Gottfried Hirz: "Mit dem Verbot kann man nicht die Zahl der Süchtigen verringern, mit der Legalisierung auch nicht steigern. Man kann die Diskussion also nicht auf die moralische Ebene heben, sondern versuchen, pragmatische Lösungen zu finden."

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Fast zwei Jahrzehnte war das kleine Glücksspiel in Oberösterreich verboten. Nun wurde es wie in anderen Bundesländern auch legalisiert. Auch mit den Stimmen der Grünen. Warum das kein Sündenfall gewesen sei und weshalb er auch die Legalisierung von Cannabis sinnvoll fände, erklärt der oberösterreichische Klubchef Gottfried Hirz im Gespräch mit Rainer Schüller.

derStandard.at: Auch innerhalb der Partei finden manche die grüne Zustimmung zur Legalisierung des kleinen Glücksspiels in Oberösterreich verwerflich. Sie nicht?

Hirz: Das sehe ich nicht so. Es haben alle vier Parteien im Landtag mitgestimmt. Die Gespräche waren dabei sehr konstruktiv. Es ist dabei nicht darum gegangen, dass wir uns am Leid der Menschen bereichern wollen, sondern dass es Handlungsbedarf gab.

derStandard.at: Worin bestand der Handlungsbedarf?

Hirz: Wir waren über 18 Jahre ein Verbotsland. Das Verbot hat aber nicht gewirkt. Im Gegenteil: Die Schattenwirtschaft und die Begleitkriminalität haben profitiert.Wir haben trotz Verbot nicht weniger Spielsüchtige als die anderen Bundesländer, wie eine Studie der Arge Suchtvorbeugung zeigt. Das heißt: Mit dem Verbot kann man nicht die Zahl der Süchtigen verringern, mit der Legalisierung auch nicht steigern. Man kann die Diskussion also nicht auf die moralische Ebene heben, sondern versuchen, pragmatische Lösungen zu finden.

derStandard.at: In der Opposition wären die Grünen vermutlich nicht so pragmatisch gewesen, oder hätten sie da auch zugestimmt?

Hirz: Das ist eine Konjunktiv-Frage. Ich gehe davon aus, dass wir zugestimmt hätten.

derStandard.at: Warum war es so schwierig, das Verbot umzusetzen?

Hirz: Wir hatten bis jetzt rund 3.500 illegale Spielautomaten und 500 Wettlokale bei 444 Gemeinden. Es wurden bis zu 250 Automaten pro Jahr beschlagnahmt. Aber: Kein einziges Strafverfahren ist erfolgreich verlaufen. Oft war es so, dass die Spielsumme so hoch war, dass man schon ins große Glücksspiel hinein gefallen ist. Wenn ein Verbot nicht exekutierbar ist, ist es legitim die Legalisierung zu überlegen. Deshalb war die Frage, ob es nicht klüger ist, das kleine Glücksspiel zu legalisieren und die Kontrollen stärker zu machen, um gegen die illegalen Automaten besser vorzugehen.

derStandard.at: Wieso wurden die Kontrollen nicht einfach ohne Legalisierung verstärkt?

Hirz: Die Landessicherheitsdirektion hat uns immer wieder versichert, dass es durch die Nicht-Kennzeichnung der Automaten nicht möglich war. Die Exekutive hat erklärt, dass sie sich außerstande sieht, das Verbot in dieser Form zu exekutieren.

derStandard.at: Warum sollte das nun besser gehen?

Hirz: Es gibt jetzt auch die SOKO Glücksspiel und die Automaten brauchen entsprechende Genehmigungen. Die Geräte sind mit der Finanzbehörde direkt verbunden, sodass nachvollziehbar ist, um welche Geldsummen gespielt wird. Spielen wird nur mit Spielkarten inklusive Lichtbildausweis von Volljährigen erlaubt sein und es wird eine Tageshöchstspieldauer von drei Stunden mit Cool-Down-Phase geben. Bei Verstößen wird den Betreibern die Lizenz entzogen. Außerdem wird es eine verstärkte Suchtberatung geben.

derStandard.at: Gilt das auch für Sportwetten?

Hirz: Nein. Der Bereich der Sportwetten ist davon nicht betroffen, weil diese nicht unter Glücksspiel laufen, was aber meiner Meinung nach unbedingt notwendig wäre. Auf diese Bundesregelung haben wir als Land aber keinen Einfluss.

derStandard.at: Wieviele legale Automaten soll es geben?

Hirz: Insgesamt dürfen 1173 Automaten landesweit aufgestellt werden, die Betreiber werden mittels europaweiter Ausschreibung bestimmt. Die Rollout-Phase der Automaten beginnt ab Mitte 2012.

derStandard.at: Wie soll kontrolliert werden, ob die Maßnahme erfolgreich ist?

Hirz: Nach drei Jahren ist eine entsprechende Evaluierung geplant.

derStandard.at: Wieviele Steuereinnahmen werden erwartet?

