Künstler-Votum für Gerald Matt: Feridun Zaimoglu.

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Eine Polemik gegen das "kleingeistige Eifertum von Kulturbürokraten".  

In der schönen Stadt Wien war ich oft zu Gast. Man lud mich ein, aus meinen Büchern zu lesen. Die Menschen schien es zu belustigen, dass ich aus Deutschland bin. Ich schrieb einen Roman und machte die Stadt zum Schauplatz von Liebesgefechten. Im Jahre 2005 holte mich Gerald Matt nach Wien. Die Fassade der Kunsthalle wurde mit türkischen Fahnen behängt; die Kunstaktion "Die 3. Türkenbelagerung" sorgte in Österreich und in Deutschland für Furore. Ich war recht überrascht: Der Direktor verstand ein Museum nicht als Schanzburg für einsame Kenner. Das Volk lief in Scharen herbei. Menschen aus der kunstfernen Schicht kamen und staunten. Schon damals griff man ihn persönlich an - er sollte doch bitteschön auf den großen Auftritt verzichten. Man legte ihm eine herkömmliche Leibbekleidung nahe. Wirft man einem Beamten im gestreiften kurzärmeligen Hemd vor, das Textil wäre unvereinbar mit der Würde des Amts?

Nun erreicht mich die Nachricht, der Kultursprecher der Grünen, ein mir bis dahin unbekannter Herr Wolfgang Zinggl, habe den Herrn Matt angezeigt. Die Vorwürfe: Verdacht auf Untreue, Intervention zur Verleihung der Staatsangehörigkeit an Dritte.

Der Direktor hat sich von der zuständigen Behörde über die Gesetzeslage aufklären lassen. Man sagte ihm, es gäbe keine rechtliche Handhabe, Kunstsponsoren den österreichischen Pass zu geben. Wie alle, die wachen Geistes und guten Willens sind, hat Herr Matt sich vielleicht privat über diese Ungerechtigkeit ausgelassen. Er unternahm aber in dieser Sache doch wohl keine weiteren Schritte. Nun stelle man sich folgendes vor: Ich bin ein Tourist und das erste Mal in Wien. Ich erkundige mich nach Fahrscheinen für den öffentlichen Nahverkehr. Plötzlich werde ich von Bahnbediensteten niedergeschlagen und in Handschellen abgeführt. Denn für die ist es erwiesen, dass mich allein die Frage als Schwarzfahrer ausweist.

Kunstferne wird den betreffenden Sponsoren unterstellt. Sie gaukelten Kunstinteresse vor, heißt es, im Grunde wären sie von niederen Trieben angefeuert. Frage: Warum haben die Damen und Herren nicht in Sport investiert? International gilt Sportförderung als das große Ding, Millionäre kaufen Fußballclubs auf. Hält man in diesem Falle die Mäzene für besonders dämliche Mamelucken, die keine Zeitung lesen?

Was will also der Herr Zinggl? Hat man es mit einem erfolglosen Künstler zu tun? Tritt ein Unverstandener einen Neid- und Rachefeldzug gegen jene an, die seine Kunst für zu leicht befanden? Kleine Leutlein sind bald inharmonisch, sie wehren sich mit großem Maul. Es gibt auch bei uns in Deutschland ähnliche Fälle zuhauf. Manch ein Jakobiner mit Verdiensten wird, da man ihn auf einen politischen Posten setzt, Machtentfaltung kaum scheuen. Der Rächer verfängt sich in Wahngebilden: Er sieht ringsherum nur Lust und Verlangen, darüber ist er erbost. Der Kulturbürokrat greift zur Mistforke, er will die Schurken jagen und erlegen. In der Rolle des Zeloten geht er auf. Kein Tag soll vergehen ohne Rums und Paukenschlag, das hat er geschworen. Ein paar versprengte Kleinbürger beklatschen den Kleingeist; der Kleingeist weist auf diese Bekundungen und macht weis, er vollstrecke Volkes Willen. Trimmen, stutzen, schneiden mag er am liebsten.

Frage: Ist diesen Eiferern beizukommen, und wenn ja, wie? Es darf den Verleumdeten nicht bekümmern, dass er angespien wird - das ist leichter gesagt als getan. Der sich als Mann der Massen gerierende Bürokrat kann aber vom Eifertum nicht lassen. Man muss ihm bedeuten, dass er nicht Künstler noch Kunstsinniger sei. Für diese Sorte Mensch sind harte Fakten nur die Tünche der Lüge. - Ob in Österreich oder in Deutschland: Wenn der Unschuldsbeweis erbracht wird, geht für den üblen Nachredner das Licht aus. Er steht im Dunkeln. Wenn das grüne Kulturpolitik ist, dann aber gute Nacht. (Feridun Zaimoglu / DER STANDARD, Printausgabe, 12.5.2011)