ModeratorIn: Wir begrüßen den neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im Chat. Bitte stellen Sie jetzt Ihre Fragen an ihn.

Karlheinz Töchterle: Auch meinerseits ein Willkommen an die User.

Loris: was hat sie dazu bewogen, diesen ministerposten anzunehmen, der, vorsichtig ausgedrückt, ganz schnell in der persönlichen unglaubwürdigkeit enden kann?

Karlheinz Töchterle: Ich bin mir sicher, dass ich meine persönliche Glaubwürdigkeit auch und gerade in diesem Amt bewahren kann. Beweggrund war die Möglichkeit, an einer wichtigen Stelle etwas für Österreichs Wissenschaft und Bildung tun zu können.

ModeratorIn: Eine FRage via Twitter: "Sie sprechen oft von Empirie zu den Effekten von Studiengebühren. Können Sie das näher ausführen bzw. wo findet man die?"

Karlheinz Töchterle: Es gibt sehr viele Befunde aus anderen Ländern mit Studiengebühren und besserer sozialer Durchmischung als in Österreich. Bei uns selbst zeigt sich vor und nach der Einhebung von Studiengebühren kaum eine Änderung der sozialen Durchmischung, sie ist im Gegenteil nach 2008 sogar noch etwas schlechter geworden. Es gibt z.B. eine Publikation der Uniko, die vor einigen Jahren solche empirischen Befunde vorgestellt hat.

emtscho: Hr.Minister Töchterle, wie wollen Sie im gegensatz zu ihren Vorgängern die Bildungspolitik verändern? Welche Themen von den verschiedenen ÖH-Kandidaten sind in Ihren Augen umsetzbar?

Karlheinz Töchterle: Bildungspolitik ist ein sehr weiter Begriff. Ein wichtiges Element ist zweifellos die LehrerInnenbildung. In diesen Reformprozess versuche ich mich im Sinne einer Qualitätssteigerung einzubringen. Im Hochschulbereich stehen ebenfalls Reformen an, vor allem der Hochschulplan. Die Themen im ÖH-Wahlkampf enthalten gute Anregungen, allerdings auch einige nicht realisierbare Utopien.

Kathi 89: S.g. Herr Minister, Sie sind ja für Studiengebühren – was sagen Sie einer Studentin eines naturwissenschaftlichen Bachelorstudiums im 8. Semester, die um die zusätzlichen Fixkosten zu finanzieren mehr als bisher arbeiten müssen wird (und dadurch noc

Karlheinz Töchterle: Ich bin nur dann für Studiengebühren, wenn sie durch Stipendien sozial abgefedert werden. Andererseits sind Studiengebühren ein Beitrag zur Finanzierung unserer Hochschulen. Es gibt außer den Universitäten kaum eine Bildungseinrichtung ohne Gebühren, vom Kindergarten angefangen. Wenn man sie sozial abfedert, finde ich sie gerechtfertigt.

Mooreel: Gibt es für sie ein politishces Vorbild?

Karlheinz Töchterle: Ich habe andere Vorbilder - Sophokles und Petron.

samsa_: die selbstversicherung für studierende wird ab 1.7. um die hälfte erhöht uns kostet dann knapp 50 euro, dazu kommeen kürzung der familienbeihilfe und ein stipendiensystem bei dem viele durch den rost fallen...wie kann es sein, dass die finanzielle b

Karlheinz Töchterle: Die Beihilfenbezieher sind vom Wegfall des Zuschusses zur Selbstversicherung nicht betroffen, ebenso nicht von der Kürzung der Familienbeihilfe. Wir geben im Jahr rund 200 Millionen Euro für Studieförderung aus.

ModeratorIn: Eine Frage per e-Mail: War die Umstellung auf das Bologna System ihrer Meinung nach ein Fehler?

Karlheinz Töchterle: Fehler sind eher in der Umsetzung passiert. Die Idee eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes ist grundsätzlich zu begrüßen.

forenzwerg: Herr Minister. WIe beurteilen sie die UNIBRENNT-Bewegung?

Karlheinz Töchterle: Sie hat der österreichischen Hochschul- und Bildungspolitik viele Denkanstöße gebracht und waren als kritisches Forum durchaus dem universitären Gestus angemessen. Einige ihrer Formen und die Dauer der Proteste sehe ich kritischer.

regdop: Wissenschaft wird auch oft von der Öffentlichkeit als "unnötig" angesehen. Was werden Sie tun in Sachen Aufklärung darüber, warum Wissenschaft notwendig ist?