Hirz: Es werden zwischen 8 und 17 Millionen Euro pro Jahr sein, wobei 40 Prozent die Gemeinden nach dem Einwohnerschlüssel bekommen werden. Es ist aber noch nicht ganz klar, was reinkommt.

derStandard.at: Finden Sie es nicht seltsam, wenn auf dem Rücken Süchtiger Steuern für das Land lukriert werden?

Hirz: Ich sehe es bei der Summe nicht wirklich als Geldeinnahmequelle.

derStandard.at: 17 Millionen Euro sind aber schon eine nette Summe.

Hirz: Bei 4,5 Milliarden Landesbudget ist die Legalisierung des kleinen Glücksspiels nicht dazu da, um Geld einzutreiben.

derStandard.at: Was sagen Ihre Grünen Kollegen dazu?

Hirz: Ich weiß, dass ich hier eine andere Position einnehme als die Grünen im Bund oder in anderen Landesorganisationen. Ich finde es aber genauso verantwortungslos zu glauben, dass man gegen das Glücksspiel mit gesetzlichen Verboten etwas tun kann, wenn die Polizei sagt, dass sie diese nicht exekutieren kann.

derStandard.at: Von Seiten der oberösterreichischen Grünen hat es überhaupt keinen Widerstand gegeben?

Hirz: Wir haben uns natürlich eingebracht. Wir haben aber gleichzeitig gesagt, wir können uns die Legalisierung vorstellen, um die Situation in eine geordnete Bahn zurück zu lenken.

derStandard.at: Mit dem Nebeneffekt der Steuereinnahmen.

Hirz: Ja. Warum hätte es man so lassen sollen, dass man den Betreibern den Gewinn lässt? Ich weise aber zurück, dass das die Motivation der Grünen in Oberösterreich gewesen ist. Wir haben jetzt nur gemacht, was die umliegenden Bundesländer auch machen.

derStandard.at: Wenn eine Familie mit einem spielsüchtigen Vater in finanzielle Not gerät, wie erklären Sie dieser Familie die Legalisierung?

Hirz: Wie erklären Sie dem, dass der Bund das große Glücksspiel legalisiert und Steuereinnahmen hat?

derStandard.at: Man muss sich ja den Bund nicht zum Vorbild nehmen.

Hirz: Nehme ich eh nicht, aber ich mache nur darauf aufmerksam. Wir haben legalisiert und haben dieselben Steuersätze genommen, wie die anderen Bundesländer auch. Hätten wir das nicht getan, hätten wir den Spielbetreibern noch eine bessere Situation geschaffen. Es war übrigens auch 1993 ein schwieriger Akt das Verbot durchzusetzen. Da hat es auch Morddrohungen an die Politik gegeben.

derStandard.at: Von wem?

Hirz: Von den damaligen Betreibern.

derStandard.at: Welche Rolle haben jetzt die Betreiber gespielt?

Hirz: Gar keine. Die haben im Endeffekt keine Rolle gespielt.

derStandard.at: Denken Sie, dass die Betreiber bei der bundesweiten Gesetzwerdung eine Rolle gespielt haben?

Hirz: Das kann ich nicht beurteilen, Peter Pilz behauptet das. Ich kann das nicht ausschließen. Für uns in Oberösterreich kann ich es ausschließen.

derStandard.at: Warum können Sie das?

Hirz: Weil ich vor Beschlussfassung mit niemandem geredet habe und auch keine Einflussnahmen passiert sind. Dahinter steckt immer die Unterstellung, dass wir etwas gemacht hätten, weil irgendwelche Firmen das wollten. Das muss ich zurückweisen. Novomatic zum Beispiel ist in Oberösterreich zur Zeit kein Player. Die werden sich bewerben, keine Frage, aber für unseren Raum sind andere Betreiber von Relevanz.

derStandard.at: In Wien werden politische Events von Glücksspiel-Betreibern gesponsert, in Oberösterreich auch?

Hirz: Mir ist nichts bekannt, ich kann das aber für die Grünen mit Sicherheit ausschließen.

derStandard.at: Kommt Ihnen das nicht auch komisch vor: Man erlaubt etwas und richtet dann eine eigene SOKO ein, um das Erlaubte zu kontrollieren. Man stelle sich vor: Der Konsum von Heroin wird erlaubt, eine neue Polizei-Einheit überprüft das.

Hirz: Heroin wäre dann eher vergleichbar mit dem großen Glücksspiel. Der passendere Vergleich wäre mit Cannabis. Ich bin auch für das Legalisieren von Cannabis, da war es auch immer das Argument der Grünen, dass Legalisierung besser ist als Kriminalisierung.

derStandard.at: Wenn Sie dieser Meinung sind, dann wäre es aber konsequent, wenn die oberösterreichischen Grünen im Landtag auch die Legalisierung von Cannabis fordern.

Hirz: Ja, wir können es eh fordern, wir werden im Landtag aber keine Mehrheit dafür finden. Und wir würden es auch nicht beschließen können, weil das Drogengesetz ein Bundesgesetz ist. (derStandard.at, 16.5.2011)