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Bisher galt das Treffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und Sowjetführer Nikita Chruschtschow als ergebnislos, die  österreichischen Historiker Stefan Karner und Barbara Stelzl-Marx sehen in dem Gipfel in Wien dagegen einen Wendepunkt im Kalten Krieg.

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Wien - Für zwei Tage im Juni 1961 war Wien der Mittelpunkt der Welt - mit weitreichenden Folgen. Damals trafen einander die beiden mächtigsten Männer der Welt - US-Präsident John F. Kennedy und Sowjetführer Nikita Chruschtschow - in Österreich. Ihr Gipfeltreffen am Höhepunkt des Kalten Krieges sollte die Welt von einem gefährlichen Schlitterkurs in Richtung eines Atomkrieges abbringen.

Die Stimmung war zu Beginn denkbar ungünstig. Chruschtschow soll verärgert über den jungen US-Präsidenten gewesen sein, und ihn gegenüber Beratern als "Hurensohn" beschimpft haben, weil Kennedy beim Streit der Supermächte um das geteilte Berlin nicht nachgeben wollte. Kennedy hingegen kam gesundheitlich und politisch angeschlagen nach Wien. Obwohl er erst wenige Monate im Amt war, hatte der jugendliche Charismatiker bereits eine militärische Niederlage zu verantworten: Die missglückte Invasion an der Schweinbucht in Kuba. In den Tagen vor dem Gipfel klagte Kennedy über starke Schmerzen, die aus einer alten Rückenverletzung herrührten. Er wurde darum von gleich drei Ärzten nach Wien begleitet, die ihn mit dem starken Schmerzmittel Procain für die Konferenz fit machten. 

Hohe Erwartungen

"Die Erwartungshaltung der Weltöffentlichkeit war groß - der Gipfel sollte die wesentlichen Probleme zwischen den Supermächten lösen", erklärte der Historiker Stefan Karner. Gemeinsam mit seiner Kollegin Barbara Stelzl-Marx und dem Leiter der Diplomatischen Akademie, Hans Winkler, präsentierte er am Donnerstag in Wien das mehr als tausend Seiten starke Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojektes unter amerikanischer und russischer Beteiligung, "Der Wiener Gipfel 1961", das die Konferenz in allen Aspekten beleuchtet.

In Wien standen sich die beiden Staatsführer erstmals persönlich gegenüber - und prallten aufeinander. "Er behandelt mich wie ein kleines Kind", klagte Kennedy gegenüber seiner Entourage. Chruschtschow, den die Psychologen der CIA als "Meister des kalkulierten Bluffs" bezeichneten, nahm Kennedy mit harter Gesprächsführung in die Zange. Doch Kennedy blieb resolut. Es werde in der Berlin-Frage kein Nachgeben der USA geben, stellte der US-Präsident klar. Chruschtschow, damals am Höhepunkt seiner Macht, musste ohne ein Zugeständnis des von ihm als "weichlich" verunglimpften Kennedy nach Hause fahren.

Bisher unbekannte Dokumente

Die Forschung hat den Gipfel bisher als ergebnislos angesehen. Diesem Verdikt wollen sich die österreichischen Historiker Karner und Stelzl-Marx nicht anschließen. "Wien war ein Wendepunkt", sagte Karner. Den Kontrahenten sei klar geworden, wohin ein Atomkrieg führe. "Zum ersten Mal haben beide in die Hölle gesehen. Sie erfuhren, was das heißen könnte: Vernichtung", so Karner. Das gehe aus bisher unbekannten Dokumenten der beiden Delegationen hervor.

Dem Gipfel in Wien ging ein erfolglosen Treffen von Chruschtschow mit Kennedys Vorgänger Dwight D. Eisenhower in Paris ein Jahr zuvor voraus. Die Vorbereitung des Wiener Treffens erfolgte daher unter extremem Erfolgs- und Zeitdruck - die österreichische Regierung erfuhr nur knapp zwei Wochen vorher davon.

Neue, informelle Kanäle

Insgesamt habe sich das Ergebnis aber sehen lassen können, so das Fazit der Wiener Studie. Als Folge des Wiener Gipfels sei erstmals das berühmte Rote Telefon eingerichtet worden, ein direkter Draht zwischen den beiden Staatsoberhäuptern. Dieser und andere neue, informelle Informationskanäle zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus hätten es wenig später erlaubt, unblutige Lösungen für den Bau der Berliner Mauer im Sommer 1961 sowie für die Kuba-Krise im Jahr darauf zu finden.

Österreich wurde freilich nie wieder Schauplatz eines Gipfels der Supermächte: Ein Treffen zwischen George Bush senior und Michael Gorbatschow im Dezember 1989 wurde in letzter Minute abgesagt. Bald darauf war die Sowjetunion Geschichte. (red/APA)