Karlheinz Töchterle: Es gab und gibt in jeder Gesellschaft antiintellektuelle Resentiments (vergleiche den gefesselten und geknebelten Troubadix beim abschließenden Festmahl der Gallier). Als eine meiner Aufgaben betrachte ich es, das Ansehen der Wissenschaft in unserem Land weiter zu heben. Viele tüchtige WissenschaftlerInnen helfen mir dabei.

Luke-Skywalker: Ich weiß, Ihre Hauptaufgabe wird in den nächsten Jahren sicher sein den wissenschaftlichen Bereich der Universitäten zu sanieren, aber was sagen Sie zu der schlechten Bezahlung im universitären Verwaltungsbereiches - sollte man diese Jobs nicht attr

Karlheinz Töchterle: So pauschal würde ich nicht von einer schlechten Bezahlung reden wollen. Es liegt aber an den einzelnen Universitäten, wie sie mit dem neuen Kollektivvertrag umgehen.

forenzwerg: Was reizt Sie nach langer Zeit als Rektor an der Politik? Wären Sie bei jeder Partei in die Politik gewechselt?

Karlheinz Töchterle: Mich reizen grundsätzlich neue Herausforderungen. Die Position der ÖVP entspricht meinen hochschul- und bildungspolitischen Vorstellungen am besten.

the hoxton fives: Was halten Sie von einem Bildungskredit zusätzlich zu Stipendien zur Abfederung der Studiengebühren?

Karlheinz Töchterle: Solche Kreditmodelle gibt es in einigen Ländern. Man müsste sich deren Vor- und Nachteile genauer anschauen, um hier zu einem dezidierten Urteil zu kommen.

ascafirithion: Würden Sie eine stärkere Förderung der Universitäten und Stipendien von Seiten der Privatwirtschaft begrüßen? Wenn ja, wie würden sie mögliche Abhänigkeiten und Eingriffe in die Lehrinhalte ausschließen?

Karlheinz Töchterle: In der Tat ist die Förderung von dieser Seite in anderen Ländern wesentlich höher. Sie sollte natürlich keinesfalls die Freiheit von Forschung und Lehre einschränken.

TSD: Werden Sie die außeruniversitäre Forschungsförderung wieder aufnehmen, oder ziehen Sie den Kahlschlagkurs von Beatrix Karl weiter durch?

Karlheinz Töchterle: Das war kein Kahlschlag, sondern der Versuch, diese Forschungseinrichtungen enger an die großen Institutionen zu binden, und der ist in vielen Fällen bereits geglückt. Gerade vor ein paar Tagen waren z.B. der Rektor der Kunstuni Linz und der Leiter des IFK, einer solchen Forschungseinrichtung, bei mir und haben ihre neue Zusammenarbeit als sehr aussichtsreich dargestellt.

georg leitinger: Sehr geehrter Herr BM, es wurden nun die Generalsanierungsförderungen für Studentenheime gestrichen. Dadurch muss der Heimpreis um bis zu 60 Eur/Pers/Monat angehoben werden. Was können sie dagegen tun?

Karlheinz Töchterle: Reduziert wird der Bundesbeitrag ab 2013, ein Teil des Loipersdorfer Sparprogramms. Alle Zusagen für schon laufende Vorhaben werden eingehalten. Sollten sich die Mietkosten ab 2013 erhöhen, könnte man sie durch eine direkte Hilfe an sozial schwache Studierende vermindern.

jcMaxwell: Die chronische Unterfinanzierung unserer Universitäten hat nach den geisteswissenschaftlichen Fakultäten nun auch die Naturwissenschaften erreicht (siehe offener Brief des TU Wien Rektorats). War die MINT-Kampagne von Karl eine Farce?

Karlheinz Töchterle: Die begrenzten Mittel für die Universitäten betreffen alle Fächer gleichermaßen, ihre Verteilung obliegt zudem den Universitäten selber. Außerdem werden Teile der in Loipersdorf beschlossenen Offensivmittel von 80 Millionen Euro pro Jahr gerade auch in die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer fließen.

jay.r: Herr Minister, wo sehen Sie die österreichischen Universitäten heute und wie wünschen Sie sich die Unis in zehn Jahren bzw. was werden sie dafür tun?

