Wer erinnert sich nicht an die kilometerlangen Staus vor dem deutschen Eck oder dem Brenner? Und an die zwei Geldbörsen (eine mit Schilling, die andere mit D-Mark), die man als Bewohner einer Grenzregion oder im Urlaub mit sich schleppte. Oder die spannenden Umrechnungen mit den vielen Nullen beim Eiskauf in Italien.

Genau diese praktischen Erfahrungen zeigen, was die EU in den vergangenen Jahren für jeden verändert hat. Reisefreiheit und gemeinsame Währung sind für jeden Bürger das sichtbarste Zeichen für die Integration Europas. Sie sind neben der von Brüssel erzwungenen Senkung der Flugpreise und der Handy-Roaming-Tarife die greifbarsten Erfolgsgeschichten.

Dass Dänemark nun wieder permanent Kontrollen an den Grenzen einführen will, ist nicht nur ein Verstoß gegen europäische Verträge. Es ist ein Kniefall vor Rechtspopulisten und die Priorisierung nationaler Interessen vor europäischen. Vorausgegangen ist dem ein innenpolitischer Kuhhandel in Dänemark: Die rechtspopulistische DVP hat ihre Zustimmung zur Pensionsreform von der Wiedereinführung von Grenzkontrollen wegen der "zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität vor allem durch Osteuropäer" abhängig gemacht.

Wenn dieses Beispiel Schule macht, zerbröselt die EU. Die FPÖ zollte Dänemark bereits Lob, Barbara Rosenkranz rief dazu auf, Österreich sollte von Dänemark lernen. In 15 Parlamenten der 27 EU-Mitgliedsstaaten sitzen Rechtspopulisten, die diese Erpressung genau verfolgen. Die Begründung für das dänische Vorgehen ist auch in anderen Staaten ein häufig benutztes Argument - nicht nur von rechten Politikern.

Angesichts der Flüchtlinge aus Nordafrika fordern Frankreich und Italien, innerhalb der Schengen-Zone erneut Grenzkontrollen einzuführen - zumindest temporär. Das EU-Parlament legt sich zwar quer, dürfte aber genau deshalb umgangen werden. Die EU-Kommission gab dem Druck der beiden einflussreichen Mitgliedsstaaten aber nach und zeigt sich gesprächsbereit.

Die EU zeigt auf allen Ebenen Erosionserscheinungen. Das Verhalten einiger EU-Staaten angesichts der weiterhin bestehenden Probleme in Griechenland bei der Schuldenbekämpfung beschädigt nicht nur den Euro, sondern die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft. Dass sich nur die großen Länder mit den Spitzen von EZB und Eurogruppe und dem Währungskommissar treffen, ist mehr als ein Affront für die anderen Staaten - insbesondere für Nettozahler wie Österreich.

Dass Frankreich und Großbritannien die von den meisten anderen EU-Staaten und dem zuständigen Kommissar geforderten strengen AKW-Stresstests einfach blockieren können, macht deutlich, wie schwach die Brüsseler Behörde und wie dominant derzeit Frankreich ist. Die Kommission hat auch bei der Abschiebung von Roma aus Frankreich letztlich keine scharfen Maßnahmen gesetzt.

Es zeigt sich, dass sich große Staaten durchsetzen können, nationale Egoismen, Populismus und Wahlkämpfe beschädigen die europäische Idee nachhaltig. Man muss nicht, wie der US-Amerikaner Jeremy Rifkin in seinem bekannten Buch, vom "Europäischen Traum" schwärmen. Man muss auch nicht immer die EU als Friedensgarant auf dem Kontinent preisen. Es reicht schon, sich häufiger daran zu erinnern, wie es früher war mit Grenzkontrollen und vielen Währungen. (Alexandra Föderl-Schmid, STANDARD-Printausgabe, 13.5.2011)