirtschaftsfreundlichen Partei (von der FPÖ ist man eher geheilt). Man hat aber keine Führungsfigur(en). Als reine Wirtschaftslobby hätte eine solche Partei keine Chance.

Aber nicht nur Generaldirektoren und Kommerzienräte sind tief verunsichert und auch wütend über die mangelnde Zukunftsfähigkeit der etablierten Politik. Es gibt ziemlich viele "kleine Treichls" da draußen: Personen in mittleren Einkommens-, Vermögens-, Karrierepositionen, die angesichts der Kombination aus Lähmung und populistischem "Leistungsträger" -Bashing zutiefst frustriert sind. (Hans Rauscher, DER STANDARD; Printausgabe, 18.5.2011)