Karlheinz Töchterle: Die österreichischen Universitäten sind wesentlich besser, als sie häufig dargestellt werden, das beweisen viele Indikatoren. Natürlich möchte ich, dass sie noch besser werden. Der anstehende Hochschulplan wird dazu beitragen, dass wir noch mehr Synergien heben und die Kooperation zwischen den Forschenden, aber auch zwischen den Hochschultypen verstärken.

tock tock tock: Wie stehen sie eigentlich zu der Praxis, dass Projektassistenten an den Unis zT nur mehr Verträge für ein paar Monate bekommen - und das wiederholt hintereinander (also klassische Kettenverträge, die ansich sittenwiedrig sind!)

Karlheinz Töchterle: Es mag Projekte geben, wo eine kurzzeitige Anstellung schlüssig ist. Dann soll es natürlich immer auch befristete Verträge geben, um nachrückenden NachwuchswissenschaftlerInnen eine Chance zu geben. Der neue KV erlaubt aber auch die Vergabe von Qualifizierungsstellen, die eine langfristige Perspektive ermöglichen. Das, glaube ich, ist eine gute Mischung.

linksextremer kampfposter, von der öh bezahlter: was halten sie von der neuen studieneingangsphase?

Karlheinz Töchterle: Sie ist als Orientierungs- und Informationssemester nützlich, nicht aber, wenn man sie zum Hinausprüfen missbraucht. Dazu wird man aber in manchen Massenfächern gezwungen, wenn man nicht die Möglichkeit von Zugangsregelungen hat.

youresogreat: Sehen Sie eine Notwendigkeit die Zahl der Studienplätze bei bestimmten Studienrichtung zu regulieren? Wenn ja, welche Methode einer qualitativen Auslese halten Sie für optimal?

Karlheinz Töchterle: Wenn die Zahl der Studieninteressierten in einem Fach die Kapazitäten überschreitet, finde ich eine Regulierung angebracht, die zu dem von der geplanten Studienplatzfinanzierung nahegelegt wird. Für die Auswahl finde ich möglichst treffsichere, prognosestarke und wertschätzende Verfahren am besten.

ModeratorIn: Eine Frage per e-Mail: Viele Quereinsteiger vor ihnen sind und vp gescheitert - (bandion, kdolsky) warum sollte es ihnen besser gehen?

Karlheinz Töchterle: Wir werden sehen :-)

Raphael Singer: Lieber Herr Minister! Das Studienfach Internationale Entwicklung, welches durch die Uni-Novelle auf Bachelor umgestellt wurde, "kämpft" noch immer um die "Bewilligung" des Masterstudiums. 1. Was machen nun die ersten StudentInnen die bereits nach di

Karlheinz Töchterle: Erlauben Sie mir bitte, das Problem erst einmal genauer zu studieren, vor allem die Frage, ob das nicht zur Gänze in die Autonomie der betreffenden Universität fällt.

dr.ban cok: Würden Sie den durchschnittlichen österr. Politiker im Vergleich zu anderen Ländern als bildungsresistenter einstufen um damit die fehlende Förderung für den österr. Wissenschafternachwuchs erklären?

Karlheinz Töchterle: Gerade in letzter Zeit habe ich von vielen Seiten ganz explizite Erklärungen zur überragenden Bedeutung von Bildung und Wissenschaft für die Zukunft eines Landes gehört. Daher kann ich Ihre Prämisse nicht teilen, und die Conclusio fällt damit weg.

ModeratorIn: Die Chat-Zeit ist zu Ende. Vielen Dank für Ihre Fragen, leider konnten nicht alle gestellt werden. Wir freuen uns schon auf den nächsten Chat in unserer ÖH-Wahl-Serie: Am Montag stellt sich der Spitzenkandidat der Fachschaftslisten (FLÖ), Martin Sch

Karlheinz Töchterle: Auch von meiner Seite besten Dank für die anregenden Fragen. Ich hoffe, ich konnte trotz beschränkter Zeit und beschränkten Raumes einigermaßen zufriedenstellend antworten. Den derStandard.at-Redakteurinnen danke ich für die überaus freundliche und professionelle Unterstützung.