Die Buchhandlung Walther König wurde gleich bei der "Temporary Sales Zone" platziert und unterstreicht die Wichtigkeit theoretischer Kontexte: ein Statement.

Foto: Husar / Reed Exhibitons

Wien - Das Gute an vorsichtiger Skepsis ist: Man kann positiv überrascht werden. Viel hörte man im Vorfeld der Viennafair von einer offenen Gestaltung, kommunikativen Foren und Ruhezonen. Und man fragte sich, wie das alles ohne Defizite an anderer Stelle bewerkstelligt werden könnte. Am Mittwoch präsentierte sich die von den Besuchern euphorisch aufgenommene Lösung.

Dem Eintretenden springt nicht sofort die Kunst ins Gesicht, sondern einen White Cube andeutende hohe Wände bremsen die Marschgeschwindigkeit aus. Pate standen dafür progressive Architekturkonzepte der 1970er-Jahre von Archizoom und Superstudio, verriet der fürs Raumkonzept verantwortliche Johannes Porsch. Insbesondere Letztere beschäftigten sich kritisch mit der ihrer Ansicht nach zerstörerischen Kraft kommerzieller Architektur.

Piazza mit Ringstraßenbreite

Die kleinen Gartenstückchen mit zarten Birken und Kastanien hätten sich Grünsüchtige zwar üppiger gewünscht. Aber auch hier ging es um ein Zitat: Dan Graham untersuchte in den 1980er-Jahren die Funktion von Gärten an privatwirtschaftlichen, also ökonomisch motivierten Orten. Genau darum ging es ja den neuen Messeleitern Georg Schöllhammer und Hedwig Saxenhuber: das Marktferne in eine kommerzielle Veranstaltung zu integrieren, also ein Hybrid aus Ausstellung und Messe ohne gegenseitige Anbiederung zu schaffen.

Experiment gelungen! Auf der Piazza, die mit 17 Metern Ringstraßenbreite erreicht, wurde wirklich ein großzügiges Flanier- und Kommunikationsareal mit weiten Blickachsen realisiert: Hier ist die Vortrags- und Performancebühne zu finden, wo Pawel Althamer bereits eifrig mit Freiwilligen an einer kollektiven Skulptur arbeitet, ebenso wie die "Temporary Sales Zone" für die sogenannten kunstmarktfernen Künstler. Mit roher Pressspanplatte wurde ein Material ausgesucht, das sowohl Gegenpol zu weißen Galeriekojen ist, als auch üblicher Ausstellungspraxis entspricht. Unter den von Institutionen aus Georgien, Armenien, Moldawien oder etwa auch Kirgisistan vorgestellten, häufig politischen Positionen findet sich etwa jene von Nikita Kadan (VCRC Kiew), die Folterszenen auf Goldrandporzellan gebrannt hat.

Die Ukrainerin Alevtina Kakhidze zeichnet Dinge, die für sie überflüssig oder unleistbar sind, und notiert den Preis: 3,49 Euro für Kaffeelöffel, 1682 Euro für Philippe Starcks Designersessel. Auch ihre Zeichnungen folgen diesen Preisen, und so ist eine dieser beiden Arbeiten schon so gut wie verkauft - so gut wie, denn im Grunde müssen dazu Verkaufspartnerschaften mit Galeristen geschlossen werden. Die waren am Previewtag jedoch selten außerhalb ihrer Kojen anzutreffen.

Diese reihen sich in großzügigen, nicht labyrinthischen Gängen. Heuer wurden erstmals keine Hallenteile abgesperrt. Großzügigkeit also statt Quadratmeterzählen. Und sollte doch einmal die Übersicht fehlen: Westen ist dort, wo ein riesiger Hampelmann mit Konterfeis von Christian Eisenberger und Joseph Beuys von der Decke hängt. Auf Österreichs Messekasperl ist einfach Verlass.

Gelungen der Schwerpunkt zur jungen Kunstszene Istanbul: Insbesondere Artsümer und x-ist lieferten mit jungen Künstlerinnen wie Nalan Yirtmaç, Ekin Saçlioglu, Gözde Ilkin Vielversprechendes und in kleinen Formaten auch Leistbares. Schöllhammer hofft, die vier Galerien nächstes Jahr in die "normale" Galerienzone zu integrieren. Außer der räumlichen Offenheit erinnert zum Glück nichts an die angekündigte Idee einer Karawanserei.

Die gelungene Gestaltung lässt das offene Raumkonzept der Parallelmesse Fruits, Flower & Clouds (bis 14. 5.) weniger glänzen. Dem Charme einer Gruppenausstellung kann man dort nicht erliegen. Die Off-Satelliten Jennyfair (bis 15. 5.) und Parkfair (bis 13. 5.) geben ein kräftiges Lebenszeichen der jungen österreichischen Szene. Die Gefahr, dass, so wie in Berlin, die Satelliten womöglich länger leben als das schon fast totgesagte Artforum, droht in Wien einstweilen noch nicht. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2011)