Unterwegs zur Königswahl: Denis Podalydès und Florence Pernel als Ehepaar Nicolas und Cécilia Sarkozy.

Foto: Festival du Cannes

Zumindest der Titel des Films ist zutreffend: La Conquête zeigt, wie Nicolas Sarkozy (dargestellt von Denis Podalydès) die "Königswahl" Frankreichs 2007 gewinnt und zum mächtigsten Mann im Staat aufsteigt. Und wie er gleichzeitig seine Frau Cécilia Sarkozy (gespielt von Florence Pernel) verliert: "Du brauchst mich nicht mehr, du wirst Präsident sein".

Nur einige Szenen waren bekannt, ehe der Film nun in Cannes außer Wettbewerb gezeigt wird. Nicht einmal Sarkozy soll ihn vorher gesehen oder gar Einfluss genommen haben, wie Regisseur Xavier Durringer versichert. Allerdings, so Durringer, hatte er große Mühe, den Film zu finanzieren: Die - von Sarkozy eingesetzte - Direktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens France Télévisions verweigerte jede Subvention.

Schon vor seinem Erscheinen sorgte der Film für Gesprächstoff. Er bricht mit dem Tabu, dass ein amtierender Präsident nicht Gegenstand einer Fiktion sein kann. François Mitterrands Leben wurde erst nach seinem Ableben verfilmt. Dass die Hemmschwelle bei Sarkozy fällt, der seine biedere, teils vulgäre Seite nicht immer verhehlen kann oder mag, ist kein Zufall: Ihn schützt keine präsidiale Aura oder Autorität eines De Gaulle oder Pompidou.

So sieht das Kinopublikum seinen Präsidenten, der wegen der kritischen Bemerkung eines Beraters türknallend schreit: "Vergesst nicht, ich bin ein Ferrari. Wenn ihr die Motorhaube öffnet, dann nur mit weißen Handschuhen."

Dieser Ausspruch wird Sarkozy schon seit Jahren nachgesagt; bestätigen kann ihn aber niemand. Darin liegt die Problematik des Films, der sich "Politfiktion" nennt: Es lässt sich nicht sagen, was wahr ist und was nicht. Sarkozy böte eher Stoff für einen spannenden Dokumentarfilm - oder für ein Pamphlet. La Conquête kann sich nicht entscheiden und behält das eine Bein in der Realität, das andere in der Fiktion.

Diese Verwischung der Grenzen ist dem Porträtierten selbst nicht geheuer: Sarkozy erklärte letzte Woche, er werde sich den Film - anders als seine Frau Carla Bruni - nicht anschauen. Die Begründung klingt etwas seltsam für einen narzisstischen Politiker wie Sarkozy: "Ich werde mir den Film nicht ansehen, um meine geistige Gesundheit zu schützen. Der Narzissmus ist nie die Lösung, zu viel Narzissmus macht einen verrückt", bekannte er in einem TV-Magazin. Außerdem, fügte der französische Präsident an, habe er es nicht nötig, sich "als fiktive Person vorzustellen, um den Anteil an Kreation, ja Kunst zu kennen, den die Rolle eines Staatspräsidenten enthalten kann - zum Beispiel, wenn man in einem Wahlmeeting Emotionen kreiert."

Diese Bemerkung über seine politische Bauernfängerei ist letztlich entlarvender als der ganze Film. Sarkozy, der sein Metier schon öfters mit der Schauspielerei verglichen hat und seine innere Wunschwelt oft genug für bare (politische) Münze nimmt, spielt seit jeher seinen eigenen Film. Unnötig, ihm deshalb einen Spielfilm zu widmen. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 18. 5. 2011)